Mehnert-Kolumne

Wie soll die Ernährung bei Gestationsdiabetes aussehen?

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Prof. Hellmut Mehnert

Arbeitsschwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden: Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.

Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Gestationsdiabetes trifft in Deutschland jede zehnte bis zwanzigste Schwangere. Der Diabetes verschwindet post partum zwar zunächst wieder, aber etwa jede zweite Frau mit durchgemachtem Gestationsdiabetes entwickelt im Laufe ihres Lebens einen Typ-2-Diabetes. Auch langfristig ist Betroffenen daher ein gesunder Lebensstil zur Prävention nahezulegen.

Der Stoffwechsel von Schwangeren mit Diabetes muss besonders scharf eingestellt werden. Mit einem strengen Therapieregime ist es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, die perinatale Mortalität der Neugeborenen von Müttern mit Diabetes (inklusive Typ-1-Diabetes) in Deutschland von über 20 Prozent auf ein bis zwei Prozent zu senken.

Für eine strenge Stoffwechseleinstellung spricht auch, dass leichte Hypoglykämien dem Ungeborenen nach Studiendaten offenbar nicht schaden.

Lässt sich der Schwangerschaftsdiabetes mit Ernährungsmaßnahmen nicht einstellen, ist eine Insulintherapie indiziert. Andere Antidiabetika sind für werdende Mütter kontraindiziert.

Für die diätetische Behandlung bei Gestationsdiabetes gibt es bislang leider keine allgemeinen Empfehlungen. In der Regel wird bisher eine strenge Kohlenhydratrestriktion (unter 40 Prozent Anteil Gesamtkalorien) empfohlen. Dies führt zu höherer Fettaufnahme (40 bis 50 Prozent) bei meist konstantem Proteinkonsum (15 bis 20 Prozent).

Eine fettreiche Ernährung kann aber zur erhöhten fetalen Fettspeicherung und später zu Adipositas bei den Kindern führen. Auch sind Fettsäuren offenbar für eine Verschlechterung der mütterlichen Insulinresistenz verantwortlich, die bei Gestationsdiabetes typisch ist.

Zwölftägige Studie mit 16 Teilnehmerinnen

Anstelle einer solchen fettreichen Diät haben US-Forscher jetzt eine kohlenhydratreiche Kost (60 Prozent Anteil) mit geringem Fettanteil (etwa 25 Prozent) bei Gestationsdiabetes ausprobiert.

Die neue Diät ist reich an komplexen Kohlenhydraten (Polysaccharide etwa Stärke) wie Vollkornprodukten, Gemüse, Obst und anderen ballaststoffreichen Nahrungsmitteln. Diese lassen den Blutzucker nach dem Essen verzögert ansteigen. (Diabetes Care 2014; 37: 1254).

An einer Studie hierzu nahmen 16 übergewichtige junge Frauen mit Gestationsdiabetes teil. Sie wurden in der zwölftägigen Studie zwischen der 29. und 32. Schwangerschaftswoche je vier Tage einer dieser beiden Diätformen zugeführt. Anschließend wurde die Ernährung - jeweils nach einer zweitägigen Kontrolldiät als "Auswaschphase" - auf die andere Diätform gewechselt.

Ergebnis: Die Umstellung auf komplexe Kohlenhydrate führte zu ausgeglichenen Blutzuckerspiegeln, wie dreitägige kontinuierliche Blutzuckermessungen (CGMS) ergaben. Es gab keine Hyperglykämien und die postprandialen freien Fettsäuren wurden deutlich reduziert.

Ob die guten Befunde für die gesamte Schwangerschaft gelten, ist unklar. Auch waren die in der Studie durch Diät erzielten postprandialen Blutzuckerwerte noch zu hoch.

Bei ausgeprägtem fetalem Wachstum werden niedrigere Werte empfohlen, betont Dr. Sabine Kahl vom Deutschen Diabetes-Zentrum an Düsseldorf in einem Kommentar zu der Studie (Der Diabetologe 2014, 10: 32).

Langzeitstudien wären wichtig

Die optimale Diät bei Gestationsdiabetes muss als Basis der Behandlung unbedingt in großen prospektiven Langzeitstudien geprüft werden.

Eine Insulinbehandlung als ultima ratio ließe sich damit wahrscheinlich in vielen Fällen vermeiden. Eine solche Diät mit komplexen Kohlenhydraten und niedrigem Fettanteil könnte dazu ein Anknüpfungspunkt sein.

Unumstritten in der Ernährungslehre ist bisher nur die Empfehlung zu reichlich Ballaststoffen bei schwangeren und nichtschwangeren Diabetikerinnen. Es gibt daher deutlich mehr Klärungsbedarf.

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