Sport tut gut -- diese Erkenntnis setzte sich erst in unserer Zeit durch

Regelmäßiger Sport ist für die Gesunderhaltung der Menschen unerläßlich. Was heute zum Allgemeinwissen gehört, mußte sich im Laufe der Jahrhunderte als Wahrheit erst durchsetzen. Deutsche Ärzte haben in diesem Erkenntnisprozeß eine Vorreiterrolle gespielt.

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Inwieweit sportliche Betätigung schon in der Antike bewußt als Mittel der Gesundheiterhaltung eingesetzt wurde, darüber läßt sich mangels eindeutiger historischer Quellen heute nur spekulieren.

Tatsache jedoch ist, daß der Sport sowohl bei den Griechen als auch bei den Römern ein hohes Ansehen genoß, was sowohl durch die Vielzahl an öffentlichen Sportveranstaltungen in der Antike als auch durch die Verehrung, die den Berufssportlern zuteil wurde, belegt ist. In der Römerzeit gehörte Sport quer durch alle Bevölkerungsschichten zum Alltag, davon zeugen unter anderem die in antiken Thermen aufgefundenen Sportgeräte, die jedermann zum Training zur Verfügung standen.

Im Mittelalter galt der Sport als Privileg des Ritteradels

Nach dem Zerfall des Römerreichs in eine Vielzahl von Ständegesellschaften galt das "Spiel" im Mittelalter, wozu auch Sport im heute verstandenen Sinn zu zählen ist, jahrhundertelang als Privileg des Ritteradels. Körperliche Übungen wie Fechten, Laufen, Bogenschießen, Reiten, Steinestoßen und Weitspringen gehörten zur ritterlichen Ausbildung dazu. Auch später blieb die körperliche Ertüchtigung eng mit dem Kriegshandwerk verknüpft.

Im Zuge der Aufklärung veränderte sich das Verständnis der Natur und damit auch das Bild des Menschen auf dramatische Weise. Nach Forschungen des französischen Sozialhistorikers Georges Vigarello war die Vorstellung vom idealen menschlichen Körper in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der Mechanik, in der zweiten Hälfte vom Energiemodell der Thermodynamik bestimmt. Der Körper wurde in dieser Zeit erst als System von Kräften, später dann als eine Art Motor gesehen, weshalb man ihn nicht formen, wohl aber trainieren konnte.

"Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern"

Diese Sichtweisen hatten auch Auswirkungen auf die Medizin. Einer der Wegbereiter der vorbeugenden Gesundheiterhaltung war der Thüringer Arzt und Naturforscher Christoph Wilhelm Hufeland (1762 bis 1836).

In seinem Hauptwerk "Makrobiotik oder Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern" propagierte er die Veränderung des Lebenswandels zur Stärkung der Lebenskraft - eine Grundidee, die Ende des 19. Jahrhunderts führende deutsche Mediziner aufnahmen und weiterentwickelten. Nicht zufällig fallen die Konstruktion des ersten Drehkurbel-Ergometers durch den Magdeburger Arzt Speck (1883) und die Entwicklung des ersten Laufbands durch den Berliner Physiologen Nathan Zuntz (1889) in diese Zeit.

"Der weltweite Aufschwung der Turn- und Sportbewegung, die Wiederbelebung der Olympischen Spiele, namentlich in Deutschland aber auch das Interesse an einer leistungs- und wehrfähigen heranwachsenden Generation führten in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts dazu, daß sich auch die Medizin verstärkt den durch Bewegung und Sport bewirkten Reaktionen des Organismus zuwandte", führt Professor Karl-Hans Arndt, Ehrenvorsitzender des Thüringer Sportärztebundes, in einem Beitrag für die "Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin" (12, 2004, 311) aus.

Als Folge dieser Entwicklung wurde 1912 in Oberhof (Thüringen) das "Deutsche Reichskomitee zur wissenschaftlichen Erforschung des Sportes und der Leibesübungen" gegründet. Dieses Komitee gilt heute als die weltweit erste sportmedizinische Vereinigung und Deutschland damit als Mutterland der Sportmedizin.

