Umgang mit HIV-Patienten

Viel zu viele Vorurteile – selbst im Gesundheitswesen

Auch im Gesundheitswesen treffen HIV-Patienten häufig auf Unwissen und Diskriminierung. In Lübeck machten Betroffene nun deutlich, dass sie diese im Praxisalltag nicht mehr hinnehmen wollen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Positiver HIV-Test: Nicht immer wird in der Praxis mit dem Ergebnis diskret umgegangen.

Positiver HIV-Test: Nicht immer wird in der Praxis mit dem Ergebnis diskret umgegangen.

© jarun011 / fotolia.com

LÜBECK. Menschen mit HIV oder Aids fühlen sich im Alltag noch immer diskriminiert. Auf einem Fachtag in Lübeck wurde deutlich, dass sie besonders im Gesundheitswesen häufig auf Vorurteile treffen.

"Ich weiß wenig über Aids, erzählen Sie erst einmal." Diese Reaktion eines Arztes auf die Information einer neuen Patientin, dass sie HIV-positiv ist, war zunächst zwar keine Hilfe – aber sie war ehrlich und zeugte von Interesse. Und sie ist besser als andere Erfahrungen, von denen Betroffene auf dem Fachtag berichteten: Ein dickes rotes Kreuz, das HIV auf der Patientenakte für jedermann deutlich sichtbar macht. Termine beim Zahnarzt, die grundsätzlich erst eine halbe Stunde nach Praxisschluss stattfinden. Operationen, die abgesagt werden, obwohl sich die Patientin schon zum fest vereinbarten Termin in der Klinik befindet. Der Betriebsarzt, der einen Beschäftigten grundlos zum Zwangs-Outing drängt.

Besser informierte Ärzte gefordert

Menschen mit HIV oder Aids kennen solche Diskriminierungen im Gesundheitswesen. Zum 30-jährigen Bestehen der Lübecker Aids-Hilfe machten Betroffene aus ganz Deutschland deutlich, dass sie nicht gewillt sind, solche Situationen hinzunehmen. Sie forderten ein Umdenken vor allem von Beschäftigten im Gesundheitswesen. Von Ärzten erwarten sie, dass sie sich besser informieren und sich fortbilden, damit den Betroffenen solche Situationen künftig erspart bleiben.

"Es gibt wenige Beschäftigte im Gesundheitswesen, die entspannt sind", sagte Ute Krackow von der Kieler Aids-Hilfe. Bemängelt wurde in Lübeck insbesondere ein geringes Wissen über das Infektionsrisiko. Daraus resultieren im Alltag für die Betroffenen viele diskriminierende Situationen wie etwa für die Patientin, die statt in den OP in einer Klinik wieder nach Hause geschickt wurde. Oder der junge Schwule, der von Ärzten immer wieder darüber belehrt wird, wie er Kondome zu benutzen habe – obwohl er als Mitarbeiter einer Aidsberatung selbst bestens informiert ist.

Dabei haben die Betroffenen genug damit zu tun, die Infizierung für sich selbst zu akzeptieren. So berichteten Mitarbeiter der Lübecker Aids-Hilfe etwa, dass immer wieder hilfesuchende Menschen an ihrer Tür klingeln. "Wenn sich diese aber nicht sofort öffnet, sind die Menschen verschwunden – aus Scham, dass jemand sie an dieser Tür sehen könnte." Eine Patientin berichtete, wie sie jahrelang mit den Gedanken kämpfte, was wohl ihr Gegenüber von ihr hält, nachdem dieser von ihrer HIV-Infektion erfahren hat.

Aus dieser Selbst-Stigmatisierung wollen die Betroffenen herauskommen durch Aufklärung und Transparenz. "Offen und wertfrei miteinander reden", wurde auf dem Fachtag gefordert, um eine Tabuisierung zu vermeiden. Dafür hoffen die Betroffenen auf aufgeschlossene Ärzte, die sie auch kennengelernt haben.

Gegen Nachteile im Arbeitsleben

Tabuisierung vermeiden helfen soll auch eine Aktion der Lübecker Aids-Hilfe, bei der Unternehmen der Region sich offen dafür aussprechen, Menschen mit HIV zu beschäftigen. Die bisherige Resonanz ist positiv. Ein Vorbild in Braunschweig habe gezeigt, dass dieser Weg dazu führen kann, dass bei auftretenden Problemen offener darüber gesprochen wird.

In Deutschland gibt es nach Angaben der Initiatoren rund 84.000 Menschen, die mit dem HI-Virus leben. Rund 3000 infizieren sich pro Jahr, die meisten von ihnen durch ungeschützten Geschlechtsverkehr.

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