Überforderung und Erschöpfung

Krank zur Arbeit – das erhöht das Fatigue-Risiko

In der Erkältungszeit keine Seltenheit: angeschlagen bei der Arbeit. Wer „Präsentismus“ betreibt und krank arbeitet, ist meist länger erschöpft, mahnt ein deutsches Forschungsteam.

Veröffentlicht:
Eine Frau sitzt vor dem PC und schneuzt in ein Taschentuch.

Krank ins Büro: Das gefährdet die Gesundheit der Kollegen – aber auch die eigene. Wer krank arbeitet, ist länger erschöpft.

© StockPhotoPro / stock.adobe.com

Chemnitz. Arbeiten trotz Krankheit geht mit einer stärkeren und längeren Erschöpfung einher. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team der TU Chemnitz, der Universität Groningen und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (J Occup Health Psychol 2025; online 20. Oktober).

Gemeinsam mit weiteren Forschenden aus Deutschland und den Niederlanden untersuchte das Team um Wirtschaftspsychologin Dr. Carolin Dietz, TU Chemnitz, welche kurz- und mittelfristigen Folgen der sogenannte „Präsentismus“ für die Erholung hat. Präsentismus beschreibt, dass Menschen trotz Krankheit ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen, etwa weil dringende Termine anstehen oder sie ihr Team nicht hängen lassen wollen.

Häufige Gründe für Präsentismus

  • „Es gab keine Vertretung für mich.“
  • „Ich konnte arbeiten, weil meine Krankheit nicht ansteckend war.“
  • „Ich wollte meinen Kollegen und Kolleginnen nicht zur Last fallen.“
  • „Es gab dringende Arbeiten und Termine.“
  • „Weil ich gerne zur Arbeit gehe.“

Quelle: Techniker Krankenkasse, Datenanalyse „Präsentismus in einer zunehmend mobilen Arbeitswelt“, 2022

Teilnehmer protokollierten Krankheit, Arbeit und Erschöpfung

Bei der Untersuchung handelte es sich um eine wöchentliche Tagebuchstudie. 123 Berufstätige wurden über einen Zeitraum von bis zu 16 Wochen begleitet. Die Teilnehmenden berichteten regelmäßig, ob sie trotz Krankheit gearbeitet hatten und wie erschöpft sie sich fühlten.

Das Ergebnis: In den Wochen, in denen Beschäftigte krank zur Arbeit gingen, stieg das Erschöpfungsniveau deutlich an – und blieb auch in den darauffolgenden Wochen erhöht. „Wer krank arbeitet, braucht also wesentlich länger, um sich zu regenerieren. Viele unterschätzen, wie lange der Körper braucht, um sich vom Arbeiten trotz Krankheit zu erholen“, wird Dietz in einer Mitteilung der TU Chemnitz zitiert. „Unsere Daten zeigen, dass sich Erschöpfung nach solchen Phasen nur langsam über mehrere Wochen hinweg abbaut.“

Besonders häufiges krank Arbeiten im Home Office

Etwa zwei Drittel der Teilnehmenden berichteten von mindestens einer Episode von Präsentismus während des Untersuchungszeitraums. Einige von ihnen gaben an, mehrfach krank gearbeitet zu haben.

Das deckt sich mit den Ergebnissen mehrer Datenanalysen von Versicherungen oder Gewerkschaften. So ergab zum Beispiel eine Untersuchung der Techniker Krankenkasse (TK) aus dem Jahr 2022, dass etwas über die Hälfte der befragten Beschäftigten manchmal oder selten arbeiten, obwohl sie krank sind (56,9 Prozent). 16,5 Prozent geben an, dies nie zu tun, wohingegen 26,6 Prozent häufig oder sogar sehr häufig trotz Krankheit arbeiten. Interessant: Beschäftigte, die regelmäßig im Homeoffice arbeiten, arbeiten häufiger auch trotz Krankheit.

