Blutzucker

Schadet intensive Therapie mehr als sie nutzt?

US-Forscher zweifeln am generellen Nutzen einer intensiven Blutzuckerkontrolle bei Typ-2-Diabetes. Nach aktuellen Daten könnten vor allem bei alten Patienten die Nachteile überwiegen.

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Blutzuckerkontrolle: Einheitliche Ziele der Therapie für alle Patienten mit Typ-2-Diabetes wurden in den vergangenen Jahren verworfen.

Blutzuckerkontrolle: Einheitliche Ziele der Therapie für alle Patienten mit Typ-2-Diabetes wurden in den vergangenen Jahren verworfen.

© Dmitry Lobanov / fotolia.com

ANN ARBOR. "Die Glykämiekontrolle zu verbessern, kann speziell jüngeren Patienten Vorteile bringen.

Doch für die meisten über 50-Jährigen, die unter einer Metformintherapie einen HbA1c von weniger als 9 Prozent aufweisen, lässt sich durch weitere Medikamente bestenfalls ein mäßiger Zusatznutzen erzielen", resümieren Dr. Sandeep Vijan vom Ann Arbor Veterans Affairs Hospital und Kollegen ihre Erkenntnisse (JAMA Intern Med, online 30. Juni).

Die Schlüsse, die das Forscherteam zieht, beruhen auf der Berechnung qualitätskorrigierter Lebensjahre (QALY).

Ein QALY von 1 meint dabei ein Jahr in voller Gesundheit, ein QALY von 0 kommt dem Sterben gleich. Dabei wird der Nutzen einer HbA1c-Senkung mit der individuellen Belastung der Patienten durch die jeweilige Therapie verrechnet.

Angenommen wird eine Risikoreduktion von 29 Prozent pro 0,9-Prozentpunkte HbA1c-Senkung (29 / 0,9) für retinale Laserkoagulation, 19 / 09 für Neuropathie, 33 / 0,9 für Mikroalbuminurie und 15 / 1,0 für ein koronares Ereignis.

Der Qualitätsverlust gegenüber vollkommener Gesundheit wird für einen Visusverlust mit 31 Prozent veranschlagt, für ein Nierenversagen mit 39 Prozent, für einen Myokardinfarkt mit 12 Prozent, für einen Schlaganfall mit 36 Prozent und für eine Amputation mit 40 Prozent.

Nachteile vor allem ab 45 Jahren

Die Abnahme der Lebensqualität durch Nebeneffekte der Therapie ging mit Werten zwischen 4 Prozent (persistierende gastrointestinale Nebenwirkungen) und 0,7 Prozent (Gewichtszuwachs von jährlich einem halben Prozent über zehn Jahre hinweg) in die Gleichungen ein, wobei auch die Häufigkeit und die Kumulation berücksichtigt wurden.

Für die Unbilden des Spritzens von Insulin betrug das kalkulierte Minus 5 Prozent, für die Einnahme einer Tablette täglich 0,1 Prozent.

Unter der Annahme, dass die Therapielast die Lebensqualität konstant um 5 Prozent drückt, überwiegen bei einer Senkung des HbA1c von 8,5 Prozent auf 7,5 Prozent sogar in allen Altersgruppen ab 45 Jahren die Nachteile: Der Verlust beträgt dann laut den Modellrechnungen zwischen 2,5 und 4,5 QALY pro 100 Behandlungsjahre.

Blutzuckerkontrolle sei wichtig, um Diabeteskomplikationen wie Nieren-, Augen- oder Herzerkrankungen zu verhindern, schreibt Vijan in einem erläuternden Blog-Beitrag auf den Internetseiten der University of Michigan.

"Aber wenn das Risiko dafür klein und die Belastung durch die Therapie groß ist, schadet die Behandlung schließlich mehr als sie nützt."

Sobald ein gemäßigtes Niveau der Kontrolle erreicht sei, resultiere für die Mehrheit der Patienten kein weiterer Nutzen aus einer intensiven Therapie. (rb)

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