Was ist denn nun Unabhängigkeit?

Von Michael Hubert Veröffentlicht:

Michael Hubert ist Medizinredakteur bei der "Ärzte Zeitung". Schreiben Sie ihm: michael.hubert@springer.com

Alles gekauft, rauscht es mal wieder durch den Blätterwald. Im Visier: die WHO. Käufer: die Pharmafirmen. Auslöser: ein Artikel zu vermeintlich korrupten WHO-Experten im British Medical Journal (BMJ 2010; 340: c2947). Anlass: Vor einem Jahr hatte die WHO zur Schweinegrippe die Pandemiestufe 6 ausgerufen.

Der Vorwurf wird an Beispielen konkretisiert. So habe etwa Professor Albert Osterhaus Geld von Roche erhalten. Osterhaus hat Neuraminidasehemmer als Option bezeichnet, bei Grippe-Pandemie die Opferzahl zu verringern. Falsch, nur weil er Geld eines Herstellers erhalten hat? Nun ist unstrittig, dass viele Experten - auch Virologen, Infektiologen - auch von Pharmafirmen Aufträge annehmen. Etwa für klinische Studien zu Impfstoffen. Deshalb sind Ergebnisse und Aussagen aber noch lange nicht manipuliert, wie oft unterstellt.

Jeder muss sich fragen: Was ist mein Hauptkriterium bei der Bewertung von Aussagen eines Experten? Seine wissenschaftliche Expertise oder die "Unabhängigkeit". Wobei Unabhängigkeit ja heißt: unabhängig von "Pharma". Erhält ein Forscher Geld von der Impfkritikerlobby, wie Andrew Wakefield, war das lange irrelevant, kratzte nicht an der "Unabhängigkeit".

Noch gilt die wissenschaftliche Expertise als Kriterium und nicht, ob jemand pharmakritisch ist. Selbst ernannte Pandemie-"Experten", die Schwangere mit Ganzvirusvakzine impfen oder Pandemrix® nicht mischen und nur das Antigen verimpfen wollten, sitzen - zum Glück - nicht in Entscheidungsgremien.

Der Vorwurf, die WHO habe die Pandemiekriterien im Mai 2009 geändert, taucht auch im BMJ-Text auf. Hier lohnt die Lektüre des Originals. Denn Autorin Deborah Cohen zitiert als Beleg für die Aussage einen BMJ-Artikel von Peter Doshi. Der gibt als Quelle einen CNN-Beitrag (!) an. Das Robert Koch-Institut aber schreibt, es habe keine Änderung der Pandemiekriterien gegeben und belegt das.

Eines bleibt: WHO, STIKO und andere Institutionen müssen endlich offen und transparent agieren. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf. Das macht auch weniger angreifbar. Rauschen jedoch die Blätter, rauschen sie. Denn auch Blattmacher haben Interessen. Konflikt und Skandal verkaufen gut.

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