"Nach dem Klinikaufenthalt darf keine Lücke in der Thrombose-Prophylaxe entstehen"

Veröffentlicht:

In Deutschland sterben jährlich etwa 40 000 Patienten an einer Lungenembolie. Die Deutsche Gesellschaft für Angiologie hat mit 26 weiteren Fachgesellschaften eine S3-Leitlinie zur Prophylaxe erarbeitet.

Von Ingrid Kreutz

Sonogramm der V. femoralis. Pfeile zeigen eine Thrombose an.

Sonogramm der V. femoralis. Pfeile zeigen eine Thrombose an.

© Foto: Ch. Dietrich

Die neue S3-Leitlinie zur Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE) richtet sich nicht nur an Klinikärzte, sondern enthält auch viele praktische Empfehlungen für niedergelassene Kollegen.

Eine wesentliche Botschaft lautet: "Beim Übergang von der stationären auf die poststationäre Behandlung dürfen keine Prophylaxelücken entstehen". Daher sei eine schnelle und vollständige Kommunikation zwischen beiden Bereichen notwendig, heißt es in der Leitlinie. Eine weitere wichtige Empfehlung: Die VTE-Prophylaxe in der ambulanten Situation sollte nach den selben Kriterien erfolgen wie im Krankenhaus, was die Einschätzung des individuellen Risikos, die Art und Intensität sowie auch die Dauer der Maßnahmen betrifft. Hierbei könne auf die Empfehlung im Arztbrief zurückgegriffen werden. Fehle eine solche, sollte im Krankenhaus nachgefragt werden, raten die Experten um Professor Albrecht Encke, dem Koordinator der Leitlinie. Die Zeitdauer der Prophylaxe sollte sich am Fortbestehen relevanter Risikofaktoren für venöse Thromboembolien orientieren. "In mehreren Studien wurde mittlerweile eindeutig nachgewiesen, dass einige Patientengruppen von einer verlängerten medikamentösen VTE-Prophylaxe profitieren", sagte Encke zur "Ärzte Zeitung". Daher wird jetzt explizit für Patienten nach orthopädischen oder unfallchirurgischen Eingriffen am Hüftgelenk eine postoperative medikamentöse VTE-Prophylaxe von 28 bis 35 Tagen empfohlen und nach Eingriffen am Kniegelenk eine 11- bis 14tägige Prophylaxe. Und: Patienten nach tumorbedingten Operationen im Bauch- oder Beckenbereich sollten über vier bis fünf Wochen medikamentös vor Thromboembolien geschützt werden, raten die Experten.

Antikoagulation auch bei internistischen Patienten

Eine ambulante VTE-Prophylaxe kann auch notwendig werden, wenn Patienten akut erkranken, aber nicht stationär aufgenommen werden. Dazu gehören Patienten mit Beinverletzungen, bei denen etwa eine Ruhigstellung im Gipsverband erfolgt oder alte Patienten mit einer Pneumonie. Ob in solchen Situationen eine Thromboseprophylaxe notwendig ist, sollte sich nach dem individuellen Risiko richten - unter Einbeziehung sogenannter dispositioneller Risikofaktoren wie hohes Lebensalter, Adipositas oder Thrombophilie.

Für nicht erforderlich halten die Experten eine Thrombose-Prophylaxe bei Immobilisation ohne akute Erkrankung. "Dauerhaft bettlägerige Patienten, die zu Hause oder im Heim gepflegt werden, bedürfen keiner über die allgemeinen Basismaßnahmen hinausgehenden Prophylaxe, solange nicht eine akute Erkrankung hinzutritt wie zum Beispiel ein Harnwegsinfekt, eine Pneumonie oder eine andere fieberhafte Erkrankung", heißt es in der Leitlinie.

Bei Flugreisen genügen meist Basismaßnahmen

Es sollten jedoch immer allgemeine Basismaßnahmen versucht werden wie Eigenübungen zur Aktivierung der "Muskelpumpe" und eine ausreichende Hydratation. Das gelte auch für Patienten, die etwa aufgrund einer Querschnittlähmung dauerhaft im Rollstuhl sitzen.

Spezielle Maßnahmen für eine VTE-Prophylaxe halten die Experten auch bei langdauernden Flug- oder Busreisen für nicht erforderlich. Das VTE-Risiko sei kaum messbar. Es sei aber sinnvoll, den Reisenden zu allgemeinen Basismaßnahmen zu raten wie ausreichende Flüssigkeitszufuhr, einfache Übungen zur Aktivierung der Muskelpumpe wie Fußwippen sowie Vermeidung von Alkoholkonsum und enger Kleidung während der Reise. In Einzelfällen, etwa bei zusätzlichen Risikofaktoren wie hohes Alter, frühere VTE oder starkem Übergewicht könnten jedoch spezielle Prophylaxemaßnahmen wie das Tragen von wadenlangen Kompressionsstrümpfen sinnvoll sein.

Die S3-Leitlinie ist im Internet einsehbar auf: http://leitlinien.net/

Bedeutung von Risikofaktoren

Das individuelle Thrombose- Risiko setzt sich aus expositionellen und dispositionellen Risikofaktoren zusammen.

  • Das expositionelle Risiko ist durch Art und Umfang einer Operation, eines Traumas oder einer akuten Erkrankung mit Immobilisation charakterisiert.
  • Das dispositionelle Risiko umfasst angeborene und erworbene personenbezogene Faktoren. Ein dispositioneller Risikofaktor mit hoher Bedeutung ist eine frühere tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie. Mittelmäßige Bedeutung haben ein höheres Lebensalter (über 60 Jahre), eine venöse Thromboembolie bei einem Verwandten ersten Grades, Übergewicht (BMI über 30 kg/m 2 ) sowie akute Infektionen und Erkrankungen mit Immobilisation. Bei einer Thrombophilie kann die Bedeutung für die Entstehung eines venösen thromboembolischen Ereignisses artspezifisch gering bis hoch sein. Dasselbe gilt für die Therapie mit Sexualhormonen oder die Blockade mit solchen Substanzen. (ikr)

Lesen Sie dazu auch: Schlaganfall mit Parese: Da ist Thromboseschutz nötig!

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Bessere Zeiten für Thromboseschutz

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

An Embolie und Dissektion denken!

Junge Frauen mit Herzinfarkt: Oft ist es keine Atherosklerose

Vereinfachter Diagnose-Algorithmus

Lungenembolie mit weniger Bildgebung sicher ausschließen

Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

© DG FotoStock / shutterstock

Update

Neue Podcast-Folgen

Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Junge Frau spricht mit einer Freundin im Bus

© skynesher | E+ | Geytty Images

Update

Impflücken bei Chronikern

Chronisch krank? Grippeimpfung kann Leben retten

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
PAP senkt Mortalität signifikant

© ResMed

Lancet: Neue Meta-Analyse

PAP senkt Mortalität signifikant

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Wie UKPS den Weg zurück in die Therapie öffnet

© ResMed

PAP scheitert oft

Wie UKPS den Weg zurück in die Therapie öffnet

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Schlafstörungen als Warnsignal

© shapecharge | iStock

Früherkennung Demenz

Schlafstörungen als Warnsignal

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Durvalumab im Real-World-Vergleich

© Springer Medizin Verlag

ED-SCLC

Durvalumab im Real-World-Vergleich

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!