Arzt-Patienten-Gespräch

Prognose bei Krebs – ein heikles Thema

„Wie viel Zeit bleibt noch?“ ist häufig die erste Frage der Patienten, wenn sie eine Krebsdiagnose erhalten. So klar wie vom Patienten gewünscht lässt sich das aber nicht beantworten.

Von Friederike Klein Veröffentlicht:
Wie hat sich die Krankheit in den vergangenen Monaten entwickelt? Mit zum Beispiel dieser Frage lässt sich das Thema Prognose ansprechen. (Symbolbild mit Fotomodellen)

Wie hat sich die Krankheit in den vergangenen Monaten entwickelt? Mit zum Beispiel dieser Frage lässt sich das Thema Prognose ansprechen. (Symbolbild mit Fotomodellen)

© JPC-PROD / stock.adobe.com

Berlin. 98 Prozent der neu diagnostizierten Tumorpatienten wünschen eine realistische Einschätzung der Ärzte über ihre Prognose, sagt Professor Claudia Bausewein aus München. Sie betonte, wie wichtig es ist, dass Onkologe und Patient über Prognose und Lebenserwartung sprechen.

So könne sich bei Patienten ein besseres Verständnis für die Endlichkeit der Erkrankung entwickeln, erklärte die Direktorin der Klinik für Palliativmedizin der Universitätsklinik München beim 34. Deutschen Krebskongress in Berlin. Patienten mit einem guten Verständnis über ihre Prognose können andere Entscheidungen treffen, zum Beispiel in Hinblick auf aggressive lebenserhaltende Maßnahmen, und sie haben die Möglichkeit, wichtige letzte Dinge und Probleme abzuschließen.

Behandler sind oft zu optimistisch

Allerdings sind Behandler nach verschiedenen Studien häufig zu optimistisch bezüglich der Prognose ihrer Patienten. Im Gespräch mit dem Patienten sind sie dann sogar noch optimistischer. So fand sich in einer Studie eine Überschätzung des Überlebens von Patienten in der Sterbephase durch Ärzte um das mehr als Fünffache.

Hilfreich bei der Einschätzung der Lebenserwartung durch die Behandler könne die „Überraschungsfrage“ sein, sagte Bausewein. Mit der Frage „Wären Sie überrascht, wenn der Patient in den nächsten sechs (oder zwölf) Monaten sterben würde?“ wurde in einer Studie eine Genauigkeit der Prognose von immerhin 75 Prozent erreicht.

Zeitspannen statt exakte Zahlen

Verschiedene Prognosescores, die unter anderem Allgemeinzustand (Karnofsky-Index) und bestimmte Symptome (etwa Atemnot, Dysphagie, Verwirrtheit) berücksichtigen, können die Prognoseeinschätzung unterstützen. Vor zu genauen Angaben warnte Bausewein aber. Überlebenszeiten von Studien könnten nur grobe Anhaltspunkte bieten.

Die individuellen Patienten wiesen häufig andere Charakteristika auf als Studienpatienten, zum Beispiel in Hinblick auf Alter, Komorbiditäten, kognitive Einschränkungen oder wegen ihrer Gebrechlichkeit. In Zeiten der zunehmenden Präzisionsonkologie verändere sich die Prognose bei vielen Erkrankungen zudem rasant.

Statt konkreter Zeitangaben empfiehlt Bausewein die Angabe von Zeiträumen, zum Beispiel: „Wir reden eher von Monaten als Jahren“ oder – wenn Patienten Zahlen wünschen – die Angabe der Wahrscheinlichkeit, zu einem bestimmten Zeitpunkt noch zu leben. Bei Verwendung von Statistiken sollten aber jeweils die Einschränkungen der Angaben erklärt werden.

Das Prognosegespräch braucht Vorbereitung

Für das Formulieren der Prognose müssen vorab die klinische Situation gründlich aufgearbeitet, die Behandlungsoptionen interdisziplinär diskutiert und die Auswirkungen bezüglich Toxizität, Nebenwirkungen und Lebenserwartung beurteilt werden. Wichtig ist zudem die Klärung des wahrscheinlichen Krankheitsverlaufs, aber auch der Willensbekundungen des Patienten und seiner Angehörigen beispielsweise bezüglich aggressiver Therapien. Zudem muss bei der Kommunikation der Prognose berücksichtigt werden, was und wie detailliert der Patient überhaupt wissen möchte.

Hilfreich ist laut Bausewein zu Beginn des Gesprächs, die Patienten oder Angehörigen zu fragen, wie die Entwicklung in den letzten Tagen, Wochen oder Monate aus ihrer Sicht war und wie sie die körperliche Verfassung des Patienten einschätzen. Oft kann dann schon die Möglichkeit des Sterbens mit in das Gespräch einfließen.

Das Beste hoffen, aber auch mit dem Schlimmsten rechnen

Es sei wichtig, die Worte „Sterben“ und „Tod“ an geeigneter Stelle explizit einfließen zu lassen, sagte Bausewein. Es gelte für sie das Prinzip, das Beste zu hoffen, aber gleichzeitig auch mit dem Schlimmsten zu rechnen. Neben der Besprechung der Therapieoptionen und des damit möglichen Therapieerfolgs könnte entsprechend auch gemeinsam überlegt werden, was wäre, wenn es nicht so gut wie erhofft läuft.

Ein einmaliges Gesprächsthema sei die Prognose nicht, ergänzte die Palliativmedizinerin: Es sei im Verlauf der Therapie immer wieder wichtig, über die Prognose zu sprechen, etwa bei Nichtansprechen, im Rezidiv oder bei einem ungeplanten Krankenhausaufenthalt und natürlich immer, wenn der Patient den Wunsch äußert.

Darauf zu warten, dass der Patient das heikle Thema Prognose von sich aus anspricht, ist ihrer Erfahrung nach keine gute Idee: Patienten erwarten selbst häufig vom Arzt, dieses Thema anzusprechen. Der Gesprächswunsch kann mit vorsichtigem Nachfragen eruiert werden, etwa „Was haben Sie für ein Gefühl, wie es mit Ihnen weitergeht?“

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