Herzstillstand

Kühler ist nicht besser

Beim Herzstillstand könnte Hypothermie positive Effekte haben, hieß es in früheren Studien. Nun haben Kollegen aus Schweden die therapeutische Kühlung untersucht - und keinen großen Nutzen gefunden. Die Autoren glauben dennoch an das Prinzip.

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Herzstillstand: Ob die Kühlung der Körpertemperatur wirklich hilft, ist weiter offen.

Herzstillstand: Ob die Kühlung der Körpertemperatur wirklich hilft, ist weiter offen.

© Theissen / imago

DALLAS. Sehr viele Menschen mit Herzstillstand sterben in der Folge oder tragen schwere Hirnschäden davon.

Nachdem in kleineren Studien gezeigt wurde, dass eine therapeutische Kühlung in dieser Situation die Mortalität senken und den neurologischen Status verbessern kann, wird die therapeutische Hypothermie inzwischen in Leitlinien empfohlen.

Viele Experten halten jedoch die wissenschaftliche Evidenz, auf der diese Empfehlung gründet, für nicht ausreichend.

Eine internationale Forschergruppe um Dr. Niklas Nielsen aus Helsingborg in Schweden sah sich deshalb veranlasst, der Sache weiter auf den Grund zu gehen.

Die Untersucher haben in ihrer Studie bei 939 bewusstlosen Personen, die einen Herzstillstand außerhalb einer Klinik oder eines Krankenhauses erlitten hatten, zwei Varianten der therapeutischen Hypothermie miteinander verglichen.

Studienleiter Nielsen hat die Ergebnisse jetzt beim Kongress der American Heart Association in Dallas. Die Studie ist simultan im "New England Journal of Medicine" online publiziert worden (NEJM 2013; online 17. November).

Bei 466 Patienten wurde angestrebt, die Körperkerntemperatur auf 36 Grad Celsius zu bringen, während bei 473 Patienten eine niedrigere Temperatur von 33 Grad das Ziel war.

Bei rund drei Viertel aller Patienten geschah dies mittels eines Systems zur Oberflächenkühlung, bei einem Viertel mittels intravasalem Kühlungskatheter.

Kein Unterschied bei der Mortalität

Primärer Endpunkt war die Mortalitätsrate bei Studienende (nach bis zu 956 Tagen). Mit 50 Prozent (33-Grad-Gruppe) und 48 Prozent (36-Grad-Gruppe) waren die Sterberaten nicht signifikant unterschiedlich.

Auch gemessen an der Rate für den kombinierten Endpunkt Tod oder schlechter neurologischer Zustand (nach 180 Tagen) ergab sich kein Vorteil zugunsten der stärkeren Körperkühlung (54 versus 52 Prozent).

Sprechen diese Ergebnisse gegen eine kontrollierte Senkung der Körpertemperatur bei Herzstillstand? Nicht unbedingt, betonen Dr. Jon Rittenberger und Dr. Clifton Callaway in einem Editorial zur Publikation der Studie (NEJM 2013; online 17. November).

Sie interpretieren die Ergebnisse sogar als mögliche Bestätigung des Nutzens dieser Behandlungsstrategie - auch wenn die stärkere Kühlung ohne Vorteil blieb.

Beide Varianten der kontrollierten Induktion einer Abkühlung des Körpers haben nach Ansicht von Rittenberger und Callaway möglicherweise verhindert, dass die von Herzstillstand Betroffenen eine prognostische ungünstige Hyperthermie - sprich: Fieber - entwickeln.

Das könnte dazu beigetragen haben, dass die Überlebensraten in beiden Gruppen vergleichsweise gut waren. Früher hatte nur jeder dritte Patient mit Herzstillstand nach spontaner Rückkehr der normalen Zirkulation eine Chance darauf, die Klinik lebend zu verlassen.

Dank der modernen aggressiven Notfallbehandlung einschließlich therapeutischer Hypothermie liege die Chance heute bei rund 50 Prozent, so die beiden Autoren.

Prähospitale Hypothermie ohne Vorteil

Die Strategie, mit der Hyperthermie-Behandlung bereits in der Prähospitalphase zu beginnen, scheint allerdings nicht geeignet zu sein, die Behandlungsergebnisse mit dieser Methode zu verbessern.

Im Gegenteil: Daten einer ebenfalls beim AHA-Kongress vorgestellten Studie sprechen für eine Zunahme von Komplikationen.

An der Studie einer Arbeitsgruppe um Dr. Francis Kim aus Seattle waren 1359 Patienten mit Herzstillstand beteiligt, der bei 583 Patienten auf Kammerflimmern und bei 776 Patienten auf andere Ursachen zurückzuführen war.

Bei der Hälfte der Teilnehmer der Teilnehmer wurde bereits prähospital eine Senkung der Körpertemperatur mittels Infusion von zwei Litern gekühlter Kochsalzlösung (4 Grad Celsius) herbeigeführt, die andere Hälfte erhielt bis zur Klinikaufnahme nur eine Standardtherapie.

Auf die Rate der Patienten, die am Ende lebend aus der Klinik entlassen werden konnten, hatte die früh begonnene Hypothermie keinen relevanten Einfluss, auch der neurologische Status der Patienten wurde dadurch nicht verbessert, berichtete Kim in Dallas.

Allerdings wurden in der Gruppe mit früher Kühlung vermehrt ein erneuter Herzstillstand sowie Lungenödeme beobachtet. (ob)

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