Adipositas

Was bringen Paläo, Low-Carb, Vegan und Co?

Wer adipös ist, braucht eine dauerhafte Umstellung von Lebensstil und Ernährung. Trendige Ernährungsformen können dabei helfen, sollten aber nicht zur Religion werden.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:

Intensiv diskutiert: Können moderne Ernährungsformen dazu beitragen, dauerhaft von einem hochkalorischen Ernährungsverhalten wegzukommen?

BERLIN. Rund 23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen in Deutschland sind adipös. Besonders unter den 24- bis 35-Jährigen gehe der Trend stark nach oben, sagte Professor Hans Hauner vom Institut für Ernährungsmedizin München. Schuld daran seien weniger die Betroffenen selbst als das "adipogene Umfeld". Bei einer Veranstaltung der DGIM im Vorfeld des Internistenkongresses diskutierte Hauner, inwiefern moderne Ernährungsformen dazu beitragen können, dauerhaft von einem hochkalorischen Ernährungsverhalten wegzukommen. Relativ positiv bewertete Hauner eine Ernährung mit wenig Kohlenhydraten: "Low-carb ist in Maßen akzeptabel, auch wenn wir nicht genau definieren können, wie viele Kohlenhydrate optimal sind. Besonders günstig ist Low-carb bei Typ-2-Diabetikern, die dann oft besser mit ihrer Blutzuckereinstellung klar kommen." Low-carb heißt freilich nicht No-carb: "Ein Kohlenhydratanteil von 30 Prozent oder 150 g pro Tag ist die Untergrenze." Werde als Ausgleich der Fettanteil erhöht, dann sollten vor allem ungesättigte Fettsäuren zu sich genommen werden.

Auch die Paläo-Diät hält Hauner für einen im Prinzip gangbaren Weg zu einer gesünderen Ernährung bei Adipositas, sofern darunter eine Ernährung mit viel Obst und Gemüse und eher viel, aber magerem Fleisch verstanden werde. Auf Getreide, Milch und verarbeitete Lebensmittel wird bei dieser Ernährungsform verzichtet, weil es all das in der Steinzeit nicht gab. "Letztlich ist Paläo das, was früher HollywoodDiät genannt wurde", so Hauner.

Eher kritisch sieht er rein vegane Ernährungskonzepte, insbesondere wenn von Ersatzprodukten Gebrauch gemacht wird. Diese seien teilweise hoch künstlich und schadstoffbelastet. Zu achten sei in jedem Fall auf adäquate Supplementierung mit Vitamin B12. Insgesamt sieht Hauner die Gefahr, dass Ernährungskonzepte zu Ersatzreligionen werden, die letztlich zulasten der Vielseitigkeit gehen und damit ungesund werden. Umgekehrt seien aber viele propagierte Ernährungsformen letztlich gesünder als die von hochkalorischen Fertigprodukten dominierte Standardernährung.

Was den DGIM-Experten in Deutschland fehlt, ist das Problembewusstsein: "Adipositas braucht als chronische Erkrankung eine lebenslange Betreuung. Aber das wird nicht so gesehen", sagte DGIM-Vorsitzende Professor Petra-Maria Schumm-Draeger, München. Besonders der Gemeinsame Bundesausschuss stelle sich quer, um zu verhindern, dass plötzlich 15 Millionen Adipöse Anspruch auf GKV-Leistungen hätten. In anderen Ländern sei diese Diagnose dagegen anerkannter, sodass Patienten auch dann Anspruch auf Behandlung haben, wenn keine Folgeerkrankungen vorliegen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Inkretinmimetika

GLP-1-Rezeptoragonisten wohl auch bei Typ-1-Diabetes sinnvoll

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Wolfgang P. Bayerl 11.02.201710:27 Uhr

Bravo Herr Prof. Hauner,

endlicht stimmt die Richtung, auch wenn Sie kein Arzt sind.
nach meiner Erfahrung (mit Patienten) reichen schon weniger als 50% KH,
das ist gar nicht so einfach wie es klingt, wenn man das mal konkret für die Küche umrechnet.
Und dafür muss auch der Eiweißgehalt deutlich erhöht werden, immer noch zu sehr tabuisiert, sonst wird es zu fettig!
Paleo ist eigentlich weniger Ideologie als ein sehr lehrreiches Schlagwort,
das zu recht daran erinnert, das die heutige zivilisatorische "KH-Schlagseite" UNGESUND ist.
Ich empfehle hier für den Interessierten immer eine Recherche zum Stichwort "neolithische Revolution".
Vor der Sesshaftigkeit war der Mensch tatsächlich organisch gesünder.

Dass alle Übergewichtigen in Dauertherapie gehören ist allerdings arg übertrieben.

Steffen Jurisch 10.02.201707:43 Uhr

Super Artikel...

wenn man sich die Menschen mit Adipositas und deren Folgekrankheiten weiterhin sicher will, es wäre ja auch super dumm, wenn man den Ast auf dem man sitzt absägen würde, die sprudelnde Quelle austrocknen würde.
Tausende von chronisch kranken Menschen haben bereits ihre Krankheiten beenden können durch die Umstellung auf eine rein pflanzen-basierte, fettarme Ernährung. Es gibt wissenschaftliche Studien zu Haufe die die Vorteile dieser Ernährungsform verdeutlichen... aber klar, wenn Adipositas und Co. erfolgreich eingedämmt würde, dann könnte man ja nicht so schöne Konferenzen mehr veranstalten, wo man seine Wichtigkeit heraus streichen kann, durch wissenschaftlich angehauchtes gefasel. Schade für die Menschen die weiterhin leiden und einen frühen Tod hinnehmen müssen - es sei denn, sie umgehen diese Ratschläge und informieren sich selbst bei Leuten, die kein finanzielles Interesse an ihrer Krankheit haben!

Sonderberichte zum Thema
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe

Chronisch kranke Kinder

Mangelernährung frühzeitig erkennen und konsequent angehen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Danone Deutschland GmbH, Frankfurt/Main
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an