Interview

MHB-Präsident: „Wir wollen die Zahl der Studienplätze deutlich erhöhen“

Sie ist eine der jüngsten Medizinerausbildungen in Deutschland. Die Medizinische Hochschule Brandenburg (MHB) hat nun den zweiten Absolventenjahrgang ins Berufsleben entlassen – und plant mehr Studienplätze und einen neuen Studiengang. Die Ärzte Zeitung sprach mit dem Präsidenten Professor Hans-Uwe Simon.

Benjamin LassiweVon Benjamin Lassiwe Veröffentlicht:
Bekommt aus Kliniken viel positive Rückmeldungen zu seinen Studenten: MHB-Präsident Professor Hans-Uwe Simon.

Bekommt aus Kliniken viel positive Rückmeldungen zu seinen Studenten: MHB-Präsident Professor Hans-Uwe Simon.

© Medizinische Hochschule Brandenburg

Professor Simon, wie ist im Moment die Nachfrage nach einem Medizinstudium in Neuruppin und Brandenburg (Havel)?

Die Nachfrage hat sich gut entwickelt. Wir nehmen im Moment 48 Studierende pro Semester auf. Auf diese 48 Plätze haben sich zuletzt wieder mehr als 300 Interessierte beworben. Im Frühjahr waren es mal etwas weniger, das könnte mit Corona zusammenhängen. Aber derzeit sind wir sehr zufrieden. Aus unserer Sicht liegen wir sowohl in der Qualität des Studienangebots als auch in der Kommunikation nach außen richtig – und wollen deswegen ab dem Sommersemester 2023 auch bis zu 74 statt wie bisher 48 Studierende pro Semester ausbilden.

Wer finanziert diese zusätzlichen Studienplätze?

So wie alle unsere Studienplätze müssen auch diese Plätze zunächst einmal von den Studierenden mittels Studiengebühren bezahlt werden. Die übrigens trotz aller Inflation nicht steigen, sondern sogar sinken: Bislang kostete das Medizinstudium bei uns insgesamt 125.000 Euro, künftig sind es nur noch 118.000 Euro.

Früher hieß es, die Studierenden würden Stipendien erhalten?

So ist es auch heute noch: Etwa zwei Drittel der Studierenden finanzieren sich das Studium bei uns über das Stipendium eines Krankenhauses. Dafür verpflichten sie sich dann, ihre Facharztausbildung in dieser Klinik zu absolvieren. Das sorgt für einen hohen Klebeeffekt: Junge Ärzt:innen, die bei uns ausgebildet wurden, bleiben anschließend im Land Brandenburg.

Und wie ist das mit den zusätzlichen Studienplätzen?

Die Zahl der Klinikstipendien kann nicht im selben Maß mitwachsen, wie wir die Studienplätze erhöhen. Wir reden natürlich mit weiteren Krankenhäusern, in der Hoffnung, mehr Stipendien zu gewinnen. Zum Beispiel können wir uns auch ein Modell vorstellen, bei dem die Förderung erst während des Studiums einsetzt – zumal es zu Beginn des Studiums mitunter schwierig ist, sich auf eine spätere Fachrichtung festzulegen, die dann möglicherweise aber gar nicht von dem Klinikpartner angeboten wird. Unabhängig von einem Stipendium ist eine Finanzierung auch weiterhin mit günstigen Krediten der Sparkasse Ostprignitz-Ruppin möglich.

Könnten denn auch Städte oder Landkreise auf sie zukommen, und ein Stipendium unter der Bedingung vergeben, dass die Stipendiaten anschließend bei ihnen praktizieren?

Bislang sind die Stipendien ja an den Ort der Facharztausbildung gekoppelt. Und was die Kommunen betrifft: Darüber haben wir bislang noch keine konkreten Pläne entworfen. Aber ich glaube, das würde funktionieren. Wir haben ja auch schon Landesstipendien, die ähnlich funktionieren, etwa das so genannte Landärzteprogramm. Wenn eine Stadt Interesse zeigt und auf uns zukommt, werden wir uns mit den Vertretern in Verbindung setzen und einen Plan schmieden. Es ist aber wichtig zu betonen, dass solche Vereinbarungen zwischen Studierenden und Kommune oder Landkreis getroffen werden. Da die MHB bei solchen individuellen Vereinbarungen nicht direkt involviert ist, was auch gut und richtig ist, kann es durchaus sein, dass es diese Modelle in Einzelfällen auch schon gibt.

