Klare Regeln zum "Bridging" mit NMH

STUTTGART (skh). Vor chirurgischen Eingriffen werden oral antikoagulierte Patienten meist auf die besser kontrollierbare Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin (NMH) umgestellt. Für die überbrückende Antikoagulation, das sogenannte "Bridging", gibt es einfache Regeln, die das individuelle Thrombose-Risiko der Patienten berücksichtigen und den Aufwand für Patienten, Chirurgen und Hausärzte überschaubar halten.

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Das "Bridging" wird häufig von niedergelassenen Ärzten begonnen und wegen der immer kürzeren Liegezeiten postoperativ auch ambulant weitergeführt, sagt Privatdozent Ralf Eisele aus Weißenhorn. Anders als bei der postoperativen Thrombose-Prophylaxe muss beim "Bridging" eine therapeutische NMH-Dosis gegeben werden.

Bei den Patienten werden hinsichtlich des Throboembolie-Risikos zwei Gruppen unterschieden: Ein niedriges Risiko haben etwa Patienten, die wegen Vorhofflimmern oder wegen eines Schlaganfalls oral antikoaguliert werden. Sie werden mit einem NMH in halbtherapeutischer Dosis behandelt. Patienten mit hohem Risiko, etwa bei künstlichen Herzklappen, bekommen die volltherapeutische Dosis, so Eisele bei einer von Novartis unterstützten Fortbildungs-Veranstaltung.

Bei den niedermolekularen Heparinen werden meist Enoxaparin, Dalteparin, Nadroparin und Certoparin verwendet. Die drei erstgenannten Präparate werden in Abhängigkeit vom Körpergewicht dosiert. Bei Certoparin (Mono-Embolex®) hat sich eine halbtherapeutische Dosis von einmal täglich 8000 IE für Niedrigrisiko- und eine volltherapeutische Dosis von zweimal täglich 8000 IE für Hochrisiko-Patienten bewährt.

Nach Eiseles Erfahrung ist Certoparin auch in volltherapeutischer Dosis gut verträglich und das Blutungsrisiko noch im tolerablen Bereich. Zu beachten sei jedoch, dass NMH für diese Indikation keine explizite Zulassung besitzen. Im strengen juristischen Sinne handelt es sich daher um einen "offlabel use". Das "Bridging" mit NMH sei jedoch "good clinical practice", sagte Eisele.

Phenprocoumon sollte sieben Tage vor der Op abgesetzt werden. Unterschreitet die INR bei den folgenden Messungen zum ersten Mal die untere Grenze des bisherigen Zielbereiches - meist 2,0 - so kann die NMH-Therapie begonnen werden. Am Tag der Op sollte die INR auf einen Wert nahe 1 abgesunken sein. Bewertet der Operateur das Blutungsrisiko postoperativ als vertretbar, so kann die Phenprocoumon-Therapie fortgesetzt werden. Das NMH wird erst abgesetzt, wenn die INR bei zwei aufeinander folgenden Messungen im Zielbereich liegt - meist nach fünf bis sieben Tagen.

Eingriffe, die ohne Unterbrechung der oralen Antikoagulation vorgenommen werden können, sind etwa einfache Zahnextraktionen, sowie augenärztliche Eingriffe an Hornhaut und Linse. Diese Patienten können sowohl Phenprocoumon als auch ASS weiter einnehmen, gegebenenfalls kann die Dosis reduziert werden. Ein "Bridging" benötigen diese Patienten nicht, so Eisele.

STICHWORT

INR

Die INR (International Normalized Ratio) wird zur Kontrolle der Antikoagulation anstelle der Thromboplastinzeit (Quickwert) empfohlen. Der INR-Wert wird berechnet, indem man die Thromboplastinzeit des Patientenplasmas durch die Thromboplastinzeit eines Normalplasmas teilt und den Quotienten mit einem Korrekturfaktor potenziert. Normal ist eine INR von 1,0. Muss die Blutgerinnung aus therapeutischen Gründen gehemmt werden, so werden INR-Werte zwischen 2,0 und 4,0 angestrebt.

(eb)

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