Lipidtherapie - wichtiger Aspekt beim metabolischen Syndrom

Patienten mit Dyslipidämien haben ein hohes Risiko für atherosklerotische Folgeerkrankungen. Besonders gefährdet sind sie, wenn sie weitere Risikofaktoren aufweisen, wie das beim metabolischen Syndrom der Fall ist. Der Nutzen einer LDL-Cholesterin-Senkung und HDL-Cholesterin-Erhöhung ist durch mehrere Studien belegt. Wie sollte die Therapie bei Patienten, die mit Dyslipidämie in die Praxis kommen, gestaltet werden?

Veröffentlicht:

Jörg Kreuzer

Wie niedrig sollte das LDL-Cholesterin sein?

Der Zielwert für das LDL-Cholesterin ist derzeit Thema vieler Diskussionen - leicht gewinnt man den Eindruck, es handele sich um eine nach wie vor ungeklärte Frage. Erfreulicherweise ist die Situation aber bei weitem nicht so unklar, wie es gerade durch Veröffentlichungen in der Publikums-Presse in den letzten Monaten vielfach dargestellt wurde.

In mehreren Studien der vergangenen Jahre konnte mittlerweile zweifelsfrei nachgewiesen werden, daß es einen direkten linearen Zusammenhang zwischen koronarem Risiko und der Höhe des LDL-Werts gibt. Zusätzlich konnte überzeugend gezeigt werden, daß eine ausgeprägtere Senkung des LDL-Wertes mit einer ausgeprägteren Risikoreduktion verbunden ist.

In einer aktuellen Metaanalyse aus 14 Studien, an denen insgesamt 90 056 Personen teilgenommen hatten, konnte dieser Zusammenhang weiter erhärtet werden. Die "Cholesterol Treatment Trialists’ (CTT) Collaboration" veröffentlichte diese Analyse im vergangenen Jahr im Lancet (Lancet 366, 2005, 1267) und errechnete, daß eine Senkung des LDL-Cholesterins um 1 mmol / l (etwa 40 mg / dl) mit einer Reduktion der Gesamtmortalität von zwölf Prozent einhergeht.

Die koronare Mortalität wurde um 19 Prozent gesenkt, das Risiko für einen Apoplex um 17 Prozent. Die Risikoreduktion war unabhängig vom Ausgangs-Cholesterin der Patienten.

Die relative Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse ist in allen LDL-Bereichen ähnlich. Eine weitere Senkung des LDL-Cholesterins ist somit auch mit einer weiteren Risikoreduktion verbunden. Dennoch ist die absolute Zahl vermeidbarer Ereignisse durch die Senkung hoher LDL-Werte bei betroffenen Patienten höher. Denn bei diesen Patienten ist das kardiovaskuläre Risiko deutlich größer, so daß letztendlich mehr Ereignisse auftreten und absolut gesehen folglich auch mehr Ereignisse verhindert werden können.

Bei Hochrisiko-Patienten LDL-Wert unter 100 mg / dl

Um möglichst einfach den für den einzelnen Patienten idealen Zielwert zu identifizieren, eignet sich generell die Verwendung von Leitlinien. Sehr pragmatisch geht hier die Leitlinie des US-amerikanischen "National Cholesterol Education Program" (NCEP) vor.

In den Angaben im "Adult Treatment Panel III" (ATP-III) wird klar zwischen Patienten mit hohem und niedrigem kardiovaskulärem Risiko unterschieden. Zusätzlich wird eine intensivere Senkung der LDL-Werte empfohlen, wenn Patienten mehrere Risikofaktoren, etwa Hypertonie, Rauchen oder eine positive Familienanamnese für die koronare Herzerkrankung, aufweisen.

