Niederlassung sichern

Ärzte in Hessen werden knapp, Politiker haben nur vage Antworten

Ist es nur das Geld, das junge Ärzte zur Niederlassung vor allem auch im ländlichen Raum bewegen würde? Oder gibt es auch andere Faktoren? Gesundheitspolitiker diskutierten dies bei der KV Hessen.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:
Diskussionsrunde

„Die Boomer gehen – und keine(r) kommt nach“, gemäß diesem Motto, hat die KV Hessen die gesundheitspolitischen Sprecher der sechs Landtagsfraktionen, Kathrin Anders (Grüne, von links), Daniela Sommer (SPD), Volker Richter (AfD), Christiane Böhm (Linke), Yanki Pürsün (FDP) und Ralf-Norbert Bartelt (CDU) am Mittwoch zur Diskussion geladen.

© Judith Scherer / KVH

Frankfurt/Main. Im Jahr 2030 werden in Hessen nach Schätzung der dortigen Kassenärztlichen Vereinigung 1000 Hausärzte und 500 grundversorgende Fachärzte fehlen. Bedeutet dies also, „Die Boomer gehen – und keine(r) kommt nach“, gemäß dem Motto, unter dem die KV die gesundheitspolitischen Sprecher der sechs Landtagsfraktionen am Mittwoch zur Diskussion geladen hatte? Anlass ist die Landtagswahl am 8. Oktober in Hessen.

Was also tun, um die ambulante Versorgung in Hessen auch in der Zukunft zu sichern? „Solange ärztliche Leistungen nicht bezahlt werden, gibt es auch keine Niederlassungen“, fasste ein Arzt aus dem Publikum die Situation salopp zusammen. Weswegen der FDP-Landtagsabgeordnete Yanki Pürsün auch Applaus erntete, für seine Aussage, „wenn wir gewählt würden, würden wir uns nach der Wahl für die Entbudgetierung einsetzen“.

Dies und noch mehr schwebt der AfD vor. Deren gesundheitspolitischer Sprecher Volker Richter sagte, seine Partei sei für Entbudgetierung, Inflationsausgleich und die Wiedereinführung der Neupatientenregelung.

„Das ist wie Tarifautonomie“

Der CDU-Abgeordnete und Dermatologe Dr. Ralf-Norbert Bartelt meinte, natürlich müsse die Vergütung gesteigert werden, aber an sich mische sich die Politik da nicht gerne ein, das sei ähnlich wie in der Tarifautonomie. Gleichwohl nannte er Regelleistungsvolumina, die erhöht werden müssten, mehr Geld für Hausbesuche oder erneute Vorstellungen von Patienten in einem Quartal. Auch die GOÄ müsse dringend angepasst werden.

Während sich CDU-Mann Bartelt für ein Fortbestehen von gesetzlicher und privater Krankenversicherung aussprach, wandte sich die Linken-Gesundheitspolitikerin Christiane Böhm gegen die „Doppelstruktur von PKV und GKV“. Ohne diese könne viel mehr Geld ins System kommen. Sie wies zudem darauf hin, dass auch gleiche Lebensverhältnisse in Stadt und Land zur Niederlassung notwendig seien. In Hessen konzentriere sich zu viel auf das Rhein-Main-Gebiet.

Dies sprach auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Dr. Daniela Sommer, an. Es brauche gleiche Bedingungen in Stadt und Land, um junge Menschen aufs Land zu bringen. Dazu zähle auch stabiles Internet, woran es gerade im ländlichen Nordhessen aber großflächig fehle. Zudem wünsche sie sich eine kleinteiligere Bedarfsplanung sowie die Möglichkeit, dass Kommunen auch junge Ärzte einstellen können, wenn diese die Niederlassung scheuen.

Hohe Erwartungen an Landesgesundheitsamt

Ob ein eigenes Gesundheitsministerium für Hessen statt des jetzigen, sehr vielfältigen und großen Sozialministeriums, besser geeignet sei, die Probleme im Land anzupacken, wollte die Grünen-Abgeordnete Kathrin Anders nicht in Abrede stellen. Sie verwies aber darauf, dass dies letztlich Sache der Koalitionspartner sei. Viel wichtiger ist ihrer Ansicht nach die Einrichtung des neuen Landesamts für Gesundheit und Pflege in Hessen, das die Professionen bündele und mit mehr Personal und Durchschlagskraft beispielsweise auch die KV besser unterstützen könne.

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Das ärztliche Publikum zeigte sich nicht immer zufrieden mit den Aussagen der Politiker. So wies eine Hausärztin aus Bad Homburg darauf hin, sie habe zeitweise überlegt, eine Zweitpraxis in einem neuen Wohngebiet zu eröffnen. Angesichts der Honorar-und Vergütungsprobleme „habe ich das zum Glück nicht gemacht, sonst wäre ich jetzt über beide Ohren verschuldet“. Auf solche Probleme hätte sie gerne eine Antwort der Abgeordneten gehabt – „und keine Allgemeinplätze“.

Hausärztin Dr. Sabine Olischläger sagte mit Blick auf Patienten, die gleich zu drei oder mehr Ärzten gingen, bis sie die Diagnose hätten, die sie wollten, es seien auch erzieherische Maßnahmen für Patienten nötig. „Auch Patienten muss mal was zugemutet werden, aber darüber redet kein Politiker!“

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