HINTERGRUND

Mütter werden die primären Ansprechpartner für die Impfung gegen humane Papillomaviren sein

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:

Nachdem in den USA und Mexiko im Juni der erste Impfstoff zugelassen wurde, der Frauen vor Gebärmutterhalskrebs schützen soll, beginnen auch in Deutschland die Diskussionen darüber, wie diese Impfung am besten in die Versorgungslandschaft zu integrieren sei. Nach einer positiven Beurteilung der EU-Arzneimittelbehörde EMEA rechnet der Hersteller Sanofi Pasteur MSD innerhalb der nächsten Monaten mit der EU-Zulassung.

Die Vakzine könnte noch in diesem Jahr in Deutschland auf den Markt kommen. In den USA und Mexiko ist der Impfstoff bereits als Gardasil® zugelassen. Auch Glaxo-SmithKline hat eine entsprechende Vakzine in der Pipeline. Für sie wird die Zulassung in Europa für das erste Halbjahr 2007 erwartet.

Die Impfstoffe schützen vor Infektionen mit den Varianten 16 und 18 des humanen Papillomavirus (HPV), die etwa 70 Prozent aller Zervixkarzinome auslösen. Der Impfstoff von Sanofi Pasteur MSD deckt zudem die HPV-Varianten 6 und 11 ab, die häufigsten Erreger von Genitalwarzen.

Phase-Ill-Studie mit mehr als 12 000 Frauen

Die Studiendaten sind beeindruckend: Ende 2005 wurden die ersten Ergebnisse einer Phase-III-Studie mit der Kombi-Impfung von Sanofi Pasteur MSD vorgestellt, an der über 12 000 Frauen im Alter zwischen 16 und 23 Jahren teilgenommen hatten.

In der Gruppe, in der die Probandinnen innerhalb von sechs Monaten drei intramuskuläre Injektionen des Impfstoffs erhalten hatten, traten bei komplett geimpften Frauen innerhalb von zwei Jahren keine zervikalen intra-epithelialen Neoplasien oder manifeste Zervixkarzinome auf. In der Placebo-Gruppe hatten dagegen 21 Frauen einen präkanzerösen Befund. Insgesamt erhielten bisher etwa 25 000 Frauen den Impfstoff von Sanofi Pasteur MSD.

Der Impfstoff von GSK wurde bislang bei über 30 000 Frauen angewandt. Auch hier wird aufgrund der Studiendaten von einem 100prozentigen Schutz gesprochen. Es gibt Hinweise, daß diese Vakzine eventuell auch Infektionen mit anderen krebserzeugenden HP-Viren, und zwar HPV 45 und 31, verhindert.

"Wir wissen derzeit noch nicht, ob es mit den Impfungen gelingt, das Zervixkarzinom auszumerzen", sagte Professor Michael Untch, Leiter der Klinik für Gynäkologie am Helios-Klinikum Berlin-Buch, der "Ärzte Zeitung". Erste Auswertungen zur Entwicklung der Inzidenz invasiver Zervixkarzinome erwartet der Experte in fünf bis zehn Jahren. Alles andere als ein steiler Abfall wäre eine Überraschung.

Drei organisatorische Klippen müssen umschifft werden, wenn die Impfung wirklich eine Massenimpfung werden soll.

  • Erstens ist unklar, wie sich die Ständige Impfkommission (STIKO) zu den neuen Vakzinen positionieren wird. "Kein Kommentar vor neuen Empfehlungen", heißt es aus dem Robert Koch-Institut, das auch das STIKO-Sekretariat beheimatet. Aber soviel ist klar: Die STIKO prüfe den epidemiologischen Sinn neuer Impfungen, nicht deren Kosteneffektivität, so RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher.
  • Nicht nur um den Nutzen, sondern auch ums Geld geht es bei den Krankenkassen. Die müssen selbst im Falle einer positiven STIKO-Empfehlung nicht zwangsläufig die Kosten der HPV-Impfung übernehmen. Preise für Europa werden von Sanofi Pasteur MSD noch nicht genannt. In den USA kosten die drei Impfungen mit dem auf dem Markt befindlichen Impfstoff zusammen 360 US-Dollar, umgerechnet rund 280 Euro.
  • Entscheidend wird wohl sein, wie die Impfung von jenen Mädchen in der Pubertät oder Vorpubertät angenommen wird, die sie schützen soll. "Unsere wichtigsten Ansprechpartner sind dabei die Mütter", glaubt Untch. Denn die Mütter sind regelmäßig beim Gynäkologen. Sie wissen, wie unangenehm die Vorsorge ist. Und nicht wenige kennen das bange Warten auf die Ergebnisse einer Konisation bei unklarem Abstrichbefund. Eine Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Impfen in der Gynäkologie des Berufsverbands der Frauenärzte unter 411 Frauen bestätigt das: Fast 85 Prozent der befragten Frauen mit Töchtern haben eine positive Einstellung zur Impfung junger Mädchen.


Eine kurze Geschichte der HPV-Impfung

Vielen ist nicht bewußt, daß die Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs auf Arbeiten deutscher Wissenschaftler zurückgehen. Den Zusammenhang zwischen Zervixkrebs und HPV-Infektion erkannt zu haben, ist das Verdienst des früheren Chefs des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, Professor Harald zur Hausen.

Der heutige Vizepräsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, in dessen Labor die maßgeblichen Experimente schon Anfang der 80er Jahre gemacht wurden, wird deswegen immer mal wieder als Kandidat für einen Medizinnobelpreis gehandelt.

Der Weg zum Impfstoff war allerdings steinig. Deutsche pharmazeutische Unternehmen haben zunächst abgewunken. Vier bis fünf Jahre seien dadurch verloren gegangen, hat zur Hausen kürzlich bei einer Veranstaltung in Heidelberg geschätzt. Später interessierten sich US-Unternehmen dafür.

Auch die Aufzucht des HP-Virus im Labor gestaltete sich schwierig, so daß auf gentechnische Methoden ausgewichen wurde. Mit Hilfe des Virusgens L1 werden heute virusartige, nicht-infektiöse Eiweißpartikel erzeugt, die die immunologische Basis für die HPV-Vakzine bilden. (bd)

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