Neue Fortbildungsreihe in Nordrhein
Müntefering: „Das Alter ist keine Krankheit, sondern eine bestimmte Art zu leben“
Wie altert man gut und gesund? Alter sollte jedenfalls nicht primär als gesundheitliches Defizit gesehen werden, denkt einer der Initiatoren der Fortbildungsreihe „Der ältere Mensch“.
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Die meisten älteren Menschen wollen auch bei Pflegebedürftigkeit lange in den eigenen vier Wänden bleiben.
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Düsseldorf. Bei der Versorgung der wachsenden Zahl älterer Menschen führt in Zukunft kein Weg an einer stärkeren Kooperation der Beteiligten vorbei, glaubt Dr. Frank Bergmann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo). „Wir brauchen flexible Betreuungsmöglichkeiten. Das ist nicht nur eine rein ärztliche Aufgabe, sondern eine Aufgabe, die die Vernetzung der Gesundheitsberufe erfordert“, sagte Bergmann bei der Online-Veranstaltung „Der ältere Mensch“.
Sie war der Auftakt zu einer neuen gemeinsamen Fortbildungsreihe von KVNo, Ärztekammer Nordrhein, dem Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein und der Nordrheinischen Akademie. Sie richtet sich an Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Fachpersonal.
Angebote für die Häuslichkeit
Bergmann verwies auf Prognosen, nach denen bis zum Jahr 2040 der Anteil von Menschen über 80 stark zunehmen wird. „Damit steigt auch die Zahl der multimorbid chronisch Kranken und Pflegebedürftigen, die Unterstützung benötigen.“ Der damit verbundene Bedarf sei absehbar. Gebraucht würden zahlreiche zusätzliche Pflegekräfte und Ärzte, vor allem geriatrisch tätige Hausärzte sowie Fachärzte mit guter geriatrischer Kompetenz. Gefragt seien zudem Experten mit spezifischen Kenntnissen, die Bildung von Netzwerken und der Wille zu Kooperation und Delegation.
„Der Ausbau ambulanter Pflege- und Betreuungsmöglichkeiten ist ein ganz zentrales Thema in der Zukunftsplanung“, betonte der KVNo-Chef. Die meisten älteren Menschen wollten auch bei Pflegebedürftigkeit lange in den eigenen vier Wänden bleiben.
Mit „Häusliche Pflege“ hat die KVNo nach seinen Angaben ein Versorgungskonzept erarbeitet, das den neuen Ansprüchen gerecht werde. Das Konzept basiert auf Paragraf 140a Sozialgesetzbuch V (besondere Versorgung) und konzentriert sich auf Pflegebedürftige mit den Pflegegraden 4 und 5. Das sind in Nordrhein 45 .000 potenzielle Patienten.
Gute Blaupause für häusliche Pflege
„Leider sind wir in der Umsetzung noch nicht wirklich weitergekommen“, berichtete Bergmann. Die Kostenträger gingen solche Programme immer noch mit sehr viel Distanz und Skepsis an, weil sie sich um ihre Finanzen sorgten. „Das ist schade, denn es ist wichtig, dass wir Erfahrungen sammeln.“
Das nordrheinische Modell der „Neurologisch-psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung“ sei eine gute Blaupause für die Gestaltung der häuslichen Pflege, sagte Bergmann. „Das sind Strukturen, die auch auf Ältere zugeschnitten sind.“ Er nannte die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Beteiligten, die zentrale Koordination, die geringen Wartezeiten und die Verfügbarkeit individueller Therapien.
Bei der Sicherstellung der pflegerischen Versorgung können künftig auch Roboter eine Rolle spielen, sagte der Gerontologe Professor Andreas Kruse, Mitglied des Ethikrates. Roboter könnten dazu beitragen, Teilhabemöglichkeiten und Autonomie der älteren Menschen zu erhalten, und auch in der Rehabilitation eingesetzt werden. Dabei könne die Technik aber immer nur ein komplementäres Element sein, betonte Kruse. „Wir können nicht davon ausgehen, dass wir wichtige Kontaktpartner durch Robotertechnologie ersetzen können.“
Ehrenamtliches Engagement nur ergänzend
Auch das ehrenamtliche Engagement sieht er als wichtige Ergänzung zur professionellen Pflege. „Aber das Ehrenamt allein wird zentrale Bereiche der Pflege nicht vollumfänglich substituieren können.“
Haupt- und Ehrenamt müssen bei der pflegerischen Versorgung zusammenspielen, sagte Franz Müntefering, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen. Der ehemalige SPD-Vorsitzende und Vizekanzler warnte davor, das Alter primär als gesundheitliches Defizit zu sehen. „Das Alter ist keine Krankheit, sondern eine bestimmte Art zu leben.“ Natürlich hätten ältere Menschen gesundheitliche Probleme, aber viele können auch das längere Leben genießen, betonte er. „Das Alter macht Spaß, ich kann es nur empfehlen“, sagte der 81-Jährige.