Kommentar

Weckruf an Politik und Gesellschaft

Von Thomas Müller Veröffentlicht:

Wenn fast vier von zehn Europäern zumindest gelegentlich ernsthafte psychische Probleme haben, wie die neue europaweite Analyse nahe legt, so ist es nicht unbedingt das Ausmaß, das erschreckt - die Zahl hängt schließlich davon ab, welche Diagnosen man berücksichtigt und was man als relevant beurteilt.

Viel dramatischer ist die Tatsache, dass psychische Krankheiten mit Abstand am meisten gesunde Lebensjahre kosten, oder anders formuliert: das meiste Leid verursachen.

Diese Erkenntnis ist bei weitem noch nicht in der Gesellschaft angekommen. Es dominiert nach wie vor das Bild vom Neurotiker, der nach eine paar Stunden auf der Couch wieder geheilt nach Hause geht. Völlig fremd ist den meisten die Vorstellung vom chronisch Depressiven, der zeitlebens ärztlichen Beistand braucht.

Das verzerrte Bild spiegelt sich in Medienberichten wider, die glauben lassen, mit noch mehr Psychotherapie ließe sich die Situation verbessern, es kommt in der ambulanten Versorgung zum Ausdruck, in der sich bereits 18 000 Psychotherapeuten in Deutschland um die leicht Kranken, aber nur 5000 Nervenärzte und Psychiater um die chronisch Kranken kümmern. Die neue Studie könnte ein Weckruf sein, daran etwas zu ändern.

Lesen Sie dazu auch: Jeder dritte Europäer hat ernste psychische Probleme

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Mediensucht, Depressionen, HPV-Impfung

DAK baut Vorsorgeangebot in Kinder- und Jugendarztpraxen aus

Kommentare
Dr. Jürgen Thorwart 07.09.201109:34 Uhr

Undifferenzierter Kommentar

Ist es Unwissen oder Demagogie, die den Autor treibt?

Auch dadurch, daß eine Behauptung von (einigen wenigen) PsychiaterInnen stereotyp wiederholt wird (die Mär von den ärztlichen und nichtärztlichen PsychotherapeutInnen, die nur leicht erkrankte NeurotikerInnen behandeln), wird sie nicht wahrer.
Die psychotherapeutische Behandlung umfaßt längst alle psychischen Diagnosen (einschließlich Personlichkeitsstörungen und Psychosen) und wird auch nicht selten bei gleichzeitiger Behandlung durch PsychiaterInnen/NerbenärztInnen durchgeführt.

Es geht wohl weniger um die Interessen von PatientInnen als um berufspolitische Interessen und Konflikte!

Dr. J. Thorwart
Dipl.-Psych., PP, Psychoanalytiker
Neufahrn (bei Freising)
wwww.thorwart-online.de
j.thorwart@freenet.de

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Daktyloskopische Nebenwirkungen

Wenn die Krebstherapie die „Identität“ verändert

Lesetipps
Auch einem CT-Bild ist ein Prostata-Karzinom markiert.

© samunella / stock.adobe.com

Aktualisierung der S3-Leitlinie

Früherkennung von Prostatakrebs: Tastuntersuchung vor dem Aus

Abstraktes buntes Bild vieler Bücher die umherschwirren.

© 100ME / stock.adobe.com

Empfehlungs-Wirrwarr

Drei Hypertonie-Leitlinien: So unterscheiden sie sich

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung