Kommentar – Sexuelle Belästigung
MeToo in der Medizin
Seit dem Beginn der MeToo-Kampagne vor einem Jahr ist kaum ein Tag vergangen ohne Enthüllungen über sexuelle Übergriffe – in Hollywood, in der großen Politik, im Leistungssport. Über Machtmissbrauch und sexuelle Grenzverletzungen, die in weniger glamourösen Branchen stattfinden, wird eher selten berichtet.
Die Charité ist hier ein Vorreiter, indem sie Ärztinnen und Ärzte nach ihren Erfahrungen mit sexuellen Grenzüberschreitungen gefragt hat. 70 Prozent haben angegeben, in ihrem Berufsleben solchem Fehlverhalten ausgesetzt gewesen zu sein, 20 Prozent sogar in Form von physischen Übergriffen.
Diese hohen Zahlen sind keine Überraschung. Internationale Studien deuten ebenfalls auf eine Sonderstellung des medizinischen Umfelds hin. Die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern scheinen durch den engen Kontakt mit Patienten und die starken Hierarchien besondere Risikofaktoren für solche Grenzverletzungen darzustellen.
Auch nach einem Jahr MeToo schweigen die meisten Opfer und Zeugen von sexueller Belästigung – weil sie sich schämen, weil sie Unannehmlichkeiten befürchten, weil sie nicht ernst genommen werden. Das ist auch in der Medizin so, und daran wird sich nur etwas ändern, wenn das Problem auch hier offen kommuniziert wird. Die Studie der Charité ist ein wichtiger Beitrag.
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