Reicht die einmalige Sigmoidoskopie?

LONDON (ars). Genügt es für eine gute Darmkrebs-Vorsorge, nur den letzten Abschnitt des Kolons und nur einmal im Alter zwischen 55 und 64 zu spiegeln? Die Hinweise dafür verdichten sich: Britische Forscher haben erstmals eine große Langzeitstudie zur Reduktion von Inzidenz und Sterberate vorgelegt. Die Ergebnisse sind beeindruckend.

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Wer die aufwendige Koloskopie scheut, für den könnte eine abgespeckte Variante in Frage kommen. © Felix Burda Stiftung

Wer die aufwendige Koloskopie scheut, für den könnte eine abgespeckte Variante in Frage kommen. © Felix Burda Stiftung

© Felix Burda Stiftung

Demnach verringert sich durch die Sigmoidoskopie die Inzidenz kolorektaler Karzinome um 33 Prozent und die Sterberate um 43 Prozent. Diese Zahlen gelten für eine mittlere Nachbeobachtung von 11,2 Jahren. Die Autoren um Professor Wendy Atkin prognostizieren, dass die Effekte langfristig bis 70 Prozent erreichen. Ökonomischen Analysen zufolge kommt es zu beträchtlichen Kosteneinsparungen, hauptsächlich dadurch, dass teure Krebstherapien wegfallen ("Lancet" online).

Die Londoner Wissenschaftler waren von zwei Erfahrungen ausgegangen: Zwei Drittel der kolorektalen Tumoren wachsen in Rektum und distalem Kolon. Und zwar ums 60. Lebensjahr. Um ihre Thesen zu untermauern, hatten sie knapp 41 000 Menschen mit flexibler Sigmoidoskopie spiegeln und dabei Polypen mit niedrigem Risiko entfernen lassen. Jene fünf Prozent der Patienten, bei denen Hochrisiko-Polypen entdeckt wurden, erhielten eine Überweisung zur Koloskopie. Kriterien waren: Polypengröße über ein Zentimeter, drei oder mehr Adenome, (tubulo)villöse Histologie, schwere Dysplasie oder Malignität, über 20 benigne Polypen oberhalb des Rektums. In der Interventionsgruppe erkrankten später 445 an Darmkrebs, 127 starben nachweislich daran. Dagegen erkrankten 1818 der rund 113 000 nicht untersuchten Teilnehmer, bei 637 war es die Todesursache.

Den Nutzen der Sigmoidoskopie für die Bevölkerung haben (wie berichtet) schon deutsche Forscher belegt: Dadurch ließ sich die Zahl der Krebsvorstufen deutlich senken. Sie rieten zu Erwägungen, diese "kleine" Darmspiegelung in Vorsorgeprogramme aufzunehmen. Denn es erübrigt sich die Darmreinigung, was die Hemmschwelle verringern dürfte.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Keine Vorsorge in Magerversion!

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Kommentare
Dr. Uwe Wolfgang Popert 29.04.201022:03 Uhr

Deutsches Screening Programm muss endlich geändert werden

Die erwähnte deutsche Studie von Brenner et al. zur nachträglichen Rechtfertigung des weltweit einmaligen deutschen Koloskopie-Screenings bezieht sich nur auf das Erkennen von Polypen und Krebsfrühstadien und wurde leider auch nur als Beobachtungskohorte, nicht aber als korrekte intention-to-screen-studie durchgeführt.

Demgegenüber wurde die jetzt publizierte englische Studie von Atkin et al. wissenschaftlich sauber durchgeführt und bezieht sich auf relevante Endpunkte (Dickdarmkrebs). Diese Studie setzt deswegen auch als Level-A-Evidenz den Standard - zumal die Komplikationshäufigkeit unter Sigmoidoskopien wesentlich geringer sind als unter Koloskopien.
Dem möglichen Einwand der hohen Dickdarm-Karzinome wurde in der Atkin-Studie durch sekundäre Koloskopie nach Polypnachweis in der Sigmoidoskopie Rechnung getragen. Alternativ wäre auch eine Koppelung mit FOB-Tests (z.B. Hämoccult) möglich.

Fazit: wegen des wesentlich geringeren Aufwandes, der viel höheren Akzeptanz und der eben jetzt viel besseren Studienlage sollte das deutsche Koloskopie-Programm endlich überdacht und und bis zur Vorlage einer gleichwertigen Evidenz sollte die Sigmoidoskopie der Standard sein.
(Spätestens jetzt sollte eine saubere Studie mit gleicher Qualität wie der von Atkins bezüglich Koloskopie-Screening gestartet werden.)

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