Neurologie

Spezialisierte Nerven helfen beim Erinnern

Eine Studie mit Epilepsie-Patienten hat neue Erkenntnisse zum Arbeitsgedächtnis erbracht.

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BONN. Bestimmte Nervenzellen feuern immer dann, wenn sie mit dem Bild oder dem Namen einer bestimmten Person oder eines konkreten Objektes konfrontiert werden. Solche hoch spezialisierten Konzeptneurone erfüllen im Temporallappen eine wichtige Funktion für das Arbeitsgedächtnis, wie Forscher entdeckt haben (Curr Biol 2017; online 16. März)

Die Wissenschaftler zeigten an einzelnen dieser Konzeptneurone, dass sie für eine kurze Zeit Gedächtnisinhalte verfügbar halten, teilt die Uni Bonn mit. Dazu implantierten sie 18 Epilepsie-Patienten Elektroden, um die Epilepsie auslösenden Hirnareale im Temporallappen für eine spätere chirurgische Entfernung genau lokalisieren zu können. Durch diese Elektroden führten die Wissenschaftler Bündel feiner Drähte ein. Damit konnten sie die Aktivität einzelner Nervenzellen messen.

Zunächst testeten die Wissenschaftler, welche Fotos bei den Testpersonen die Konzeptneurone aktivierten. Es handelte sich dabei um Bilder von Objekten wie dem Eifelturm, Tieren wie etwa einer Spinne und Personen wie dem früheren US-Präsidenten George W. Bush. Anschließend wurden diese Fotos in schneller Folge den Probanden gezeigt. Dann folgte eine Pause von wenigen Sekunden, in der die Bilder im Arbeitsgedächtnis gehalten werden sollten. Danach bekamen die Testpersonen jeweils zwei Fotos zur Auswahl. Die Teilnehmer sollten wiedererkennen, welches der beiden Bilder sie zuvor gesehen hatten. Mit ihren Messungen wiesen die Forscher nach, dass die auf ein bestimmtes Motiv spezialisierten Konzeptneurone so lange aktiv blieben, bis ein neues Bild gezeigt und eine andere Nervenzelle gereizt wurde. Dieser nachfolgende Stimulus hemmte die vorher aktivierte Nervenzelle, heißt es in der Mitteilung. Die Konzeptneurone brauchten 0,4 Sekunden, um zu reagieren. War der Bilderfluss schneller, wurden die Zellen wie bei einer Warteschlange nacheinander aktiviert – ohne dass Informationen verloren gingen.Die Forscher konnten sogar anhand der Aktivierung der Konzeptneurone während der Arbeitsgedächtnisphase vorhersagen, ob sich die Probanden später richtig an das Bild erinnern werden. "Diese Ergebnisse waren signifikant besser als der Zufall", wird Professor Dr. Dr. Florian Mormann von der Bonner Uniklinik für Epileptologie in der Mitteilung zitiert. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 50 Prozent, das richtige von zwei gezeigten Fotos zu erraten. "Die Vorhersagen liegen deutlich über diesem Wert", berichtet der Wissenschaftler.

Bereits seit vielen Jahrzehnten ist bekannt, dass die beiden Temporallappen eine wichtige Rolle bei der Gedächtnisbildung spielen. Menschen, bei denen diese Gehirnregionen defekt sind, können keine neuen Informationen abspeichern. Die Forscher konnten direkt an den Nervenzellen zeigen, dass die Konzeptneurone in den Temporalappen für das Arbeitsgedächtnis von entscheidender Bedeutung sind, so die Uni Bonn. Dieser Teil des Erinnerungsvermögens sei nicht nur in der präfrontalen Region des Gehirns angesiedelt, sondern über viele Areale verteilt. Diese grundlegenden Erkenntnisse zur Gedächtnisbildung können auch bedeutsam für das Verständnis von Demenzerkrankungen - wie zum Beispiel Alzheimer - sein.(eb)

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