Mit Botulinumtoxin bleibt Parkinson-Kranken die Spucke weg

FRANKFURT/MAIN (nsi). Etwa drei von vier Patienten mit Morbus Parkinson leiden unter erhöhter Speichelproduktion. "Die Folge der Hypersalivation ist häufig eine soziale Stigmatisierung und Isolierung der Betroffenen", sagte Privatdozent Dr. Martin Hecht vom Kopfklinikum Erlangen beim Deutschen Parkinson-Kongreß in Frankfurt / Main. Eine lokale, anticholinerge Therapie mit Botulinumtoxin helfe einem Teil der Patienten.

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Die Ergebnisse zweier kleinerer unverblindeter klinischer Studien und einer doppelblinden Untersuchung sind nach den Worten von Hecht eine Basis, Parkinson-Patienten mit Hypersalivation Botulinumtoxin zu injizieren. So kann man versuchen, sie von der lästigen Begleiterscheinung zu befreien. Gespritzt werde an mindestens zwei Stellen, beginnend mit den Glandulae parotis bilateral und eventuell erweitert auf die Glandulae submandibularis, wenn Injektionen in die Parotis-Drüsen nicht ausreichten.

      Speichelmessungen objektivieren den Erfolg der Therapie.
   

In einer Untersuchung unter Federführung von Professor Wolfgang Jost von der Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden habe sich bei vier von fünf Patienten mit je zehn Einheiten Botox® pro Drüse ein gutes Ergebnis erzielen lassen, welches für vier bis sieben Monate anhielt. Das berichtete Hecht auf einem vom Unternehmen Pharm Allergan veranstalteten Symposium. In einer anderen Studie mit neun Parkinson-Patienten, die unter vermehrtem Speichelfluß litten, wurde bei einem Drittel ein sehr guter Erfolg erzielt, bei einem weiteren Drittel eine partielle Besserung; bei drei Patienten gab es keinen therapeutischen Effekt. In dieser Studie waren je 7,5 bis zehn Einheiten pro Injektion und Drüse verwendet worden.

Eine doppelblinde randomisierte Studie mit 32 Probanden, die an Hypersalivation aufgrund von Morbus Parkinson oder amyotropher Lateralsklerose litten, belegte eine statistisch signifikante Linderung der Beschwerden von Patienten der Verum-Gruppe im Vergleich zu Probanden im Placebo-Arm bis zu 180 Tagen. Am Tag 90 wurden die Injektionen wiederholt.

Hecht empfahl, die Injektionen Ultraschall-gestützt zu machen. Mit Messungen der Speichelmengen ließen sich die Effekte objektivieren. Noch sei die Anwendung von Botulinumtoxin in dieser Indikation allerdings ein Off-label-use.

Ebenfalls sinnvoll könnten Botulinumtoxin-Injektionen bei Parkinson- Patienten mit frühmorgendlichen schmerzhaften Fußdystonien sein, berichtete Hecht. Injektionsstellen seien der Musculus tibialis anterior und posterior sowie der Musculus gastrocnemius.

Botulinumtoxin A wird seit mehr als zwanzig Jahren therapeutisch angewendet und sei sehr sicher, erläuterte Professor Markus Naumann, Chefarzt der Neurologischen Klinik Augsburg. Der medizinische Effekt, eine örtlich begrenzte, chemische Denervierung, sei vorübergehend, meist drei bis sechs Monate.

Das gelte auch für mögliche unerwünschte Wirkungen. Eine Metaanalyse von 36 randomisierten und kontrollierten Studien, in denen Probanden Botox® erhalten hatten, habe ergeben, daß zwar bei jedem vierten Patienten lokale milde bis mittelschwere unerwünschte Effekte aufträten wie Schwellung, Rötung und Schmerz an der Einstichstelle. Es wurden aber weder systemische, noch lang anhaltende oder schwere unerwünschte Wirkungen beobachtet.

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