Je schlechter das Risikoprofil, um so intensiver die LDL-Senkung
Risikoprofil LDL-Zielwert Indikation für medikamentöse Therapie
0 - 1 Risikofaktor < 160 mg/dl LDL > 190 mg/dl (LDL 160 - 189: optional)
= 2 Risikofaktoren
10-Jahres-Risiko für eine KHK < 20%
< 130 mg/dl

10-Jahres-Risiko für KHK < 10%: LDL > 160 mg/dl
10-Jahres-Risiko für KHK 10 - 20%: LDL > 130 mg/dl

KHK oder Risikoäquivalent
10-Jahres-Risiko > 20%
< 100 mg/dl > 130 mg/dl (LDL 100 - 130 mg/dl: optional)
KHK-Risikofaktoren: Alter, Hypertonie, Rauchen, positive Familienanamnese, HDL < 40 mg/dl
Risikoäquivalente: Bauchaortenaneurysma, klinische pAVK, symptomatische Karotisstenose, Diabetes mellitus
nach ATP III, JAMA, Mai 2001
Quelle: Kreuzer, Tabelle: Forschung und Praxis / Ärzte Zeitung
Die Zielwerte der Lipidtherapie müssen für jeden Patienten abhängig von seinem Risikoprofil festgelegt werden.

Generell ist es in jedem Fall anzustreben, bei Patienten in der Sekundärprävention der KHK oder bei vergleichbar hohem Risiko (= Risikoäquivalent) wie zum Beispiel bei Diabetes mellitus den LDL-Wert unter 100 mg / dl zu senken. Bei Patienten mit Hochrisiko-Konstellationen, etwa bei sehr niedrigem HDL-Cholesterin, sollten im Einzelfall durchaus auch noch niedrigere LDL-Zielwerte in Betracht gezogen werden.

Nach den Ergebnissen etwa der PROVE-IT-Studie (Pravastatin or Atorvastatin and Infection Therapy) oder der TNT-Studie (Treating to New Targets) sind für bestimmte Hochrisiko-Patienten LDL-Senkungen in den Bereich um 70 mg / dl mit einer weiteren Reduktion des kardikovaskulären Risikos verbunden.

Bei der Einstellung der Cholesterinwerte mit einem Statin wird man zunächst eine dem Ausgangs-LDL-Wert angemessen erscheinende Dosis wählen. Obwohl bei den meisten Patienten bereits nach etwa einer Woche die maximale Wirkung der gewählten Statindosis zu erwarten ist, wird in der Regel aus Praktikabilitäts- und Kostengründen keine so rasche Laborkontrolle der LDL-Werte erfolgen.

Wenn der angestrebte LDL-Zielwert mit der gewählten Statindosis nicht erreicht wird, kann bei bislang niedriger Statindosis eine Dosiserhöhung erwogen werden. Hierbei gilt die sogenannte Sechser-Regel: Jede Verdopplung der Statindosis ist mit einer weiteren Senkung des LDL-Wertes um etwa sechs Prozent verbunden. Berücksichtigt man die nach dieser Regel zu erwartenden Werte, kann es sehr sinnvoll sein, das Statin mit dem Cholesterin-Resorptionshemmer Ezetimib (Ezetrol®) zu kombinieren.

Dabei wird man oftmals die Statindosis nicht bis zur zugelassenen Höchstdosis ausreizen, sondern bereits im mittleren Dosisbereich kombinieren. Eine Kombination aus Statin in mittlerer Dosierung und Ezetimib kann zu einer LDL-Cholesterin-Senkung um etwa 50 Prozent führen.

Erhöhte Triglyzeridwerte - Wann muß behandelt werden?

Die Bedeutung erhöhter Triglyzeridspiegel als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer kardiovaskulären Erkrankung ist bei weitem nicht so eindeutig wie die von erhöhten Cholesterinwerten. Die epidemiologischen Daten sind nicht so konsistent wie für Cholesterin, und die Zahl der Interventionsstudien ist gering.

Generell werden die Triglyzeridwerte in vier Bereiche unterteilt:

  • normaler Triglyzeridspiegel: unter 150 mg / dl,
  • grenzgradige Triglyzeridwerte: 150 bis 200 mg / dl,
  • hohe Triglyzeridwerte: 200 bis 500 mg / dl,
  • sehr hoher Triglyzeridspiegel: über 500 mg / dl.

Sehr hohe Triglyzeridwerte kommen nur selten vor und sind vor allem für die Entwicklung von Pankreatiden von Bedeutung. Die meisten Patienten mit Hypertriglyzeridämie weisen Triglyzeridspiegel zwischen 200 und 500 mg / dl auf.

