Göttingen

Transplantationsskandal: Ex-Chefarzt verliert Ruhegehalt

Der sogenannte Göttinger Transplantationsskandal zieht weitere Kreise. Nun muss auch ein früherer Leiter der Uni-Abteilung für Gastroenterologie und Endokrinologie bezahlen.

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In die erschlichene Organvergabe waren an der Unimedizin Göttingen mehrere Hände verwickelt. Weshalb auch zehn Jahre später noch immer Verfahren dazu stattfinden.

In die erschlichene Organvergabe waren an der Unimedizin Göttingen mehrere Hände verwickelt. Weshalb auch zehn Jahre später noch immer Verfahren dazu stattfinden.

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Göttingen. Ein früherer Chefarzt und Professor der Göttinger Universitätsmedizin verliert wegen seiner Verwicklung in den so genannten Göttinger Transplantationsskandal sein Ruhegehalt. Das hat das Verwaltungsgericht Göttingen jetzt entschieden.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der frühere Leiter der Abteilung für Gastroenterologie und Endokrinologie dafür verantwortlich war, dass in den Jahren 2009 bis 2011 in mindestens elf Fällen Laborwerte von Patienten manipuliert wurden, um deren Chancen auf die Zuteilung eines Spenderorgans zu erhöhen. Außerdem habe er 2006 von der Familie eines Leberpatienten 30.000 Euro ohne Erstellung einer Rechnung gefordert.

Vertrauensverlust

Er habe diesen ohne Berechtigung vereinnahmten Betrag verschwiegen und erst zwei Jahre später auf schriftlichen Vorhalt abgeführt. Damit habe er die ihm obliegenden Dienstpflichten in so schwerwiegender Weise verletzt, dass ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten sei, der eine Aberkennung des Ruhegehalts gebiete.

Das Verwaltungsgericht stützte sich bei der Urteilsfindung unter anderem auf die Feststellungen, die das Landgericht Göttingen im Mai 2015 in seinem Urteil gegen den früheren Leiter der Göttinger Transplantationschirurgie getroffen hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte den Chirurgen wegen versuchten Totschlags angeklagt, weil dieser durch Manipulationen und falsche Angaben dafür gesorgt habe, dass eigene Patienten bei der Vergabe von Spenderlebern bevorzugt wurden.

Damit habe er billigend in Kauf genommen, dass andere Patienten auf der Warteliste nach hinten rutschen und sterben könnten. Das Landgericht hatte den Chirurgen damals freigesprochen, weil dessen Verhalten zwar moralisch verwerflich, zu der Zeit aber nicht strafbar gewesen sei. In dem Prozess hatten mehrere Zeugen ausgesagt, dass auch der Chefarzt der Gastroenterologie an den Manipulationen mitgewirkt habe.

Mitarbeiter gedrängt, zu manipulieren

Das Verwaltungsgericht hatte in der mündlichen Verhandlung über die Disziplinarklage ebenfalls mehrere Zeugen angehört. Nach Ansicht der Kammer ist dem früheren Chefarzt der Gastroenterologie zwar kein eigenhändiges Handeln nachzuweisen. Er habe jedoch unter Ausnutzung des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses Mitarbeiter dazu gedrängt, die Manipulationen für ihn vorzunehmen. Damit habe der Professor, der sehr autoritär agiert und keinerlei Widerspruch geduldet habe, seine Führungsposition missbraucht.

Die Kammer teile auch die Einschätzung der Universitätsmedizin, dass das vorsätzliche Erschleichen von unberechtigten Organzuweisungen die Grundlagen des ärztlichen Berufs erschüttere.

Der Chefarzt selbst hat jegliche Beteiligung an den Manipulationen abgestritten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Er kann binnen eines Monats dagegen Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Lüneburg einlegen. (pid)

Verwaltungsgericht Göttingen, Az.: 5 A 6/18

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