Baden-Württemberg

Digital-Update für Kliniken mit welchem Ziel?

Die neue Landesregierung wird nach dem 14. März alte Probleme vorfinden: Der Umbau der Kliniklandschaft ist eine Dauerbaustelle.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft

Wir müssen die digitale Ertüchtigung der Kliniken flächendeckendhinbekommen: Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft

© KD Busch.com RF (royalty free)

Stuttgart. Wie weiter mit den Krankenhäusern nach der Landtagswahl am 14. März? Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), und Andreas Vogt, Leiter der Landesvertretung der Techniker Kasse, haben nicht immer übereinstimmende Reform-Konzepte. In einem Punkt aber besteht Konsens: Das Land muss sich mehr bei den Investitionskosten engagieren.

Im Jahr 2018 steuerte das Land Baden-Württemberg 455 Millionen Euro zu den Investitionskosten bei. Das sei zwar im Ländervergleich überdurchschnittlich, sagt Einwag. „Dennoch hat die Landesregierung nie ihre gesetzliche Verpflichtung erfüllt“, kritisiert der Volkswirt im Redaktionsgespräch mit der „Ärzte Zeitung“.

Vier statt zehn Prozent Landeszuschuss

Es habe bereits vor Jahren den Konsens gegeben, dass zehn Prozent der Krankenhauskosten vom Land zu finanzieren seien, ergänzt TK-Landeschef Vogt. „Heute liegen wir bei vier Prozent“. Insoweit könne es auch angesichts der schwierigen Finanzlage „keine Abstriche“ bei den Investitionen geben. Einwag verweist dazu auf eine Kalkulation der Investitionsbewertungsrelationen, die das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) vorgenommen hat. Danach kämen die Krankenhäuser im Land –ohne die Unikliniken – auf einen Investitionsbedarf von 750 Millionen Euro im Jahr. „Das werden wir einfordern“, verspricht Einwag.

Andreas Vogt, Leiter der Landesvertretung der TK in Baden-Württemberg

Uns geht es darum, (...) den Einstieg in eineflächendeckend digital vernetzte Versorgung zu schaffen, so Andreas Vogt, Leiter der Landesvertretungder TK in Baden-Württemberg

© Pressefoto Kraufmann&Kraufmann

Positiv bewerten beide den Schutzschirm für Krankenhäuser in der ersten Pandemiewelle: Rund 950 Millionen Euro sind geflossen, davon 80 Millionen für zusätzliche Intensivbetten. Einwag anerkennt, dass der Bundesgesetzgeber „schnell reagiert und das Land das Geld schnell ausgezahlt hat“. Dadurch hätten Liquiditätsprobleme vermieden werden können. Der Umbau der Krankenhauslandschaft geht aus Sicht von Vogt zwar in die richtige Richtung. Mit mehr Investitionsmitteln hätte man aber schneller vorankommen können. Für Einwag indes ist das Tempo schon jetzt „bemerkenswert“: In mehreren Regionen seien aktuell Zusammenlegungen geplant oder man baue bereits Zentralkrankenhäuser. Schon jetzt stünden in Baden-Württemberg 16 Prozent weniger Krankenhausbetten als im Durchschnitt anderer Länder.

Wunsch nach mehr Rückenwind in Bürgerversammlungen

„In absoluten Zahlen stünden 9000 Betten mehr bereit, wenn Baden-Württemberg genau im Durchschnitt läge.“ Bei der Umwidmung oder Schließung von Standorten gehe es immer um die Abwägung zwischen der politisch gewollten Zentralisierung und der flächendeckenden Versorgung. Wenn es in Bürgerversammlungen heiß hergeht, würde sich die BWKG „mehr Rückenwind von denen wünschen, die sonst einen Reformkurs einfordern“, sagt Einwag. Er sehe zum Beispiel nicht, dass die Krankenkassen „mit in der ersten Linie stehen, die den Bürgern erklären, warum Veränderungen nötig sind.“