Sie haben die ersten beiden Jahrgänge von der Uni verabschiedet. Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden?

Wir bekommen von den ärztlichen Kollegen aus unseren Universitätskliniken und unseren kooperierenden Krankenhäusern viele positive Rückmeldungen. Ein Beispiel ist das Klinikum Dessau, das zwar nicht in Brandenburg liegt, aber uns sehr verbunden ist. Die sagen: Eure Studierenden sind viel praktischer unterwegs als die anderer Universitäten. Das liegt vor allem daran, dass wir vom ersten Semester an praktische Ausbildungseinheiten in unseren ambulanten Partnerpraxen und unseren Partnerkliniken anbieten. Für viele Studierende ist es eine große Hürde, in eine Praxis zu gehen, und dort mitzuhelfen. Wenn Praxistätigkeit bereits im Studienplan verankert ist, dann ist man natürlich nach dem Studium von Tag eins an sofort als Ärztin oder Arzt tätig und nicht nur als Zuschauer auf der Station.

Wie ist denn Ihr Verhältnis zur Charitè in Berlin? Gibt es da mittlerweile eine Zusammenarbeit oder einen Austausch?

Einen aktiven, institutionalisierten Austausch gibt es nicht. Aber einzelne Kolleg:innen kooperieren in der Forschung mit der Charitè. Offizielle Abkommen gibt es mit der Charitè aber nicht.

Dafür aber mit der Universität Potsdam und der BTU Cottbus-Senftenberg: Mit ihnen zusammen haben sie eine gemeinsame Fakultät für Gesundheitswissenschaften (FGW). Wo steht die im Moment und wie sehen Sie das?

Für uns ist die Fakultät für Gesundheitswissenschaften eine wichtige Plattform des wissenschaftlichen Austausches und eine Möglichkeit, mit staatlichen Universitäten auch in einer strukturierten Art und Weise zusammenzuarbeiten. Leider hat das Land die finanzielle Unterstützung der staatlichen Universitäten gekürzt. Das hat die Fakultät insgesamt geschwächt. Wir legen aber Wert darauf, dass die Fakultät bestehen bleibt: Über sie haben wir das Promotions- und das Habilitationsrecht. Die Brandenburger Landesregierung hatte der MHB zwar das Promotionsrecht auch ohne den Umweg über die Fakultät für Gesundheitswissenschaften angeboten. Wir empfanden es als politisch nicht klug, vor der Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat – einer Art Hochschul-TÜV – Sonderrechte zu empfangen. Wir wollen das Promotions- und Habilitationsrecht nach der Akkreditierung, die uns Qualität und Leistung bestätigt, beantragen.

Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften war auch immer ihr Forschungsvehikel. Die Forschung ist ja im Blick auf die Akkreditierung immer eine schwache Stelle der MHB gewesen...

Natürlich hilft uns die Fakultät, weil dadurch zusätzliche Forschungsmittel bei uns eingehen. Allerdings laufen in den Kliniken, mit denen wir zusammenarbeiten, ebenfalls zahlreiche Forschungsprojekte, die geeignet sind, die Universitätsmedizin an den unterschiedlichen Standorten der MHB zu entwickeln. Wir beantragen ja jetzt die Akkreditierung: Und wir würden dies nicht tun, wenn wir nicht davon überzeugt wären, dass wir auch hier auf einem guten Weg sind und dies auch anerkannt wird.

Rechnen Sie mit einer Akkreditierung ohne Auflagen?

Ich rechne mit einem insgesamt positiven Ergebnis. Dass natürlich noch Gebiete identifiziert werden, wo es Auflagen geben wird, ist bei einer so jungen Hochschule wie unserer eigentlich zu erwarten.

Ein Thema ist natürlich die geplante staatliche Medizin in Cottbus. Wo stehen Sie und wie gehen Sie darauf zu? Und wie unabhängig wird die MHB von dieser staatlichen Medizin bleiben?