Tips für die Diagnostik von Dyslipidämien in der Praxis

  • Cholesterin (LDL, HDL) und Triglyzeride gemeinsam betrachten.
  • Für die Beurteilung des Lipidstoffwechsels möglichst immer Cholesterin, Triglyzeride, LDL- und HDL-Cholesterin bestimmen.
  • Keine Therapieentscheidung ohne Bestimmung des kardiovaskulären Risikos.
  • Den Therapieerfolg am individuellen Zielwert messen.
  • Familiäre Fettstoffwechselstörungen beachten.

Das Lipidprofil eines Patienten sollte nicht isoliert beurteilt werden.

Diese erhöhten Spiegel sind in der Regel vor allem durch diätetische Maßnahmen beeinflußbar. Generell ist eine Reduktion von Fett, schnell resorbierbaren Kohlenhydraten und Alkohol anzustreben. Die Erfolge einer solchen Diät sind jedoch im Einzelfall sehr unterschiedlich.

Zusätzlich kann jedoch die Therapie mit einem Fibrat oder der Nikotinsäure in Betracht gezogen werden, wenn mit einer Diät keine ausreichende Senkung der Triglyzeridwerte erreicht wird.

Läßt sich durch Senkung erhöhter Triglyzeridspiegel auch das kardiovaskuläre Risiko senken?

Die Ergebnisse der vor kurzem publizierten FIELD-Studie (Fenofibrate Intervention and Event Lowering in Diabetes) erbrachten hier nur einen sehr geringen Vorteil des Fibrates im Vergleich zu Placebo, so daß eine Behandlung nicht generell empfohlen werden kann. In FIELD waren fast 9800 kardiovaskulär gefährdete Patienten mit Typ-2-Diabetes im Mittel fünf Jahre lang täglich mit 200 mg mikronisiertem Fenofibrat behandelt worden.

Nach der aktuellen Datenlage scheint es wichtiger zu sein, auch bei Patienten mit mäßig erhöhten Triglyzeridspiegeln vor allem die LDL-Werte zu senken und die HDL-Cholesterin-Werte zu erhöhen.

Risikoreduktion durch Erhöhung der HDL-Werte

Außer erhöhten LDL-Werten beeinflussen die HDL-Cholesterin-Spiegel wesentlich die kardiovaskuläre Prognose. Aus den vorliegenden HDL-Interventionsstudien läßt sich ableiten, daß sich durch eine HDL-Erhöhung um 1 mg / dl das kardiovaskuläre Risiko um etwa drei Prozent verringern läßt.

Die Wirkstoffe, die derzeit für eine deutliche HDL-Steigerung zur Verfügung stehen, sind vor allem die Nikotinsäure und die Fibrate. Diese Substanzen können zu einer HDL-Erhöhung von bis zu 30 Prozent führen. Die Datenlage für diese Substanzen ist bisher allerdings nicht mit der von Statinen vergleichbar. Für retardierte Nikotinsäure (Niaspan®) gibt es einige klinische Studien, die auf eine deutliche Verbesserung der Prognose durch Steigerung der HDL-Spiegel hinweisen.

Aufgrund der kleinen Fallzahlen ist deren Aussagekraft jedoch begrenzt. In einer 2002 in "Circulation" publizierten Studie führte eine kontinuierliche Behandlung mit Nikotinsäure über einen Zeitraum von zwei Jahren zu einer HDL-Steigerung um 24 Prozent. Dabei reagieren sowohl Patienten mit als auch Patienten ohne metabolisches Syndrom mit einer HDL-Erhöhung.

Welche Patienten am meisten von einer Erhöhung des HDL-Cholesterins profitieren, läßt sich zur Zeit nicht abschätzen, da die Studienlage eine entsprechende differenzierte Betrachtung noch nicht zuläßt.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint es daher sinnvoll, vor allem diejenigen Patienten zu behandeln, die bei niedrigen HDL-Werten ein besonders hohes kardiovaskuläres Risiko haben. Zu dieser Gruppe können etwa junge Patienten mit bereits sehr ausgedehnten Veränderungen der Koronarien gehören, deren Risiko nicht alleine durch ein erhöhtes LDL-Cholesterin zu erklären ist.

Prof. Dr. Jörg Kreuzer, St-Vincenz Krankenhaus, Medizinische Klinik, Abteilung Kardiologie und Intensivmedizin, Auf dem Schafsberg, 65549 Limburg, Tel.: 06431 / 292-4301, Fax: 292-4322, E-Mail: j.kreuzer@st-vincenz.de

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