Onkologie
Nervenzellen fördern Wachstum von Glioblastom
Heidelberg. Forscher haben entdeckt, dass Nervenzellen des Gehirns mit Tumorzellen aggressiver Glioblastome direkte Zell-Zell-Kontakte ausbilden (Nature 2019; online 18. September), teilen die Universitätsklinik Heidelberg und das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) mit.
Auf diesem Wege geben sie Erregungsreize an die Krebszellen weiter. Die Aktivierungssignale sind wahrscheinlich eine treibende Kraft für das Tumorwachstum und die Invasion von Tumorzellen in gesundes Hirngewebe, wie die Heidelberger Forscher mit Hilfe spezieller bildgebender Verfahren herausgefunden haben. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Mit bestimmten Wirkstoffen lässt sich die Signalübertragung im Tierversuch blockieren.
Die Heidelberger Forscher beobachteten das Wachstum menschlicher Glioblastome, die sie auf Mäuse übertragen hatten und untersuchten Zellkulturen mit menschlichen Nerven- und Tumorzellen sowie Gewebeproben von Patienten, heißt es in der Mitteilung. Sie nutzten dazu eine breite Palette moderner Mikroskopietechniken, die einerseits detaillierte und dreidimensionale Einblicke auf die mikrometerkleinen Verbindungen zwischen Nerven- und Tumorzellen ermöglichen und andererseits auch deren molekulare Zusammensetzung sowie Signale innerhalb der Zellen darstellen können.
Elektrische Ableitungen von Tumorzellen enthüllten selbst kleinste Stromflüsse der synaptischen Verbindungen, die den Ausgangspunkt für die weitere Verarbeitung dieser Signale in den Tumorzellen darstellen. „Wir konnten zeigen, dass die Signalübertragung von Nervenzellen auf Tumorzellen tatsächlich so funktioniert wie bei erregenden Synapsen zwischen den Nervenzellen“, wird Professor Thomas Kuner, Leiter der Abteilung Funktionelle Neuroanatomie am Institut für Anatomie und Zellbiologie, in der Mitteilung zitiert.
Wie genau die Aktivierung der Tumorzelle schließlich zu verstärktem Tumorwachstum und Wanderung der Gliomzellen in gesunde Gehirnareale führt, ist noch nicht geklärt. Klar sei dagegen, so die Mitteilung, dass sich dieser Mechanismus im Tierversuch blockieren lässt.
Mögliche Wege sind die deutliche Reduktion der Gehirnaktivität beispielsweise während einer Narkose, pharmakologische Eingriffe, die die Bindung der Signalübertragungsstoffe am sogenannten AMPA-Rezeptor unterbrechen, oder das Ausschalten des AMPA-Rezeptors mit gentechnischen Methoden.
In allen Fällen verlangsamte sich im Tierversuch die Ausbreitung des Tumors. Dieser Mechanismus sei damit ein interessanter Ansatz für die Wirkstoffentwicklung und zukünftige, medikamentöse Therapien, heißt es in der Mitteilung. (eb)