Einig sind sich Einwag und Vogt in der Bewertung des Krankenhauszukunftsfonds: Aus den bundesweiten Gesamtmitteln von 4,3 Milliarden Euro (davon 1,3 Milliarden Euro von den Ländern) werden rund 500 Millionen Euro in den Südwesten fließen – Geld für ein digitales Update der Kliniken. Die Ersetzung alter Computer durch neue sei dabei nicht das primäre Ziel, mahnt Vogt: „Uns geht es darum, gemeinsam mit der BWGK und der Landesregierung den Einstieg in eine flächendeckend digital vernetzte Versorgung zu schaffen.“

Der TK-Landeschef verweist dazu auf eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG vom Juni 2019 unter Geschäftsführern in Kliniken: 24 Prozent stimmte „eher“ der Aussage zu, ihr Haus habe den Anschluss an die Digitalisierung bereits verloren. „Das muss uns alarmieren“, sagt Vogt. Nötig sei eine Strategie, an deren Ende ein Patient in einem ländlichen Krankenhaus nicht mehr in die Uniklinik gefahren werden muss. Ziel müsse vielmehr sein, „das Expertenwissen aus der Uniklinik in die ländliche Klinik zu holen“.

Einwag mahnt, die Fördermittel müssten auch dafür eingesetzt werden, um die Anschlussfähigkeit der Häuser zu gewährleisten, die bei der Digitalisierung noch nicht weit gekommen sind. „Anderenfalls nutzen uns Leuchtturmprojekte wenig“.

Dass der Bund mit massiven Mitteln in die digitale Ertüchtigung der Krankenhäuser einsteigt, wertet Einwag mit einer gewissen Zurückhaltung. Er sehe er die Schwierigkeiten der Länder, hier ausreichend eigene Mittel aufzubringen. Um so wichtiger sei es daher, dass den Ländern ausreichend Gestaltungsspielräume bleiben, fordert er.

Vor diesem Hintergrund begrüßt der BWKG-Hauptgeschäftsführer, dass im Krankenhauszukunftsgesetz die Bereitstellung von Bundesmitteln davon abhängig gemacht wird, dass auch die Länder sich stärker engagieren. Denn gesucht seien „intelligente Anreizmechanismen“, durch die die Investitionsfinanzierung verbessert wird, so Einwag.

Reform des Rettungsdienstes außen vor

Weitgehend liegen gelassen hat die grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg in der laufenden Legislatur die Reform des Rettungsdienstes. Die Zahl der Leitstellen sollte ursprünglich deutlich verringert und eine einheitliche IT installiert werden.

Dass nun der Bund sich gleichzeitig die Schnittstelle von Rettungsdienst und Notfallversorgung auf die Agenda geschrieben hat, sehen Einwag und Vogt nicht als Mehrwert: „Warum muss Berlin regeln, wer in einer Notaufnahme in Baden-Württemberg den Hut aufhat? Das halte ich für nicht notwendig. Es sollte die Möglichkeit bestehen, landesindividuelle Lösungen zu finden“, fordert Einwag.

Baden-Württemberg sei bei dem Thema ohnehin angesichts der Einrichtung von vertragsärztlichen Notfallpraxen an Krankenhäusern gut aufgestellt. „Die Zusammenarbeit funktioniert alles in allem gut“, konstatiert Einwag.

Rettungsdienst besser dem Sozialministerium zuordnen?

Auch für Vogt ist es keine Option, dass das Land bei der Reform der Notfallversorgung auf Vorgaben durch den Bund warten sollte. Wichtiger wäre aus Sicht des TK-Landeschefs, die Gestaltungshoheit für den Rettungsdienst und die „Blaulicht-Organisationen“ vom Innenministerium auf das für die Gesundheitsversorgung zuständige Sozialministerium zu überführen.

Für die seit Monaten auf Bundesebene tobende Debatte darüber, wer in den geplanten integrierten Notfallzentren den Hut aufhaben soll – KV oder Krankenhausgesellschaft – hat Vogt kein Verständnis: „Das ist eine reine Funktionärsdebatte.“

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