Reha für Alte

Zocken am Computer macht fit

Faul vor dem Computer sitzen, das war einmal. Mit Spielkonsolen wird das eigene Wohnzimmer zum Fitnessstudio. Auch ältere Menschen könnten so nach einer Operation wieder fit werden. Bremer Informatiker haben deshalb Spiele speziell für deren Bedürfnisse entwickelt.

Von Irena Güttel Veröffentlicht:
Patientin Barbara Büssing spielt unter der Aufsicht der Spiele-Entwickler Ronald Meyer (li) und Markus Krause ein PC-Spiel, um ihre Beweglichkeit nach einer OP zu verbessern.

Patientin Barbara Büssing spielt unter der Aufsicht der Spiele-Entwickler Ronald Meyer (li) und Markus Krause ein PC-Spiel, um ihre Beweglichkeit nach einer OP zu verbessern.

© Carmen Jaspersen / dpa

BREMEN. Die Krücken hat Adolf Szyszka an einen Stuhl gelehnt. Er braucht jetzt freie Hände. Ein Projektor wirft einen fröhlich-bunten Garten an die Wand, das virtuelle Alter Ego des 75-Jährigen mittendrin.

Gerade macht sich eine Horde Heuschrecken über das Gemüsebeet her. Vorsichtig sammelt Szyszka die Plagegeister in eine Kiste. Dafür muss er sich ordentlich strecken und wieder beugen, strecken und beugen. So spielt sich der Rentner nach seiner Hüft-OP langsam wieder fit.

In der Reha-Klinik am Sendesaal in Bremen zocken betagte Patienten seit einiger Zeit regelmäßig an einer Spielkonsole. Sie pflücken Äpfel, sortieren Gemüse oder jagen Heuschrecken. Ihren Enkeln würde das wahrscheinlich nur ein müdes Gähnen entlocken. Doch den Senioren macht die moderne Bewegungstherapie Spaß. Informatiker von der Uni Bremen haben diese zusammen mit Pflegeexperten und Medizinern speziell für die Bedürfnisse von Älteren entwickelt.

Bewegungsmuster wird individuell zugeschnitten

Die Spiele basieren auf dem Kinect-System von Microsoft, mit dem der Spieler seine Figur allein mit seinen Körperbewegungen steuern kann. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: "Man kann gezielt auf die Person und ihr Krankheitsbild eingehen", erläutert Jürgen Weemeyer vom mobilen Pflegedienst Vacances, der das Projekt koordiniert. Ein Physiotherapeut erarbeitet die Übungen gemeinsam mit dem Patienten und speichert die persönlichen Einstellungen.

Das soll verhindern, dass Rückenkranke zum Beispiel eine falsche Drehung machen oder Herzpatienten sich zu schnell bewegen und der Puls in die Höhe schnellt. Später sollen sich die Senioren im eigenen Wohnzimmer gesund zappeln können.

Im Moment befinden sich die Spiele aber noch in der Testphase. Im Frühjahr sollen sie auf den Markt kommen - zunächst nur für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und bei der Krankengymnastik.

Herkömmliche PC-Spiele überfordern Alte

Spielkonsolen sind seit einigen Jahren in vielen Altersheimen und Reha-Kliniken verbreitet. So auch am Kölner St. Marien-Hospital, wo Professor Ralf-Joachim Schulz Chefarzt ist. Doch die Erwartungen hätten diese nicht erfüllt, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie. Denn die herkömmlichen Spiele überfordern viele Senioren und können gar nicht auf ihre individuellen Probleme eingehen.

"Für fitte ältere Herrschaften ist das eine Möglichkeit, zusätzlich etwas zu tun. Aber die Akzeptanz der Technik ist begrenzt", berichtet der Experte.

Genau da wollten Softwareentwickler Markus Krause und seine Kollegen ansetzen. Doch was kommt bei der Zielgruppe 65 plus gut an? Und wie muss ein Spiel aufgebaut sein, damit Ältere damit klar kommen?

Um das herzufinden, befragte das Team Senioren und ließ die Spiele von Sportgruppen und in Begegnungsstätten testen. Immer wieder mussten sie ihre Testversionen anpassen, noch reduzierter denken.

Kein hektisches Blinken, keine laute Musik

Einen Computer hat Adolf Szyszka nicht zu Hause. Trotzdem findet er sich in dem virtuellen Garten sofort zurecht. Einfache Formen und kontrastreiche Farben erleichtern ihm die Orientierung. Alles ist übersichtlich aufgebaut. Kein hektisches Blinken oder laute Musik lenken in den Spielen ab.

Nach Angaben von Krause beschreiten die Bremer damit Neuland. "Reha-Spiele für Jüngere gibt es schon länger. Für Ältere sind sie gerade erst im Kommen." Ähnliche Projekte liefen auch in den USA oder Dänemark, marktreif seien diese aber noch nicht.

Die Krankengymnastik werden die Spiele aber nicht ersetzen können. Dr. Manju Guha, ärztliche Direktorin der Reha-Klinik am Sendesaal, sieht in ihnen trotzdem eine wichtige Ergänzung. "Bisher guckt man nur auf die Funktionsfähigkeit eines Körperteils. Aber nicht auf den ganzen Menschen."

So ist das operierte Knie nach der Physiotherapie zwar wieder beweglich. Doch ob der Patient damit noch gut die Treppe hochkommt, heißt das noch lange nicht. Die Spiele sollen deshalb gezielt Alltagsbewegungen trainieren und den Körper insgesamt stärken. (dpa)

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