Zufallsbefunde

Zwei Laborwerte schließen Leberleiden aus

Gelegentlich sind bei einem Patienten einzelne Leberwerte erhöht, ohne dass es andere Krankheitshinweise gibt. Zum Ausschluss von Leberkrankheiten reichen dann Tests auf zwei Parameter aus.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Leber im Fokus: Um bei Zufallsbefunden relevante Erkrankungen auszuschließen, reichen ALT plus AP aus.

Leber im Fokus: Um bei Zufallsbefunden relevante Erkrankungen auszuschließen, reichen ALT plus AP aus.

© Springer Verlag

BIRMINGHAM. Sind einzelne Leberwerte bei einem Patienten in der Hausarztpraxis auffällig, ohne dass es Hinweise auf eine Erkrankung gibt, werden in der Regel alle Leberwerte ein weiteres Mal bestimmt.

Diese Strategie ist "nicht effizient", meinen Ärzte um Professor Richard Lilford von der Universität Birmingham. Sie haben nämlich die prognostische Relevanz von Leberfunktionsparametern in einer prospektiven Studie überprüft (BMJ Open 2013; 3: e003099).

Beteiligt an der Studie waren 1290 Patienten, bei denen das Labor zufällig bei mindestens einem von acht Leberparametern einen abnormen Wert ergeben hatte, und zwar Alanin-Aminotransferase (ALT, früher GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, früher: GOT), Gamma-Glutamyltransferase (GGT), Bilirubin, Alkalische Phosphatase (AP), Albumin, Globulin oder Gesamtprotein.

Die Patienten wurden klinisch untersucht sowie mittels Labor und Ultraschall auf eine Lebererkrankung getestet und zudem zwei Jahre nachverfolgt. Dabei fiel auf, dass trotz des positiven Erstbefundes nur 44 Patienten tatsächlich an Leber oder Gallenwegen erkrankt waren (3,4 Prozent).

Davon hatten 32 eine hepatozelluläre Erkrankung (2,5 Prozent): 13 Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Infektionen, 10 Hämochromatosen, 6 Zirrhosen, 3 Mal Alpha-1-Antitrypsin-Defizienz, 4 metastasierte Leberkarzinome.

Zwölf Teilnehmer hatten eine Gallenerkrankung (0,9 Prozent): 10 primär biliäre Zirrhosen, 2 primär sklerosierende Cholangitiden). Virushepatitis war bei den Studienteilnehmern kaum höher als in der britischen Bevölkerung (1 vs 0,7 Prozent).

AP hatte die höchste Vorhersagegenauigkeit bezüglich Gallenerkrankungen und hepatobiliärer Tumoren. ALT und AST waren die beiden exaktesten Prädiktoren für hepatozelluläre Erkrankungen.

Beschränkt man sich bei der erneuten Testung auf ALT plus AP, dann entfallen der Studie zufolge auf ein echt positives Ergebnis 17 bis 45 falsch-positive Ergebnisse. Das Einbeziehen der anderen sechs Analyten bringt unter diesen Bedingungen keine zusätzliche Information.

Für die Kombination aus ALT und AP ergibt sich ein positiver prädiktiver Wert von 4,4 Prozent, für alle acht Parameter von 4 Prozent.

"Die Rolle von Leberfunktionstests in der Primärversorgung in Abwesenheit von offensichtlichen oder bekannten Lebererkrankungen ist zu überdenken", so die Forscher.

Um eine relevante Lebererkrankung auszuschließen, reichten ALT plus AP aus. Die beiden Werte würden zudem bereits Hinweise auf die Art einer möglichen Krankheit geben (ALT: hepatozelluläre Erkrankungen, AP: Gallenleiden, Tumoren).

Die anderen Leberwerte sollten bestimmten Situationen vorbehalten sein. GGT und AST können etwa Alkoholmissbrauch aufdecken, Bilirubin ist etwa bei der Diagnose einer akuten Hepatitis A von Nutzen.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 31.07.201310:38 Uhr

Die Leber wächst n i c h t mit ihren Aufgaben!