Lesen sie auch

Spirale aus Überforderung und dauerhafter Erschöpfung

Auffällig in der nun publizierten Studie ist: Je häufiger Menschen krank arbeiten, desto stärker häufen sich Anzeichen chronischer Müdigkeit. „Wer Präsentismus regelmäßig zeigt, läuft Gefahr, in eine Spirale aus Überforderung und dauerhafter Erschöpfung zu geraten“, warnt Co-Autor Dr. Oliver Weigelt von der Universität Groningen.

Um sicherzustellen, dass die beobachteten Effekte tatsächlich auf das Arbeiten trotz Krankheit zurückzuführen sind, berücksichtigten die Forschenden in ihren Analysen auch Faktoren wie Krankheitssymptome, Arbeitsbelastung und Zeitdruck.

Es drohen Leistungsabfall und höhere Kosten

„Präsentismus kann aus Sicht der Beschäftigten kurzfristig pragmatisch erscheinen, führt aber mittelfristig zu Leistungsabfall und höheren Belastungskosten“, resümiert Wirtschaftspsychologe Professor Bertolt Meyer, TU Chemnitz: „Betriebe sollten deshalb Beschäftigte aktiv dazu ermutigen, sich bei Krankheit auszukurieren. „So lässt sich nicht nur eine Ansteckung vermeiden, sondern insbesondere die mittelfristigen Folgekosten im Sinne einer verringerten Leistungsfähigkeit.“ (schu)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Influenza A(H3N2) Subklade K

Grippe-Saison in diesem Jahr früher – ECDC rät zu Impfung

ARE in Grafiken

Zahl der Influenza-Infektionen steigt

Rauchfreies Europa?

Rauchstopp: EU hat neben Tabak auch Nikotin im Blick

Das könnte Sie auch interessieren
Wie Zink das Immunsystem stärken kann

© Tondone | AdobeStock

Risikogruppen schützen

Wie Zink das Immunsystem stärken kann

Anzeige | Wörwag Pharma GmbH & CO KG
Praxisfall im Podcast: Atemwegsinfekt

© Bionorica SE

Phytoneering-Akademie

Praxisfall im Podcast: Atemwegsinfekt

Anzeige | Bionorica SE
Antibiotika – Fluch und Segen

Podcast

Antibiotika – Fluch und Segen

Anzeige | Bionorica SE
Brauchen wir noch Antibiotika?

© deepblue4you | iStock

Content Hub

Brauchen wir noch Antibiotika?

Anzeige | Bionorica SE
Kommentare
Dr.med. Franz H. Müsch 21.11.202511:33 Uhr

"Arbeiten trotz Krankheit..." kann auch der Hinweis auf eine von mehr als 80 Berufskrankheiten sein: also sprach Hippokrates: Jeden Patienten nach seinem Beruf fragen: BERUFSANAMNESE (und ggfls auch Berufskrankheiten-Anzeige).
Amtliche Berufskrankheitenliste: https://www.gesetze-im-internet.de/bkv/anlage_1.html
Müsch, Arbeitsmed. Berufskrankheiten-Gutachter

Sonderberichte zum Thema
Abb.1: Antikörper-Wirkstoff-Konjugat

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [14, 15]

Nicht kleinzelliges Lungenkarzinom

Effektive Zweitlinienoptionen weiterhin dringend benötigt

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg, und der Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Wirkmechanismus eines Antikörper-Wirkstoff-Konjugats (ADC) am Beispiel von Trastuzumab deruxtecan

© Springer Medizin Verlag GmbH, (modifiziert nach [10]; original licensed under CC BY 4.0; https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate

Fortschritte bei allen Komponenten

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg, und der Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Wirkmechanismus eines Antikörper-Wirkstoff-Konjugats

© Springer Medizin Verlag GmbH (modifiziert nach [6]; original licensed under CC BY 4.0; https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)

Nicht kleinzelliges Lungenkarzinom

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate in der Therapie des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg, und der Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Elektronische Patientenakte

So steht es um die ePA in den Krankenhäusern

Lesetipps
In der Grippe-Saison 2025/2026 in Europa wird die Influenza-Variante, A(H3N2) der Subklade K wahrscheinlich eine dominierende Rolle spielen.

© peterschreiber.media / stock.adobe.com

Influenza A(H3N2) Subklade K

Grippe-Saison in diesem Jahr früher – ECDC rät zu Impfung