Frust in vielen Praxen
Nordrhein: Ärzte setzen am Mittwoch ihre Proteste fort
Am Mittwoch sollen in vielen Praxen nur die Anrufbeantworter mit den Patienten kommunizieren. So will das Bündnis Praxenkollaps auf die Gefährdung der ambulanten Versorgung aufmerksam machen.
Veröffentlicht:Düsseldorf. „Lauterbach steht auf der Leitung“ – unter diesem Motto schalten viele Arztpraxen in Nordrhein-Westfalen am Mittwoch, den 15. November 2023, ihre Telefone und die Möglichkeiten der elektronischen Kontaktaufnahme ab. Es laufen dann nur noch Anrufbeantworter. Hinter der Aktion steht das Bündnis „Praxenkollaps – Nordrhein“. Das aus der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) heraus entstandene Bündnis, an dem insgesamt 36 ärztliche und psychotherapeutische Berufsverbände und Versorgergruppen in Nordrhein beteiligt sind, will auf den befürchteten Zusammenbruch der ambulanten Versorgungsstrukturen durch die politisch vorgegebenen Rahmenbedingungen aufmerksam machen.
„Die wohnortnahe ambulante Versorgung, wie wir sie kennen, ist in akuter Gefahr“, warnte der KVNO-Vorstandsvorsitzende Dr. Frank Bergmann bei einer Pressekonferenz, an der auch die Vorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Nordrhein (KZVNR), Andreas Kruschwitz, und des Apothekerverbandes Nordrhein (AVNR), Thomas Preis, teilgenommen haben.
Alle Heilberufe betroffen
Unmut, Frust, Ärger und Existenzängste unter Vertragsärztinnen und -ärzten seien groß wie selten zuvor, berichtete der KVNo-Chef. Dabei seien nicht nur die Praxen, sondern alle freien Heilberufe betroffen. Eine große Rolle spielten dabei die Budgetierung und die zunehmende Bürokratie. Seiner Ansicht nach ist es an der Zeit, dass die Politik endlich Verantwortung übernimmt – andernfalls werde die vertragsärztliche Versorgung nicht mehr die erforderlichen Leistungen erbringen können.
Erst in der vergangenen Woche hatte „Praxenkollaps – Nordrhein“ eine Aktionswoche veranstaltet. Ihr Motto „Nix gebacken“ sollte sich auf die Arbeit der Gesundheitspolitik beziehen. Die teilnehmenden Praxen hatten an Patienten insgesamt mehr als 100.000 Brötchen und Info-Flyer verteilt.
Dass die Folgeaktion am 15. November stattfindet, hat mit dem sogenannten „Zero Pay Day“ zu tun: Ab dem Tag arbeiten nach Berechnungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung niedergelassene Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Nordrhein und auch bundesweit aufgrund der bestehenden Honorarbudgetierung umsonst. Sie bekommen demnach ihre Leistungen bis zum Jahresende nicht mehr bezahlt.
„Honorarsituation schreckt junge Ärzte ab“
Ein immer größerer Teil der ambulanten Leistungen werde nicht voll vergütet, monierte Bergmann. „Allein in Nordrhein sind von Anfang 2022 bis Anfang 2023 Honorare von knapp 350 Millionen Euro nicht ausgezahlt worden.“ Gleichzeitig sei die Zahl der Behandlungsfälle 2022 bundesweit gestiegen, und zwar um zwei Prozent auf 578 Millionen. Ein großes Problem sei, dass Praxen gestiegene Kosten nicht an die Patienten weiterreichen können. „Die Kolleginnen und Kollegen müssen aus eigener Tasche Geld zuschießen“, so Bergmann.
Unter Berücksichtigung von Personalnebenkosten und Arbeitszeiten verdienen Selbstständige mit eigener Praxis nach Berechnungen der KVNo rund 20 Prozent weniger als eine Oberärztin oder ein Oberarzt in der Klinik. Dabei habe diese Größe eine zentrale Rolle bei der Bewertung von Leistungen im ambulanten Bereich gespielt. „Die unbefriedigende Honorarsituation ist auch für viele junge Ärztinnen und Ärzte ein Argument gegen die Niederlassung“, glaubt Bergmann.