Offiziell hat mit uns noch niemand dazu gesprochen. Grundsätzlich versuchen wir immer, unser bei der Gründung der MHB und dem Aufbau einer Universitätsmedizin erworbenes Wissen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Wenn beim Aufbau der Medizinischen Fakultät in Cottbus unsere Erfahrung und unser Wissen gebraucht werden, stellen wir es gern zur Verfügung.

Würde es neben der Uni-Medizin in Cottbus weiterhin eine Medizinerausbildung der MHB in Neuruppin und Brandenburg (Havel) geben?

Das haben wir vor. Wir glauben, dass es selbst nach einem Aufbau der Fakultät in Cottbus immer noch Platz für eine weitere Ausbildungsstätte gäbe. Wir gehen nicht davon aus, dass die Ärztinnen und Ärzte, die dann in Cottbus ausgebildet werden, bereit wären, sich in großer Zahl etwa im Norden oder Westen Brandenburgs niederzulassen. Eher ist anzunehmen, dass ein Teil der Absolvent:innen aus Cottbus in der Lausitz bleiben und auch nach Sachsen gehen. So, wie auch die MHB heute schon über das Land hinaus ausstrahlt. Das Land wäre deswegen gut beraten, wenn es die Strukturen der MHB aufrechterhält und über 2024 hinaus die finanzielle Zuwendung verstetigen würde.

Neben der Medizinerausbildung gibt es an der MHB einen Psychologie-Studiengang. Und im Gespräch ist die Zahnmedizin. Wie ist da der Stand der Dinge?

Wir haben einen neuen innovativen und approbationskonformen Studiengang in der Psychotherapie entwickelt. Er lehnt sich strukturell an unseren Modellstudiengang in der Medizin an. Dort erfolgt das Lernen problemorientiert in kleinen Gruppen und wir legen Wert auf die Nähe zur Klinik und die praktische Ausbildung. Bei der Zahnmedizin sind wir dagegen noch in der Planungsphase: Als Leitung der MHB wollen wir dieses Studium auf jeden Fall anbieten. Wir arbeiten derzeit daran, unsere Aufsichtsbehörden und Gesellschafter davon zu überzeugen. Da es in Brandenburg diesen Studiengang noch nicht gibt und sich schon heute im Land Brandenburg ein Mangel an Zahnärzt:innen abzeichnet, sollte sich das machen lassen. Allerdings ist Zahnmedizin ein sehr, sehr teures Studium, das größere Investitionen verlangt. Zu deren Finanzierung werden wir noch in diesem Jahr ein Konzept vorlegen.

Wann könnte, eine Zustimmung vorausgesetzt, der Studiengang denn starten?

Aus unserer Sicht wäre das Jahr 2024 hier realistisch. Ein wesentlicher Punkt ist aber noch nicht entschieden: Es braucht für den Studiengang notwendigerweise eine Zahnklinik. Und sie wird von der MHB direkt betrieben werden müssen. Da müssen wir uns überlegen, wo sich das am besten realisieren lässt. Dazu brauchen wir einen Ort mit Bevölkerungswachstum, wo es jetzt relativ wenige Zahnärzt:innen gibt. Dies darum, damit es nicht zu einem Problem für die Zahnklinik wird, wenn sich in ein paar Jahren einige MHB-Absolvent:innen mit einer eigenen Praxis in der Nähe niederlassen.

Das spricht dann für den Berliner Speckgürtel oder für Brandenburg an der Havel?

Da gibt es derzeit mehrere Möglichkeiten, die wir in Betracht ziehen. Entschieden ist da noch nichts, wir sind wirklich erst in der Planungsphase. Klar ist für uns im Moment deswegen nur: Wir wollen einen Studiengang Zahnmedizin für die MHB.

Wir danken für das Gespräch.

Mehr zum Thema

Zweite Brandenburger Krankenhauskonferenz

Woidke: Krankenhausreform schnell voranbringen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

In Zahlen

Ärztemangel? Wir haben mal nachgerechnet

Lesetipps
„Kein Krankenhaus kennt momentan seine Zukunftsperspektive“: Der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Professor Josef Hecken.

© Rolf Schulten

Deutscher Ärztetag

G-BA-Chef Hecken: Mit der Selbstverwaltung reden, nicht über sie!