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Gewebespenden: Mangel an gespendeten Herzklappen immer größer

Die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation hat ihre vorläufigen Zahlen der Gewebespenden 2022 bekannt gegeben. In puncto Corneae gibt es einen Zuwachs, in puncto Herzklappen einen Rückgang.

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Eine Herzklappe aus einer Gewebespende. Trotz Ausbaus der Gewebespende verzeichnet die DGFG in 2022 einen starken Rückgang in der Spende von Herzklappen.

Eine Herzklappe aus einer Gewebespende. Trotz Ausbaus der Gewebespende verzeichnet die DGFG in 2022 einen starken Rückgang in der Spende von Herzklappen.

© DGFG

Hannover. Die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) hat 2022 mehr Menschen mit gespendeten Geweben versorgt als noch ein Jahr zuvor. 2022 wurden von 3070 Menschen Gewebe gespendet und damit 7111 Menschen versorgt, wie die DGFG am Sonntag in Hannover mitteilte. Diese Zahlen seien als Jahreszahlen 2022 – Stand 27. Dezember – noch vorläufig.

Die DGFG vermittelt etwa die Hälfte der Gewebetransplantate in Deutschland. Neben der Spende von Corneae, Herzklappen, Blutgefäßen und Amnionmembranen widmete sich die DGFG in 2022 auch der Spende von Knochen, Sehnen und Bändern (muskuloskelettale Gewebe = MSG).

Mehr Corneae, weniger Herzklappen

Die Cornea ist mit 83,5 Prozent und mit 4366 Transplantaten nach wie vor das am meisten gespendete Gewebe. Die Zahl der gespendeten Corneae stieg im Vergleich zum Jahr zuvor um mehr als 300, wie die DGFG mitteilt.

In der Versorgung mit Herzklappen ergebe sich ein anderes Bild. Hier sei ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen – von 445 gespendeten Herzklappen in 2021 auf 320 im vergangenen Jahr. Grund dafür sei insbesondere der Rückgang in der Organspende, aus der noch immer ein Großteil der Herzklappen genommen werde.

Gerade junge Menschen auf humane Herzklappen angewiesen

Tatsächlich transplantiert wurden nach Angaben der DGFG im vergangenen Jahr 144 Herzklappen, zehn weniger als noch 2021.

„Bei mehr als 300 Anfragen für eine Herzklappe ist das bedeutend zu wenig, wenn man bedenkt, dass hier die Lebenserwartung der Patienten und Patientinnen drunter leiden muss. Gerade junge Patienten und Patientinnen sind auf humane Herzklappen, die mitwachsen können und keine blutverdünnenden Medikamente erfordern, angewiesen. Hier müssen wir zusammen mit den Kliniken daran arbeiten, die Herzklappenspende nach Herz-Kreislauf-Tod auszubauen, um eine verlässliche Alternative zur Organspende zu haben“, wird DGFG-Geschäftsführer Martin Börgel zitiert.

Geringerer Zeitdruck als bei Organspenden

Anders als Organspenden sind Gewebespenden auch noch längere Zeit nach Eintritt des Todes möglich. Eine Entnahme von Herzklappen und Gefäßen ist bis zu 36 Stunden, eine Cornea-Spende sogar bis zu 72 Stunden nach Todeseintritt möglich.

„Wir haben in der Gewebespende nicht die Situation, dass eine Herzklappe genau wie ein Herz binnen vier Stunden nach Entnahme implantiert werden muss. Wir haben bis zu 36 Stunden Zeit, das Herz zu entnehmen und in eine Gewebebank zur Aufbereitung zu bringen. Das medizinische Screening, die Aufklärungsgespräche und Entnahmen erfolgen über unser eigenes Personal. Von den Kliniken benötigen wir neben einer zeitnahen Spendermeldung und zügigen Überführung der Verstorbenen in eine Kühlung auch einen Entnahmeraum. Hier bedarf es noch mehr Unterstützung auf Klinikseite“, so Börgel in der Mitteilung der DGFG.

Alternative zur Amnionmembran-Transplantation

Als Alternative zur herkömmlichen Amnionmembran-Transplantation, bei der die dünne Eihaut aus der mütterlichen Plazenta auf die Augenoberfläche genäht wird, greifen immer mehr Augenärztinnen und -ärzte auf den AmnioClip-plus (AC+) zurück. 140 dieser Clips seien in 2022 vermittelt worden, rund 60 Stück mehr im Vergleich zum Vorjahr, so die DGFG

Der AC+ ist eine Innovation aus dem DGFG-Netzwerk. Er kann ähnlich wie eine Kontaktlinse auf das erkrankte oder verletzte Auge gelegt werden. Vorteil: Die Amnionmembran ist in ein Ringsystem eingespannt, eine zusätzliche Naht entfällt, was für einen schonenderen Heilungserfolg bei den Patienten und Patientinnen sorgt. Gewonnen wird die Amnionmembran im Rahmen der Plazentaspende, einer Lebend-Gewebespende bei geplanter Sectio. In 2022 konnte die DGFG 21 Plazentaspenden realisieren.

Zum Scheitern verurteilt – der Bürokratie wegen

Die DGFG nimmt den Bericht aber auch zum Anlass, um vor den Folgen des im März 2022 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende zu warnen, da dies die Patientenversorgung erheblich gefährde. Die darin festgeschriebenen Zugriffsbeschränkungen auf das geplante Register würden den Spendeprozess behindern und zu einem erheblichen Einbruch der Spendezahlen führen, sollte bis zum Registerstart an der Gesetzesreform nichts mehr geändert werden, mahnt die DGFG.

„Das Gesetz wird in dieser Form zu einem Ausbremsen unserer Arbeit in der Gewebespende führen. Für jeden einzelnen Fall wären wir auf die Auskunft aus dem Register, die nur über bevollmächtigte Klinikangestellte mit einem elektronischen Heilberufeausweis abgerufen werden kann, angewiesen. Bei rund 45.000 Fällen pro Jahr, die wir bei der DGFG bearbeiten, und begrenzten Zeit- und Personalressourcen auf Klinikseite kann das nicht funktionieren. Mit diesem extremen Organisationsaufwand für das Abrufen einer möglichen Entscheidungsdokumentation können wir die Zeitfenster in der Gewebespende nicht einhalten“, hält Börgel fest.

„Diese Gesetzesreform macht deutlich, dass auf politischer Seite eine völlige Unkenntnis über die Prozesse in der Gewebespende bestehen. Noch immer haben wir in der Gewebespende mit einem Mangel, vor allem an Herzklappen zu kämpfen. Das Netzwerk der DGFG stemmt die Hälfte der Patientenversorgung mit Gewebetransplantaten. Damit das so bleiben kann, muss dringend gehandelt werden.“ (dpa/eb)

Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG)

Die DGFG fördert seit 1997 die Gewebespende und -transplantation in Deutschland.

Auf Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot.

Die DGFG vermittelt ihre Transplantate über eine zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste. Jede medizinische Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG beziehen.

Als unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft wird die DGFG ausschließlich von öffentlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens getragen: Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg.

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