Sportabzeichen soll Bürger zu mehr Bewegung motivieren

Im selben Jahr, genauer am 10. November 1912, beschloß die Hauptversammlung des Deutschen Reichsausschusses für Olympische Spiele die Bedingungen für eine Auszeichnung, die zunächst den Namen "Auszeichnung für vielfältige Leistung auf dem Gebiet der Leibesübungen" trug und später unter dem Begriff Deutsches Sportabzeichen bekannt wurde.

Damit sollte den Bürgern ein Anreiz gegeben werden, sich zum Erhalt ihrer Gesundheit regelmäßig sportlich zu betätigen. Die seit dem 4. Juli 1958 gesetzlich anerkannte und geschützte Sportauszeichnung, die sogar als Orden gilt, ist bis heute mehr als 25 Millionen Mal verliehen worden.

Daß Sport nicht nur ein Mittel der Prävention ist, sondern auch ein Segen für Kranke sein kann, diese Erkenntnis setzte sich erst nach dem Krieg durch. Die erste ambulante Herzgruppe in Deutschland wurde von einem Allgemeinarzt 1965 in Schorndorf gegründet. Mit gymnastischen Übungen und Schwimmtraining wollte man die Folgen einer Herzerkrankung kompensieren und strebte eine Sekundärprävention an. Inzwischen gibt es bundesweit mehr als 6000 dieser Herzgruppen.

Trimm-Dich-Aktion war eine einmalige Erfolgsgeschichte

Als der Deutsche Sportbund am 16. März 1970 die erste Trimm-Dich-Aktion startete, war dies der Anfang einer in der Bundesrepublik bis heute einmaligen Erfolgsgeschichte. Innerhalb von nur drei Jahren erreichte Trimmy, die Symbolfigur der Breitensport-Kampagne, einen Bekanntheitsgrad von über 90 Prozent. Millionen Deutsche folgten dem Aufruf, durch Bewegung mehr für ihre Gesundheit zu tun.

"Dem Deutschen Sportbund ist es mit nur 218 000 Mark Startkapital gelungen, eine Kampagne auf die Beine zu stellen, die zeigte, daß Sport nicht nur Sache der jungen, leistungsstarken Wettkämpfer ist, sondern daß jeder - vom Baby bis zum Rentner - Bewegung braucht", bilanziert die Berliner Journalistin Verena Mörath, die im Auftrag des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung die Auswirkungen der bundesweiten Trimm-Aktionen untersucht hat.

Außer den Trimmpfaden kam seit den 70er Jahren vor allem dem Ausdauerlauf große Bedeutung zu. Unter dem Motto "Ein Schlauer trimmt die Ausdauer" startete 1974 die zweite Phase der Trimmaktionen. Heute zählt der Deutsche Leichtathletik-Verband als bundesweiter Organisator der Laufbewegung in 3517 Orten Deutschlands Lauftreffs. Welcher Sport für wen gesund ist, darüber wurde in den deutschen Sportorganisationen in den folgenden Jahrzehnten kontrovers diskutiert.

Daher beschloß man, flächendeckende Qualitätsstandards in der Präventions- und Gesundheitsförderung zu setzen, die 1999 in den Gütesiegeln "Sport pro Gesundheit" und "Sport pro Reha" ihren Ausdruck fanden. Inzwischen sind 10 000 Vereinsangebote vom Deutschen Sportbund, der Bundesärztekammer und den Landesärztekammern mit dem Siegel "Sport pro Gesundheit" ausgezeichnet worden.

Damit wollte man nicht zuletzt auch ein Korrektiv zu dem ausufernden Fitness- und Jugendwahn unserer Tage schaffen, wofür nicht nur der gewachsene Anabolikakonsum unter Breitensportlern ein alarmierendes Indiz ist. (Smi)

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