HINTERGRUND

Kompressionsstrümpfe sind bei schwerer venöser Insuffizienz oft eine Alternative zu elastischen Wickeln

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

Binde oder Strumpf? Der Erfolg der Kompressionstherapie bei chronischer venöser Insuffizienz (CVI) hängt nicht nur von dieser Entscheidung ab, sondern auch von der richtigen Anwendung, der Patienten-Compliance sowie vom Lokalbefund.

Wurde bislang bei venösen Ulzera oder Dermatosen eher zu Kompressionsbinden geraten, gibt es jetzt auch spezielle Kompressionsstrümpfe für diese Indikation. Hautärzte haben sie getestet.

Egal, für welches Kompressionsmittel man sich entscheidet: Durch die Kompression soll ein niedriger Ruhedruck (Sitzen) und ein hoher Arbeitsdruck (Laufen) erreicht werden. Der niedrige Ruhedruck gewährleistet die arterielle Durchblutung, der hohe Arbeitsdruck verbessert im wesentlichen den Blutrückfluß und reduziert Ödeme.

Bei geringer CVI reichen oft die schöneren dünneren Strümpfe

Weil der Arbeitsdruck um so niedriger ist, je elastischer das Material ist, werden in der Kompressionstherapie vorwiegend kurzzugelastische Materialien verwendet. Diese haben eine maximale Dehnbarkeit von etwa 60 Prozent. Bei beginnender CVI im Ödemstadium oder bei Varikose ohne Hautkomplikationen könne aber auch auf langzugiges Material (Dehnbarkeit über 140 Prozent) zurückgegriffen werden, meinen Professor Michael Jünger und Dr. Kirstin Sippel von der Universitätshautklinik in Greifswald (Der Hautarzt 54, 2003, 1045 ff.).

Es sei im Vergleich dünner, luftdurchlässiger und transparenter und wird modischen Aspekten eher gerecht, was besonders Frauen (Compliance!) entgegenkommen dürfte.

Die Entscheidung für oder gegen Kompressionsbinde oder Strumpf kann nach Jüngers und Sippels Angaben nach diesen Kriterien fallen:

  • Binde: individuelle Dosierung des Anpreßdruckes durch Auswahl der entsprechenden Binde, Vordehnung der Binden und Anlage von Unterpolstern. Allerdings benötigt die anlegende Person dafür ausreichend Erfahrung. Manche Binden haben ein aufgedrucktes Rechteck, das bei richtiger Anlage zum Quadrat wird. Nachteil der Binden: Die für den venösen Rückstrom notwendige Mobilität des Sprunggelenkes wird reduziert.
  • Kompressionsstrumpf: gleichmäßiger und reproduzierbarer Druck auf das Bein, einfache Anwendung, gute Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk.

Bei nässenden Dermatosen oder Ulzera wurde bislang von Kompressionsstrümpfen abgeraten. Andererseits kennt jeder das Problem, daß Kompressionsverbände im Alltag oft verrutschen und dadurch ihre Wirkung schnell verlieren. Die Greifswalder Hautärzte haben daher gemeinsam mit anderen Kliniken drei speziell für die Therapie bei Ulcus cruris entwickelte Kompressionsstrumpfsysteme getestet.

Die Strümpfe Tubulcus®, UlcerCare® und Venotrain® ulcertec stellten zusammen mit Wundauflagen eine gute Alternative zum herkömmlichen Kompressionsverband dar, so das Fazit der Studien. Bei Kompressionsverbänden sinke der Kompressionsdruck im Lauf des Tages, berichtet Jünger, bei den Kompressionsstrümpfen dagegen nicht. Das hämodynamisch wichtige Verhältnis von hohem Arbeitsdruck und niedrigem Ruhedruck war über sechs Wochen Kompressionsstrumpf-Therapie weitgehend konstant.

Bei Mehrlagen-Kompression akkumuliert der Druck

Wer sich doch für einen Kompressionsverband entscheidet, sollte Mehrlagen-Kompressionsverbände nehmen, empfiehlt Jünger. Diese bestehen aus drei bis vier Lagen elastischen oder unelastischen Kompressionsbinden, kohäsiven / adhäsiven Binden, Crepebinden und Polsterschichten. Die elastischen Binden sorgen für anhaltende Kompression, die kohäsiven/adhäsiven unelastischen Binden bieten Steifheit und verstärken die Funktion der Wadenmuskelpumpe.

Nach Angaben der EWMA (European Wound Management Association) werde der Druck schichtweise ausgeübt und daher akkumuliert. Die EWMA empfiehlt solche Kompressionsverbände etwa bei unkomplizierten venösen Ulzerationen der unteren Gliedmaßen.

Weitere Infos: www.proguide.net/pdf/german.pdf und www.ewma.org



Strümpfe und Binden halten nicht ewig

Damit Kompressionsstrümpfe lange ihre Wirksamkeit behalten, sollten Patienten wissen, wie sie richtig angezogen und mechanische Schäden vermieden werden. Auch dürfen die Strümpfe nicht in Kontakt mit Ölen, Fetten, Cremes, Lösungsmitteln oder Fleckenwasser kommen. Nach dem Waschen sollen sie an der Luft getrocknet werden. In Studien waren Kompressionsstrümpfe etwa der Klassen II und III nach einem halben Jahr austauschbedürftig. Die Elastizität von Kompressionsbinden sollte nach fünfzehn Wäschen geprüft und die Binden gegebenenfalls ersetzt werden. (ner)

Ihr Newsletter zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

© DG FotoStock / shutterstock

Update

Neue Podcast-Folgen

Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Junge Frau spricht mit einer Freundin im Bus

© skynesher | E+ | Geytty Images

Update

Impflücken bei Chronikern

Chronisch krank? Grippeimpfung kann Leben retten

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Mirikizumab wirksam bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn

© Oleh / stock.adobe.com

Zielgerichtete Interleukin-23p19-Inhibition

Mirikizumab wirksam bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg v.d.H.
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!