Demenz

Studien an Betroffenen strittig

Studien an Menschen, die an Demenz leiden? Das erregt die Gemüter. Der Bundestag ringt derzeit darum, ob dies möglich werden soll, und wenn ja, in welchem Umfang. Jetzt haben sich Fachleute dazu geäußert.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Brauchen wir eine Entfesselung der Forschung an und mit nicht einwilligungsfähigen Menschen, zum Beispiel Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind? Die Bundesregierung bejaht diese Frage, knüpft aber Bedingungen daran.

Im Kern geht es darum, ob diese Menschen auch an Forschungsvorhaben beteiligt werden können, auch wenn sie persönlich nichts davon haben werden. Der Bundestag hat sich das Thema zu eigen gemacht.

Drei Änderungsanträge zu dem Entwurf von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) stehen zur Diskussion. Am Mittwoch hatten im Gesundheitsausschuss erneut Wissenschaftler das Wort.

Hemmen Verbote den Fortschritt?

"Alle Studien, die Fortschritt versprechen, können auch heute schon stattfinden", sagte der Frankfurter Psychiater und Altersmediziner Professor Johannes Pantel. Unterstützung erhielt er von Professor Eckhard Nagel, Mediziner und ehemaliges Mitglied des Ethikrates.

"Wir hatten bisher keine Nachteile dadurch, dass Verbote bestanden", sagte Nagel. – Verbote, meinte er, in ihrer Willensfreiheit eingeschränkte Menschen für die Forschung "zu verzwecken".

Die Ärzte stützten damit die Position einer Gruppe von Abgeordneten aller Fraktionen, die im Grunde die bisherige Rechtslage beibehalten wollen (Schummer, Vogler, Schmidt, Schulz-Asche). Studien sollen demnach immer einen individuellen Nutzen für den Probanden mit sich bringen. Gruppennützige Forschung, also Forschung, die eventuell der Allgemeinheit, aber nicht dem Probanden nützt, soll demnach unterbleiben.

Die beiden anderen Anträge sehen vor, dass Menschen in Patienten- und Probandenverfügungen im Voraus festlegen können, dass sie auch als an einer Demenz erkrankte Menschen an Studien teilnehmen wollen.

Ein Vorschlag (Lauterbach, Nüsslein) lautet, dass dafür nicht nur eine Patientenverfügung, sondern zusätzlich noch eine ärztliche Aufklärung nötig sein soll. Die Pflicht zur ärztlichen Aufklärung wiederum lehnt eine dritte Gruppe (Mattheis, Dittmar) ab.

Dies greife in das Selbstbestimmungsrecht ein. Hierzu bemerkte Ethikratmitglied Jochen Taupitz, dass es zwar das Selbstbestimmungsrecht gebe, nicht jedoch eine Selbstbestimmungspflicht. Da die Patientenverfügung ohne Aufklärungspflicht durch einen Arzt auskomme, müsse dies auch für eine Probandenverfügung gelten.

Befragungen und Blutabnahme

Was könnte auf die Betroffenen in klinischen Studien zukommen? Einige der Fachleute betonten, dass damit nur minimale Zumutungen gemeint sein könnten: Befragungen, psychologische Tests, Blutdruckmessungen und eventuell Blutabnahmen, hieß es.

Nach derzeitigem Kenntnisstand seien Studien an schwer Demenzkranken nicht erfolgversprechend, sagte Pantel. Dann seien große Hirnareale bereits zerstört. Pantel selbst räumte ein, dass dieses Arsenal für "hochkarätige Arzneimittelforschung" nicht ausreiche.

Dann, so diskutierten die Fachleute, benötige man unter Umständen auch Sedierungen und Fixierungen zum Beispiel für Computertomographien. Dass dies von einer Ethikkommission genehmigt werden könnte, wurde stark angezweifelt.

Professor Anja Schneider von der Uniklinik Göttingen gab zu Bedenken, dass man bessere Therapien für an einer Demenz erkrankte Menschen brauche. "Die heutige Medikation ist unzureichend", sagte Schneider. Um Verbesserungen zu erreichen seien zum Beispiel Dosisfindungsstudien nötig.

Dann stelle sich die Frage, wie weit die Forschung gehen dürfe. Schneider schlug vor, Zwischenergebnisse von Ethikkommissionen bewerten zu lassen.

Breiten Raum nahmen auch mögliche Konsequenzen einer Vorabverfügung ein. Der Vorsitzende der Ethikkommission Professor Peter Dabrock vermerkte, dass auch der wahrnehmbare Wille des Probanden, also Abwehrreaktionen gegen Behandlungen und Tests zum Beispiel, auch bei einer bestehenden Verfügung immer berücksichtigt werden müssten.

Aus den Reihen der Fachleute kam aber auch der Hinweis, dass Menschen in einer Patientenverfügung lange im Voraus die Aussetzung lebenserhaltender Maßnahmen unter bestimmten Bedingungen verfügen könnten.

Träten die Bedingungen dann ein, seien Ärzte und Betreuer daran gebunden, auch wenn dies den Tod des Patienten zur Folge habe. Man schaffe also inkonsistente Regelungen, wenn eine Probandenverfügung hinter dieser Radikalität zurückbleibe.

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