Was tun, wenn zufällig ein Rundherd entdeckt wird?

Welche Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik gibt es, um bei einem festgestellten Rundherd zu einem klaren Ergebnis zu kommen? Mit Professor Gerhard Mostbeck aus Wien hat Dr. Wolfgang Steflitsch von der in Österreich erscheinenden "Ärzte Woche" für Network Radiologie gesprochen, einem Zusammenschluß unter anderem von Unternehmen, die etwa Geräte, Filme oder Kontrastmittel für bildgebende Verfahren zur Verfügung stellen. Mostbeck ist Vorstand des Institutes für Radiodiagnostik des Otto-Wagner-Spitals in Wien.

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Frage: Rundherde sind ja nicht so selten Zufallsbefunde bei einer Lungenröntgen-Aufnahme. Was sind denn dann die nächsten, relevanten Schritte?

Mostbeck: Die Differentialdiagnose eines Rundherdes umfaßt zahlreiche neoplastische, entzündliche, dysontogenetische und inflammatorische Veränderungen. Der wichtigste Schritt ist der Vergleich mit einer früheren, älteren Lungenröntgenaufnahme. Ein Rundherd, der in zwei Jahren seine Form und Größe nicht ändert, ist mit größter Sicherheit gutartig.

Weiter analysieren wir die Morphologie des Rundherdes. Dazu gehört der Nachweis von gutartigen Verkalkungen, zum Beispiel bei einem Hamartom. Unscharfe Begrenzung und Spikulae (Krebsfüßchen) sind suspekt für einen malignen Prozeß. Sind keine Voraufnahmen greifbar, ist der nächste Schritt die CT.

Frage: Welche Technik soll zur CT-Abklärung eines Lungenrundherdes gewählt werden?

Mostbeck: Ganz gleich, welche Spiral-CT-Technik zur Verfügung steht - relevant ist die optimale räumliche Auflösung durch dünne Kollimation um 1 mm im Bereich des Rundherdes. Die CT-Daten erlauben dann verläßliche Dichtemessungen und damit den sicheren Nachweis von Fettgewebe, etwa in einem Hamartom, oder den Kalknachweis. Dann haben wir auch ideale Daten zur Beurteilung der Form und Begrenzung des Rundherdes und seiner Beziehung zum bronchovaskulären Bündel oder zur Pleura. Nur solche Daten erlauben die verläßliche visuelle Beurteilung einer Größenänderung im Verlauf.

Frage: Welche klinischen Informationen muß man bei der Beurteilung der Dignität eines Rundherdes beachten?

Mostbeck: Die Wahrscheinlichkeit für einen malignen Prozess nimmt mit dem Lebensalter, einer langjährigen Raucheranamnese und bei bekanntem Malignom zu. Die Wahrscheinlichkeit für einen malignen Prozess steigt auch mit der Größe des pulmonalen Rundherdes und dann, wenn Kriterien der Gutartigkeit, wie Fettnachweis und Verkalkungen, fehlen oder ein Wachstum nachweislich dokumentiert ist.

Frage: Ist das Thoraxröntgen zum sicheren Ausschluss von Lungenrundherden geeignet?

Mostbeck: Hier muß ein ganz klares Nein ausgesprochen werden. Wir wissen heute, daß auch bei optimaler analoger oder digitaler Technik nicht alle Lungenrundherde erfaßt werden. Die blinden Flecken des Thoraxröntgens sind besonders hinter Gefäßen und Zwerchfellkuppen versteckte Lungenabschnitte. Die sensitivste Methode zur Rundherddiagnostik ist heute die Multidetektor-CT.

Frage: Ist die Multidetektor-CT in dieser Fragestellung ein perfekter Goldstandard?

Mostbeck: Sie ist sehr gut, aber nicht perfekt. Trotz hoher Kontrastunterschiede zwischen Rundherd und Lunge machen uns in der CT besonders Lungengefäße Schwierigkeiten in der Beurteilung. Ähnlich wie in der Mammographie sind daher auch für die CT der Lunge zur Rundherderkennung CAD-(computer aided diagnosis)-Systeme in Erprobung und bereits kommerziell erwerbbar, die den CT-Datensatz auf das Vorhandensein von Lungenrundherden überprüfen. Da diese Techniken nicht fehlerfrei sind, ist die radiologisch-ärztliche Kontrolle dieser bislang kaum verfügbaren CAD-Ergebnisse unerläßlich.

Frage: Bei welchen Fragestellungen sind solche genauen Diagnosen wirklich relevant?

Mostbeck: Relevant wird die genaue Beurteilung von Rundherden unter 1 cm beim Screening und zur Früherkennung des Bronchialkarzinoms mit Niedrigdosis-CT. Seit 1999 konnte in insgesamt acht Studien gezeigt werden, daß bei CT-Untersuchung von Risikopersonen (höheres Alter, langjährige Raucheranamnese) bei bis zu 2,7 Prozent der untersuchten Personen Bronchialkarzinome überwiegend im Stadium I gefunden werden, mit ausgezeichneter Prognose nach Resektion.

Heute ist allerdings nicht gesichert, daß durch Screening die Mortalität infolge Bronchialkarzinom gesenkt werden kann. Diese Frage soll durch laufende große Studien in den USA und in Frankreich geklärt werden. Derzeit macht es jedoch Sinn, Risikopopulationen (etwa langjähriger Nikotinabusus, COPD, Asbestexposition) eine CT zur Früherkennung des Bronchialkarzinoms anzubieten.

Frage: Was sollten Ärzte anderer Fachrichtungen und Menschen, die eine solche Früherkennung erwägen, wissen und bedenken?

Mostbeck: Wichtig ist zu wissen, daß bei bis zu 50 Prozent aller Personen ein oder mehrere Rundherde der Lunge gefunden werden, von denen nur ein sehr geringer Prozentsatz wirklich ein Bronchialkarzinom ist. Die überwiegende Zahl dieser kleinen Rundherde ist gutartig, was aber anhand von CT-Verlaufsuntersuchungen in drei- bis sechsmonatigen Abständen bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren anhand des fehlenden Größenwachstums zweifelsfrei zu dokumentieren ist. Wir müssen daher unsere PatientInnen informieren, daß CT-Kontrolluntersuchungen notwendig sein können.

Frage: Welche Rolle können in diesem Szenario CAD-Systeme spielen?

Mostbeck: Die Tumorverdoppelungszeit eines Bronchialkarzinoms liegt zwischen 40 und 360 Tagen. Da das Volumen eines Rundherdes mit der dritten Potenz des Radius zunimmt, ist das Messen des Durchmessers in einer CT in einer Ebene ein meß-ungenauer Parameter. Ein 5 mm kleiner Rundherd mit einer Tumorverdoppelungszeit von sechs Monaten hat in dieser Zeit sein Volumen zwar verdoppelt, sein Durchmesser ist dann aber erst 6,2 mm. Diese Größenänderung ist am Röntgenfilm oder am Monitor schwer zu erfassen, sehr genau jedoch mit CAD-Systemen, die das Volumen des Herdes aus den CT-Daten berechnen.

Frage: Würden Sie sich selbst einem solchen Früherkennungsprogramm unterziehen?

Mostbeck: Als 48-jähriger Mann, konsequenter Nichtraucher seit etwa fünf Jahren und Ex-Raucher mit 22 pack-years bin ich möglicherweise ein Kandidat für ein solches Früherkennungsprogramm.

Das Interview hat die "Ärzte Woche" am 15.12. 2004 veröffentlicht.

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