Vier bis sechs Stunden nach der Pilzmahlzeit geht oft der Notruf ein

Von Jens Sommerkamp Veröffentlicht:

BIELEFELD (dpa). Das herbstlich-feuchte Wetter läßt vielerorts die Pilze sprießen, für Sammler beginnt die Hochsaison. Ob Steinpilze, Maronen oder Champignons - die Vielfalt birgt aber auch Gefahren, denn immer wieder wandern auch giftige Pilze in die Sammelkörbe.

20 bis 30 Menschen sterben Jahr für Jahr allein am Grünen Knollenblätterpilz, schätzt Ingrid Koch, stellvertretende Leiterin der Giftnotrufzentrale Berlin. "Das Teuflische ist, daß die ersten Symptome frühestens vier bis sechs Stunden nach dem Verzehr auftreten", sagt sie. Schwerer Durchfall ist beim Knollenblätterpilz das erste Symptom, ein lebensgefährlicher Leberschaden meist die Folge. Oft können die Btroffenen nur durch eine Transplantation gerettet werden.

Allein im Bielefelder Raum haben die Pilzexperten Willi und Irmtraud Sonneborn etwa 1350 verschiedene Pilzarten erfaßt. "Die Vielfalt ist größer geworden", sagt die 84jährige Irmtraud Sonneborn. Das macht es auch Ärzten immer schwerer, Patienten mit Pilzvergiftung zu behandeln. Ohne korrekte Diagnose ist Hilfe oft nicht möglich.

Mageninhalt Betroffener wird sofort zu Pilzexperten gebracht

Immer wieder bitten Krankenhausärzte die Pilzexperten Irmtraud und Werner Sonneborn um Hilfe. Die Mediziner saugen den Mageninhalt des Betroffenen ab. Mageninhalt oder übrig gebliebenes Essen werden per Taxi oder Streifenwagen zu den Pilzexperten gebracht. Unter dem Mikroskop versuchen die beiden festzustellen, was die Vergiftung verursacht hat.

Die Sonneborns erforschen seit 30 Jahren Pilze. Zehntausende Fotos und Karteikarten, viele Veröffentlichungen und wissenschaftliche Anerkennung sind das Ergebnis.

Pilzvergiftungen sind häufig. 25 000 Notrufe erreichen die Vergiftungszentrale des Bonner Uniklinikums in jedem Jahr, etwa 35 000 Anfragen sind es in Berlin. Vor allem verwechseln Sammler immer wieder den giftigen Grünen Knollenblätterpilz mit ähnlich aussehenden, genießbaren Pilzen.

"Am besten ist es, die selbst gesammelten Pilze von einem Fachmann bestimmen zulassen", rät Carola Seidel vom Informationszentrum gegen Vergiftungen in Bonn. "Im Zweifelsfall sollte auf den Verzehr verzichtet werden."

Ingrid Koch vom Berliner Giftnotruf warnt vor falschen Bauernregeln. So heißt es etwa, daß Pilze genießbar seien, wenn sich beim Braten ein hinzugegebener Silberlöffel nicht schwarz verfärbt hat: Küchenlatein, das tödlich sein kann.

Adressen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen von Giftnotruf-Zentralen in Deutschland gibt es etwa unter http://www.giftinfo.uni-mainz.de/Deutsch/giftinfozentralen/Giftinfo-D.html



STICHWORT

Pilzvergiftung

Bei Verdacht auf eine Pilzvergiftung ist die Giftelimination mit Magenentleerung, Carbo medicinalis und Einleitung forcierter Diarrhoen die wichtigste Maßnahme. Eine Magenspülung kann auch nach vielen Stunden noch indiziert sein, denn Pilze sind schwerverdaulich. Darauf weist die Gift-Info Mainz hin. Kommt es bei Knollenblätterpilz-Vergiftungen zu Leberversagen, bleibt bislang nur die Lebertransplantation. Es gibt aber erste ermutigene Ergebnisse mit intraportaler Übertragung von Hepatozyten, etwa an der Medizinischen Hochschule Hannover. (eb)

Mehr zum Thema

Malnutrition Awareness Week 2025

Mangelernährung vor allem bei Älteren häufig

Das könnte Sie auch interessieren
Wie Zink das Immunsystem stärken kann

© Tondone | AdobeStock

Risikogruppen schützen

Wie Zink das Immunsystem stärken kann

Anzeige | Wörwag Pharma GmbH & CO KG
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Diagnostischer Fingerzeig

Nagelverfärbungen als Indikatoren systemischer Erkrankungen

Lesetipps
Mit einem PSA-basierten Screening sollen Prostatakarzinome früh erkannt werden

© Peakstock / stock.adobe.com

Früherkennung

PSA-basiertes Prostatakrebs-Screening: Langzeitdaten belegen Nutzen

Ein Arzt untersucht den unteren Rücken eines Patienten.

© gilaxia / Getty Images / iStock

Red Flags

Rückenschmerz: Wer muss sofort ins MRT?

Hauterkrankungen wie Ekzeme können sichtbare Beschwerden an den Händen verursachen.

© InfiniteStudio / stock.adobe.com

Überblick

Chronisches Handekzem: Tipps für Diagnostik und Therapie