Diabetes mellitus

Neuropathie-Test 2.0 – Handy-Vibration ersetzt Stimmgabel

Es genügt ein Handy mit Vibrationsfunktion: An den Fuß eines Diabetespatienten gehalten, zeigt es Forschern zufolge vergleichsweise zuverlässig an, ob dieser an einer peripheren Neuropathie leidet.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Über die Vibrationsfunktion des Handys lässt sich bei Diabetikern prüfen, ob noch eine ausreichende Sensibilität an peripheren Gliedmaßen wie den Füßen besteht.

Über die Vibrationsfunktion des Handys lässt sich bei Diabetikern prüfen, ob noch eine ausreichende Sensibilität an peripheren Gliedmaßen wie den Füßen besteht.

© luisawhr /stockadobe.com

CHESTERFIELD, UK. Britische Forscher haben eine App für Diabetiker entwickelt, mit der man über die Vibration des Handys sehr leicht testen kann, ob eine periphere Neuropathie vorliegt. Die App funktionierte in einer randomisierten Studie sogar besser als herkömmliche Screening-Tools (Foot and Ankle Surgery 2017; 23: 281–284).

Auf die Idee mit der App kam der Orthopäde Jonathan David May, Chesterfield, weil junge Kollegen in der Klinik das zur Diagnostik der peripheren Neuropathie erforderliche Instrumentarium – Monofilament oder Stimmgabel – oft ganz einfach nicht dabei hatten. Was jeder junge Arzt dagegen praktisch ständig in der Hosentasche mit sich herumträgt, ist das Handy, so dachte sich May. Die Vibrationsfunktion, über die mittlerweile die allermeisten Geräte verfügen, müsste sich doch nutzen lassen, um bei Diabetikern mit entsprechendem Verdacht die Sensibilität zu testen.

May ließ eine App entwickeln, die bewirkt, dass der Motor des Handys (in diesem Fall ein iPhone 4S) gleichmäßig in einer bestimmten Frequenz (ca. 25 Hz) vibriert. Die "NeurAppathy" wurde nun in einer randomisierten Studie auf ihre Tauglichkeit am Patienten geprüft. Dabei musste sie sich mit zwei validierten Testmethoden messen: Einem 10-g-Monofilament nach Semmes-Weinstein und einer 128-Hz-Stimmgabel.

Der Orthopäde und sein Team vom Chesterfield Royal Foundation Hospital suchten sich 21 Patienten heraus, die wegen ihrer bekannten diabetischen Neuropathie in der diabetischen Fußklinik behandelt wurden. Diesen wurden zum einen 19 Patienten ohne Diabetes, aber mit einer Fraktur an der unteren Gliedmaße gegenübergestellt, zum anderen 21 Kontrollpersonen ohne Diabetes und ohne Verletzung.

Bei allen Teilnehmern wurden nun jeweils alle drei Testverfahren an verschiedenen Körperstellen angewendet: Fingerbeere des Zeigefingers, Kniescheibenmitte, lateraler Malleolus, medialer Malleolus, Plantarseite der Ferse, Plantarseite des 1. und 5. Metatarsalköpfchens. Die Patienten wurden bei jeder Anwendung gefragt, ob sie etwas spürten.

Um die Genauigkeit der Tests zu bestimmen, wurde die Summe der echt positiven plus echt negativen durch die Summe aller Tests (inklusive falsch positive und falsch negative) geteilt. Dabei erwies sich das 1. Metatarsalköpfchen als die für die Messung am besten geeignete Stelle mit einer Genauigkeit von im Mittel 0,86.

Im Vergleich der drei Messmethoden war das Handy mit einer Genauigkeit von 0,88 sowohl dem Monofilament (0,79) als auch der Stimmgabel (0,77) überlegen. Die Sensitivität der drei Tools lag bei 0,80 bzw. 0,62 und 0,57; die jeweiligen Spezifitäten betrugen 0,95, 0,96 und 0,97.

In der Neuropathiegruppe hatten die Teilnehmer 48 Prozent der insgesamt 441 Tests gefühlt, in der Gruppe der Beinverletzten waren es 87 Prozent und bei den Kontrollen 95 Prozent. Daraus schließen die Forscher aus Großbritannien, dass man im orthopädischen Setting in jedem Fall das gesunde Bein prüfen sollte, da eine Verletzung offenbar auch das Vibrationsempfinden beeinträchtigen könne.

Die Handy-App jedenfalls habe sich als praxistauglich erwiesen. Sie sei nicht nur akkurat in der Messung der noch vorhandenen Sensibilität, sondern auch breit verfügbar, kostengünstig und problemlos mitzuführen. May und Kollegen weisen darauf hin, dass der Einsatz derzeit selbstverständlich off-label erfolgt und die Ergebnisse nicht auf alle Handymarken übertragbar sind.

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