US-Studie

Mit neoadjuvanter Therapie bei fortgeschrittenem Ovarial-Ca in Vorteil ?

Der verstärkte Einsatz einer neoadjuvanten Chemotherapie beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom in einigen Regionen der USA hat einen Überlebensvorteil für die Patientinnen mit sich gebracht. Den Grund sehen die Forscher hauptsächlich in dem damit verbundenen Rückgang der operationsbedingten Mortalität.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Überlebensvorteil beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom duch neoadjuvante Chemotherapie.

Überlebensvorteil beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom duch neoadjuvante Chemotherapie.

© www.sonographiebilder.de

BOSTON / MASSACHUSETTS. Die Frage, ob – und wenn ja, welche – Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom von einer neoadjuvanten Chemotherapie (NACT) profitieren, ist nach wie vor nicht abschließend geklärt. In einer quasi-experimentellen Studie haben Forscher aus Boston und Houston nun zumindest Hinweise darauf gefunden, dass die Einführung einer entsprechenden Strategie auf Bevölkerungsebene mit einem Überlebensvorteil gegenüber primär operierten Patientinnen verbunden sein könnte (BMJ 2018; 360:j5463).

Anstieg der NACT-Einsätze

Das Team um Dr. Alexander Melamed von Massachusetts General Hospital in Boston stützt sich auf Daten der US-amerikanischen National Cancer Database, welche die Forscher nach der Methode der Regression Discontinuity ausgewertet haben. Mit deren Hilfe lassen sich aus Beobachtungsstudien unter Umständen kausale Zusammenhänge ableiten, und zwar beispielsweise dann, wenn im Laufe der Beobachtungszeit ein abrupter Strategiewechsel erfolgt.

Solche Idealvoraussetzungen fanden die Forscher in den Neuenglandstaaten sowie in bestimmten Regionen im Süden der USA (East South Central) vor. Hier war nach der Publikation der ersten randomisierten Studie zur NACT im Jahr 2010 diese Strategie binnen Kurzem weitreichend implementiert worden.

Im Jahr 2012 hatte ein ausgeprägter Anstieg der NACT-Einsätze stattgefunden, sodass man Patientinnen mit Therapiestart vor der Einführung von NACT mit denjenigen nach der Einführung vergleichen konnte, ähnlich wie bei einem randomisierten Design.

An der Studie nahmen alle in der Datenbasis erfassten Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom im Stadium 3c und 4 teil, die zwischen 2004 und 2013 behandelt wurden. Wie Melamed und Kollegen berichten, stieg der NACT-Anteil der Behandlungen zwischen 2011 und 2012 in New England um 27 Prozent und in der Region East South Central um 23 Prozent an.

Frauen aus diesen Regionen, die ihre Diagnose 2012 erhielten, hatten damit eine um 41 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, als primäre Therapie eine Chemotherapie zu erhalten, als Frauen mit Diagnosestellung in einem früheren Jahr. In anderen Teilen der USA, die man zum Vergleich herangezogen hatte, blieb diese Wahrscheinlichkeit dagegen nahezu unverändert.

Aus der Regression-Discontinuity-Auswertung ergibt sich den Forschern zufolge, dass die verstärkte Implementierung der NACT im Jahr 2012 bei den Patientinnen aus den beiden genannten Regionen – insgesamt waren es 1156 – zu einer Verringerung des Sterberisikos innerhalb von drei Jahren (alle Todesursachen zusammengenommen) um relative 19 Prozent geführt hat. Dagegen verzeichnete man bei den Patientinnen aus Regionen ohne Strategiewechsel (n = 4878) diesbezüglich keine Veränderung.

Welche Patientinnen profitieren?

Die Rate der chirurgisch behandelten Frauen, die postoperativ innerhalb von 30 Tagen verstarben, sank in den Regionen New England und East South Central zwischen 2011 und 2012 von 3,1 Prozent auf 1,8 Prozent; in anderen Regionen stieg sie von 1,9 Prozent auf 2,2 Prozent. Dieser Unterschied war signifikant, ebenso wie der Unterschied bei der 90-Tages-Mortalität (Reduktion von 7,0 Prozent auf 4,0 Prozent beziehungsweise von 5,0 Prozent auf 4,3 Prozent).

Der Anteil der Frauen, die weder Chemo noch tumorreduktive Op erhalten hatten, sank nach Wechsel auf die NACT-Strategie von 20,0 Prozent auf 17,4 Prozent; ohne einen solchen Strategiewechsel stieg er leicht, von 19,0 Prozent auf 19,5 Prozent.

"Ein wichtiger Mechanismus für den Nutzen der NACT scheint die Reduktion der operativen Mortalität zu sein", mutmaßen Melamed und sein Team. Die Forscher weisen darauf hin, dass die Sterblichkeit nach einer primären tumorreduktiven Op in Bevölkerungsstudien zumindest in den USA höher sei als in randomisierten klinischen Studien, die in erster Linie an spezialisierten Zentren durchgeführt würden.

Man dürfe aus der Studie allerdings nicht den Schluss ziehen, dass alle Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom von einer neoadjuvanten Chemotherapie profitieren, warnen Melamed und seine Kollegen. Der in ihrer Studie beobachtete Überlebensvorteil sei die Konsequenz eines erweiterten NACT-Einsatzes, der vor allem ältere Patientinnen und solche mit Karzinomen im Stadium 4 betroffen habe. In spezialisierten Zentren mit im Schnitt besseren Op-Ergebnissen lasse sich mit der neuen Strategie möglicherweise weniger Nutzen erzielen. "Zukünftige Studien müssen zeigen, wie man diejenigen Patientinnen herausfiltern kann, die von der NACT am meisten profitieren", so das Fazit der Autoren.

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