COVID-19-Strategie

Neue Warnwerte statt weiteren Corona-Lockdowns

Nicht nur Inzidenzwerte: Immer mehr Politikerinnen und Politiker sprechen sich für neue Warnwerte und gegen einen erneuten Lockdown bei steigenden Inzidenzwerten aus.

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Aus der Politik mehren sich die Stimmen, in der Coronastrategie nicht nur auf die Inzidenzwerte zu schauen. Im Bild (v.l.n.r.) Manuela Schwesig, Franziska Giffey, Malu Dreyer (alle SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Aus der Politik mehren sich die Stimmen, in der Coronastrategie nicht nur auf die Inzidenzwerte zu schauen. Im Bild (v.l.n.r.) Manuela Schwesig, Franziska Giffey, Malu Dreyer (alle SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

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Berlin. Corona-Inzidenzwerte allein sind nicht mehr aussagekräftig genug: Mehrere SPD-Politikerinnen haben die mittlerweile auch von vielen Ärzten vertretene Auffassung unterstützt, dass der alleinige Blick auf die Corona-Inzidenzen nicht ausreicht für eine adäquate Anpassung der Strategie.

So dringt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer darauf, dass sich Bund und Länder auf einen „neuen Warnwert“ zur Beurteilung der Corona-Lage in Deutschland verständigen. Bei steigenden Impfquoten habe die Sieben-Tage-Inzidenz heute viel weniger Aussagekraft als noch vor einem halben Jahr, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Wichtig sei die Steigerung der Impfquoten. „Und die Bundesländer müssen mit der Bundesregierung zu einem neuen Warnwert kommen. Wir sollten uns rasch auf eine bundeseinheitliche Regelung verständigen.“

Dreyer betonte, die Inzidenz dürfe auch in Zukunft nicht ignoriert werden. „Wir sollten die Zahl der Infektionen pro 100.000 Einwohner aber verknüpfen mit der Lage in den Krankenhäusern: Wer wird eingeliefert, wer muss auf die Intensivstation?“

„Wie viel Grundrechtseinschränkung geht noch?“

Dreyer sprach sich dafür aus, bei der Ministerpräsidentenkonferenz im August über die Aufhebung sämtlicher Corona-Beschränkungen zu beraten. Es stelle sich die Frage: „Wie viel Grundrechtseinschränkung geht überhaupt noch, wenn Ende August alle Erwachsenen ein Impfangebot bekommen haben?“ Einschränkungen für Nicht-Geimpfte bis hin zu Reiseverboten lehnte sie ab. „Das würde vor allem Familien treffen. Selbst wenn die Eltern geimpft sind, könnten Sie nicht reisen, wenn die Kinder nicht geimpft sind“, sagte Dreyer.

Auch die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig hat am Wochenende auf einen neuen „Warnwert“ zur Bewertung der Corona-Lage gedrängt. „Ich unterstütze den Vorschlag, dass sich Bund und Länder auf einen neuen bundeseinheitlichen Warnwert zur Coronalage verständigen, ausdrücklich“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntag). „Wir müssen zukünftig stärker Impfungen und Krankenhausbelastungen berücksichtigen.“

Ampelmodell in Mecklenburg-Vorpommern

Schwesig verwies auf das in ihrem Bundesland geltende Ampelmodell, das die Sieben-Tage-Inzidenz, die Zahl der COVID-Patienten im Krankenhaus und die Auslastung der Intensivstationen berücksichtigt.

Berlins SPD-Vorsitzende Franziska Giffey hält unterdessen einen neuen Lockdown auch im Falle steigender Corona-Zahlen nicht für das richtige Instrument. Planungssicherheit und Perspektiven seien ganz entscheidend für viele Branchen von der Wirtschaft über die Messebranche bis hin zur Kultur. „Schon jetzt muss entschieden und vorbereitet werden, was nächstes Frühjahr stattfinden soll“, sagte die Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Abgeordnetenhauswahl am 26. September.

Planungssicherheit durch die „3 G“

„Und diese Planungssicherheit bekommen wir durch die ‚3 G‘: getestet, genesen, geimpft. Wenn wir entscheiden, wir veranstalten die Grüne Woche oder eine andere große Messe, dann brauchen wir eine verlässliche Planung: Jeder, der reinkommen will, muss getestet, genesen oder geimpft sein. Diejenigen, die das nicht sind, können dann leider nicht teilnehmen.“ Das gelte auch für andere Bereiche.

„Das ist ein Weg, mit dem man absichern kann, dass wir es unabhängig von der Inzidenz schaffen, das normale Leben weitgehend aufrechtzuerhalten“, so Giffey. Die Veranstalter könnten dann planen, Personal einstellen und Tickets verkaufen. „Diese Planungssicherheit braucht es dringend, weil wir sonst keinen Neustart für die Branchen hinkriegen.“

Altmaier: Kein weiterer Lockdown

Heute sei die Situation mit den Test- und Impfmöglichkeiten eine völlig andere als im Vorjahr oder noch zum Jahresanfang. „Wir sind über das Mittel des Lockdowns hinaus.“ Das gilt nach Einschätzung Giffeys auch für die Schulen.

Auch für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kommt eine erneute Schließung von Geschäften und Restaurants in der Corona-Krise nicht infrage. „Wir müssen und werden einen neuen Lockdown verhindern. Er wäre für viele Geschäfte und Restaurants, die bereits monatelang geschlossen waren, verheerend“, sagte Altmaier der „Bild am Sonntag“. Solange keine Überlastung des Gesundheitssystems drohe, gebe es keinen Grund für neue Maßnahmen. Geimpfte oder Jüngere hätten bei einer Infektion meist gar keine Symptome, die Intensivbetten-Kapazität in Deutschland sei weit von ihrer Auslastungsgrenze entfernt. (dpa)

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