Hintergrund

Schlaganfall: Studie mit Karotis-Bypass fehlgeschlagen

Bei intrakranieller Karotisstenose nützt auch ein transkranieller Bypass nichts: Schlaganfälle sind damit nicht seltener als mit rein medikamentöser Prophylaxe. Der Todesstoß für ein weiteres invasives Verfahren?

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Darstellung der Halsschlagadern in der Angiografie.

Darstellung der Halsschlagadern in der Angiografie.

© Arteria Photography

Man kann Patienten mit einer hämodynamischen Karotis-Insuffizienz wohl einiges ersparen, wenn man sie nicht operiert, sondern nur mit Arzneien zur Schlaganfallprophylaxe behandelt.

Das lässt sich aus einer Studie folgern, die aufgrund des ernüchternden Ergebnisses vorzeitig abgebrochen wurde.

US-Neurochirurgen um Dr. William Powers aus Chapel Hill haben damit wohl einem weiteren invasiven Verfahren zur Schlaganfallprophylaxe den Todesstoß versetzt, nachdem schon vor kurzem die SAMMPRIS*-Studie keinen Nutzen von Stents bei Patienten mit intrakraniellen Stenosen belegen konnte.

Ganz im Gegenteil: Die Schlaganfallrate war bei diesen Patienten sogar fast doppelt so hoch wie bei rein medikamentös behandelten (wir berichteten).

Schlechte Sauerstoffversorgung

Nicht ganz so dramatisch daneben, aber ebenfalls schief, ging nun der Versuch, einen Vorteil einer Bypass-Op bei intrakraniellen Karotisstenosen nachzuweisen (JAMA 2011; 306: 1983-1992).

In der Studie COSS (Carotid Occlusion Surgery Study) hatten die Ärzte um Powers ein ähnliches Klientel wie bei SAMMPRIS ausgewählt: Knapp 200 Patienten mit einer symptomatischen arteriellen Insuffizienz, verursacht durch eine intrakranielle atherosklerotische Stenose.

Alle Patienten waren in den 120 Tagen vor Studienbeginn durch ein ischämisches Ereignis aufgefallen, hatten also bereits eine TIA oder einen Schlaganfall.

Schädel muss durchbohrt werden

Per PET ließ sich zudem eine schlechte Sauerstoffversorgung im Versorgungsgebiet des verengten Gefäßes nachweisen.

Die Hälfte der Patienten bekam nur die medikamentöse Standardtherapie zur Prophylaxe weiterer Ereignisse, die andere Hälfte unterzog sich zusätzlich einer extrakraniellen-intrakraniellen Bypass-Op, um die Stenose zu überbrücken.

Bei diesem Verfahren verbinden Chirurgen meist einen außerhalb des Schädels unter der Kopfhaut verlaufenden Zweig der A. temporalis superficialis mit einem intrakraniellen, unterhalb der Hirnhäute liegenden Zweig der mittleren Zerebralarterie (A. cerebri media). Dabei müssen der Schädel durchbohrt und die Hirnhäute aufgeschnitten werden.

Mehr Schlaganfälle

Was die Sauerstoffversorgung betrifft, war die Operation durchaus erfolgreich - sie verbesserte sich deutlich. Allerdings bezahlten die Patienten dafür einen hohen Preis: Innerhalb von 30 Tagen nach dem Eingriff erlitten 14 Prozent der Operierten einen ipsilateralen Schlaganfall, in der Kontrollgruppe nur 2 Prozent.

Ähnliches war auch in SAMMPRIS nach Stent-Implantation beobachtet worden, dort waren die Schlaganfallrate und -mortalität nach 30 Tagen fast dreimal so hoch wie ohne intrakraniellen Stent (14,7 versus 5,8 Prozent).

Wer allerdings die jeweilige Prozedur nach einem Monat ohne Schaden überlebt hatte, durfte sich dann in beiden Studien über ein niedrigeres Schlaganfallrisiko freuen.

Ereignisse nehmen über die Zeit zu

In COSS lag die Ereignisrate für solche Bypass-Patienten in den folgenden zwei Jahren mit 6 versus 22 Prozent dann deutlich niedriger als in der Kontrollgruppe.

Das führte dazu, dass nach zwei Jahren die Gesamtzahl der Schlaganfälle und Apoplexie-bedingten Todesfälle mit Op sogar etwa niedriger war als ohne Op (21 versus 22,7 Prozent) - jedoch war der Unterschied nicht signifikant.

Der Trend spiegelt sich auch in der Kaplan-Meier-Kurve wider: So scheint sich die Zahl der Ereignisse in der Bypass-Gruppe nach einem Jahr kaum noch zu erhöhen, wohingegen die Zahl der Schlaganfälle und der Apoplexie-bedingten Todesfälle in der Kontrollgruppe kontinuierlich steigt.

Über mehrere Jahre hinweg könnte die chirurgische Intervention also durchaus von Vorteil sein, das hohe Risiko von zerebrovaskulären Ereignissen unmittelbar nach dem Eingriff dürfte solche Überlegungen allerdings obsolet machen.

Surrogatparameter führen in die Irre

In einem Kommentar zur Studie wird betont, wie wichtig es ist, auch augenscheinlich plausible chirurgische Methoden wie die Behebung einer Stenose in kontrollierten Studien mit harten Endpunkten zu untersuchen.

Oft würde der Nutzen nur anhand von Ersatzparametern, etwa der Sauerstoffversorgung, gemessen. Dies könne jedoch gewaltig in die Irre führen.

Hinzu komme, dass sich die medikamentöse Schlaganfallprophylaxe in den vergangenen Jahren deutlich verbessert habe, dadurch sei das Ergebnis sowohl bei COSS als auch bei SAMMPRIS in den Kontrollgruppen möglicherweise günstiger als erwartet gewesen.

Anders ausgedrückt: Mit einer guten Arznei-Prophylaxe kann man sich chirurgische Eingriffe sparen.

*SAMMPRIS: Stenting versus Aggressive Medical Management for Preventing Recurrent Stroke in Intracranial Stenosis

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