Beeindruckend und praxisrelevant ist diese sehr gut referierte prospektive Untersuchung besonders deshalb, weil die Ausgangs-Daten von 2005-2008 in 11 UK-Allgemeinmedizin-Praxen (Regionen Birmingham und London) im Rahmen der BALLETS-Studie erhoben wurden ["Birmingham and Lambeth Liver Evaluation Testing Strategies"]. Von Hausärzten für Hausärzte sozusagen!

Ungewöhnlich ist jedoch, dass bei Beschreibung der Krankheitsprävalenzen dieser Kohorte mit primär auffälligen Laborwerten alle anderen Leber-Gallen-Erkrankungen genannt werden, aber n i c h t die alkoholinduzierte Steatohepatitis, die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) und die Autoimmunhepatitis auftauchen. Das hängt vermutlich mit der vereinfachenden Stratifizierung zwischen hepatozellulären Krankheiten, biliären Erkrankungen und Tumoren in beiden Bereichen zusammen. Alle anderen Patienten kamen in die Kategorie ''nicht-spezifisch'' ["1. Hepatocellular disease 2. Biliary disease 3. Tumours of the hepatobiliary system. All other patients were placed in a ‘non-specific’ category"].

Für den in Deutschland labortechnisch noch weit verbreiteten Sprachgebrauch hier erneut definiert: GOT=AST/Aspartat-Aminotransferase - GPT=ALT/Alanin-Aminotransferase. Die AP/Alkalische Phosphatase wird im Englischen mit "alkaline phosphatase (ALP)" bezeichnet.

Die Studienergebnisse sind hier umfassend von Frau Dr. Beate Schumacher dargelegt worden. Eines möchte ich besonders positiv hervorheben. R. J. Lilford et al. gehen ausgesprochen offen und selbstkritisch mit ihrer Publikation um. Unter Stärken und Schwächen geben sie an, dass man die Sensitivität (der Labortests) möglicherweise ü b e r - und die Spezifität u n t e r - schätzen könnte ["Strengths and weaknesses of the study ... sensitivities would be overestimated and specificities underestimated."].

Für meine eigene Praxistätigkeit, in der die klinisch übliche "Leberlatte" längst der Vergangenheit angehört, sehe ich allerdings als persönliche Konsequenz AP, GPT u n d GGT in der Primärdiagnostik essenziell, weil alkoholbedingte Lebererkrankungen und NASH doch sehr häufig sind. Mit der AP hat man zusätzlich eine Zustandsbeschreibung des Knochenstoffwechsels (turn-over). Bilirubin gehört m. E. bei Verdacht auf eine Gallenfunktionsstörung immer dazu. Der Hepatitis A/B/C-Status sollte bei Krankheitshinweisen zusätzlich serologisch erfasst werden.

Ein wesentlicher Schwachpunkt dieser Studie: Wie hat man denn mit dem Minimalprogramm von nur zwei Leber-Laborwerten zu verfahren, wenn ein konkreter Hepatitis-Verdacht vorliegt? In der beschriebenen Kohorte von 1290 Patienten waren immerhin bei gut einem Prozent insgesamt 13 Hepatitis-B oder -C Infektionen festgestellt worden. Diese serologisch notwendige Bestätigungsdiagnostik gehört bei einer Trefferwahrscheinlichkeit von einem Prozent doch mit zum Basisprogramm? Insgesamt gesehen ist bei einem Primärscreening mit auffälligem Erstbefund und der nachfolgenden Bestätigung, dass 3,4 Prozent, also 44 Patienten, in dieser Studie t a t s ä c h l i c h an Leber oder Gallenwegen erkrankt waren, eine relativ h o h e Trefferquote. Andere nationale Vorsorgeprogramme haben dagegen eine weitaus geringere Detektionsquote.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z. Zt. Orange/F)

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