Typ-1-Diabetes

Mammutprojekt zur Diabetes-Prävention

Orales Insulin soll in einer Studie die Entwicklung von Autoantikörpern gegen Betazellen verhindern und dadurch bei Kindern mit hohem genetischen Risiko Typ-1-Diabetes vorbeugen.

Von Sarah Louise Pampel Veröffentlicht:

MÜNCHEN. Ein internationales Team unter deutscher Leitung hat eine Studie zur Prävention von Typ-1-Diabetes gestartet.

Im "Primary Oral Insulin Trial" (POInT) soll bei 1000 Kindern geprüft werden, ob eine Hyposensibilisierung mit oralem Humaninsulin die Autoimmunzerstörung der Betazellen des Pankreas verhindern kann.

Langjährige Vorarbeit war nötig, um das Mammutprojekt ins Leben zu rufen und die nötigen Basiserkenntnisse zu sammeln, wie bei einer Veranstaltung des Helmholtz Zentrums München berichtet wurde. Außer Deutschland als Koordinator sind auch Polen, Großbritannien, Schweden und Belgien beteiligt.

Unter dem Motto "A world without 1" hat das Projekt das Ziel, Typ-1-Diabetes zu verhindern. In der randomisierten und placebokontrollierten Studie wird bei vier bis sieben Monate alten Kindern mit Insulin-Pulver das Immunsystem bis zum Alter von drei Jahren trainiert.

Und zwar so, dass es trotz Prädisposition keine Autoimmunattacke gegen das körpereigene Insulin und die Betazellen startet.

Autoimmunreaktion gegen Insulin

Maßgeblich war bei der Vorarbeit die Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München, wo sich Professor Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung und Leiterin der POInT-Studie, seit vielen Jahren erfolgreich mit der Entstehung und Prävention von Typ-1-Diabetes beschäftigt.

"Essenziell war es, anhand von prospektiven Beobachtungstudien zu zeigen, dass die Autoimmunstörung des Typ-1-Diabetes vor allem schon in den ersten drei Lebensjahren auftritt", so Ziegler. Es sei davon auszugehen, dass das Erkrankungsrisiko nach dieser sensiblen Zeit sehr viel geringer wird.

Eine weitere wichtige Erkenntnis: Insulin ist offenbar das Schlüsselantigen, gegen das die Autoimmunantwort gerichtet ist. In den Pilotstudien Pre-POInT und Pre-POInT early habe man eine effektive orale Insulindosis gefunden, die das Immunsystem erreicht und dennoch sicher und ohne Hypoglykämiegefahr anzuwenden ist.

Bei 400 Kindern sei es zu keiner einzigen unerwünschten Wirkung im Zusammenhang mit der Studienmedikation gekommen. Der Einsatz von oralem Humaninsulin sei aufgrund der guten Datenlage besonders naheliegend, aber auch Ansätze mit Insulinfragmenten und nasaler Applikation werden geprüft.

Hohe Akzeptanz des Screenings

Zusätzlich gelang die Entwicklung eines genetischen Scores, der mit wenigen Blutstropfen valide Babys mit einem deutlich erhöhtem Typ-1-Diabetesrisiko identifiziert. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die POInT-Rekrutierung, erkranken doch 90 Prozent der Kinder, ohne dass es in ihrer Familie je Typ-1-Diabetes gegeben hat.

Im Pilotprojekt in Sachsen wurde das frühkindliche Screening von weit über 50 Prozent der Eltern an Geburtskliniken wahrgenommen, was eine hohe Akzeptanz belegt, wie Ziegler berichtete.

Die POInT-Studie speist sich nun aus den im Rahmen der sogenannten Freder1k-Studie von der Geburt bis zum Alter von vier Monaten gescreenten Risikokindern. Start dieses Screeningsprojekts war im Oktober 2017, insgesamt sollen 400.000 Babys innerhalb Europas kostenlos getestet werden.

Eltern von Kindern, deren Typ-1-Diabetesrisiko über 10 Prozent liegt (Allgemeinbevölkerung: 0,4 Prozent), wird dann – vom untersuchenden Pädiater meist, aber auch von Frauen- oder Hausärzten und unter psychologischer Mitbetreuung – die Teilnahme an POInT angeboten.

Besonders an dieser Studie ist auch: Sie ist ein sogenannter "investigator initiated trial" und erfolgt daher ohne Beteiligung der pharmazeutischen Industrie. Möglich wurde dies durch 44 Millionen Euro Fördergeld der US-Stiftung Helmsley Charitable Trust.

Derzeit sind 23 Kinder in POInT aufgenommen. Bei der Betreuung schöpfe man auch aus dem Erkenntnisgewinn durch die Fr1da-Studie in Bayern, so Ziegler.

In Fr1da wurden 76.000 Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren auf Typ-1-Diabetes-Autoantikörper getestet, um eine Manifestation rechtzeitig zu erkennen. Diese Studie soll laut Ziegler Ende 2018 hochkarätig publiziert werden, daher nenne sie noch keine Prävalenzzahlen.

Ein großer Erfolg sei dabei aber das Verhindern von Ketoazidosen gewesen. Zudem habe man bei positiv getesteten Kindern durch spezielle Betreuung der Familien sowie mit einem Schulungsprogramm die psychische Belastung der Angehörigen signifikant senken können. Mit ersten Ergebnissen der POInT-Studie sei 2025 zu rechnen. (Mitarbeit: eis)

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