Mukosale Schäden erhöhen Risiko

Neue Hinweise für die „Gut-first“-Hypothese bei Parkinson

US-amerikanische Forschende haben neue Evidenz dafür gefunden, dass Parkinson bei einem Teil der Patienten im Darm beginnen könnte. So gingen Schäden der Darm-Mukosa mit einem erhöhten Risiko einher.

Dr. Miriam SonnetVon Dr. Miriam Sonnet Veröffentlicht:
Es gibt offenbar einen Zusammenhang zwischen Schäden an der Mukosa und Parkinson: Von den 100 Patientinnen und Patienten, die in der Studie die Diagnose Parkinson erhielten, wiesen 52 in der Erstbiopsie eine mukosale Schädigung auf.

Es gibt offenbar einen Zusammenhang zwischen Schäden an der Mukosa und Parkinson: Von den 100 Patientinnen und Patienten, die in der Studie die Diagnose Parkinson erhielten, wiesen 52 in der Erstbiopsie eine mukosale Schädigung auf.

© Katie Chizhevskaya / stock.adobe.com

Boston. Rund 8,5 Millionen Menschen weltweit leiden an Parkinson. Ein möglicher Ursprung der Erkrankung liegt dabei womöglich außerhalb des Gehirns: So besagt die „Gut-first“-Theorie, dass bei einem Teil der Betroffenen die Pathologie im Darm beginnen und über den Vagusnerv zum Gehirn wandern könnte.

Das Team um Jocelyn J. Chang, Tufts University School of Medicine, Boston, stellte nun die Hypothese auf, dass pathologische Defekte der gastrointestinalen Mukosa mit der späteren Entwicklung der Parkinson-Krankheit assoziiert sein könnten (JAMA Netw Open 2024; online 5. September).

Knapp 10.000 Patienten analysiert

Sie analysierten retrospektiv eine Kohorte von 9.350 Patientinnen und Patienten, die sich einer oberen Endoskopie unterzogen hatten. Die Daten stammten aus dem Research Patient Data Registry, einer elektronischen Datenbank, die u.a. Informationen zu Patienten-Demografien, Medikamenten, Therapien und Abrechnungscodes beinhaltet. Personen mit positiven endoskopischen Befunden für mukosale Schädigungen (MD) wurden im Verhältnis 1:3 mit solchen ohne MD gematcht. Eine MD definierten die Forschenden als das Vorhandensein von Erosionen, Ösophagitis, Geschwüren oder peptischen Verletzungen.

Zu Beginn der Studie hatten Erkrankte mit MD häufiger eine Vorgeschichte von H. pylori-Infektionen, sie nahmen öfter Protonenpumpenhemmer ein, wandten nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) chronisch an, und litten häufiger an einer gastroösophagealen Refluxkrankheit, Verstopfung und Dysphagie. Außerdem waren sie öfter Raucher.

Die Hälfte der Parkinson-Erkrankten hatte eine MD

Von den 2.338 Personen mit MD erhielten 52 (2,2 Prozent) später auch eine Parkinson-Diagnose. In der Gruppe der 8.955 Teilnehmenden ohne MD war dies bei 48 (0,5 Prozent) der Fall. Mit anderen Worten: Von den 100 Patientinnen und Patienten, die die Diagnose Parkinson erhielten, wiesen 52 in der Erstbiopsie eine MD auf (52 Prozent). Diese Ergebnisse deuten auf eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Parkinson-Diagnose bei Menschen mit MD im Vergleich zu denen ohne MD hin, so die Forschenden (Incidence Rate Ratio: 4,15; p < 0,001).

Nach Korrektur für Variablen wie Alter zum Zeitpunkt der Endoskopie, Geschlecht, Dysphagie, H. pylori-Infektion usw. blieb das mit der MD assoziierte Risiko bestehen (Hazard Ratio [HR] 1,76; p = 0,01). Im Schnitt wurde die Parkinson-Krankheit 14,2 Jahre nach der MD-Diagnose festgestellt.

Faktoren, die mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Parkinson-Krankheit assoziiert waren, umfassten Alter (HR, 1,04; p < 0,001), Charlson Comorbidity Index (HR, 1,21; p < 0,001), Verstopfung (HR, 2,65; p < 0,001) und Dysphagie (HR, 2,33; p < 0,001).

Mehrere Entzündungsschäden beteiligt

Die Ergebnisse bestätigen laut den Autorinnen und Autoren die Hypothese, dass mukosale Schädigungen des oberen Gastrointestinaltrakts mit der klinischen Entwicklung der Parkinson-Krankheit assoziiert sind. Sie untermauern die Theorie eines „Gut-first“-Fortschreitens der Erkrankung bei einem Teil der Betroffenen.

Die Daten deuteten zudem darauf hin, dass die Assoziation zwischen MD und dem Risiko für die Parkinson-Krankheit möglicherweise nicht auf einer isolierten Anomalie basiert, sondern vielmehr auf einem kumulativen Effekt mehrerer gastrointestinaler Entzündungsschädigungen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Die Plastination des Gehirns

Mikroplastik als möglicher Risikofaktor für Parkinson

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Sexuelle Dysfunktion unter Antidepressiva!

© zoranm | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Metaanalyse

Sexuelle Dysfunktion unter Antidepressiva!

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Photosensibilisierung: So schützen Sie Ihre Patienten

© Studio4 | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Sommer, Sonne, Nebenwirkung?

Photosensibilisierung: So schützen Sie Ihre Patienten

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Dr. Dr. Steffen Boxdorfer 05.09.202421:13 Uhr

Die Studie ist mir zu einseitig.
Die statistische Power ist fraglich.
Was ist mit Patienten, die einen Morbus Crohn oder eine Colitis ulcerosa aufweisen. Hier wäre ebenfalls von mukosaler Schädigung auszugehen.

Sonderberichte zum Thema
Abb. 2: AIOLOS-Studie: Therapieabbrüche nach Gründen

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

Ofatumumab: Wachsende Evidenz stützt frühe hochwirksame Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Abb. 1: Alle Kinder hatten B-Zell-Werte im altersspezifischen Normbereich

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [5]

MS-Therapie in Schwangerschaft und Stillzeit

Ocrelizumab: einfache und flexible Therapie in jeder Lebensphase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Abb. 1: CHAMPION-NMOSD – Zeit bis zum ersten bestätigten Schub bei Patientinnen und Patienten mit NMOSD (primärer Endpunkt)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [7]

Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen

Mit Ravulizumab Schubfreiheit erreichen

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: Alexion Pharma Germany GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Traumatologie

Bienenstich in die Hornhaut: Schnell raus mit dem Stachel!

Lesetipps
Ein junger Fuchs im Wald

© Thomas Warnack/dpa

Alveoläre Echinokokkose

Fuchsbandwurm-Infektionen sind wohl häufiger als gedacht

Schema einer Messung der minimalen Resterkrankung bei Patienten und Patientinnen mit akuter lymphatischer Leukämie, akuter myeloischer Leukämie, chronischer myeloischer Leukämie oder mit multiplen Myelom

© freshidea / stock.adobe.com

Messbare Resterkrankung

Muss man wirklich auch die letzte Krebszelle eliminieren?