Pilotprojekt

Über 100 Kliniken planen digitales Patientenportal

Patienten von mehr als 110 vorwiegend bayerischen Kliniken werden demnächst über ein gemeinsam betriebenes Patientenportal virtuell mit ihrem Krankenhaus interagieren können.

Michaela SchneiderVon Michaela Schneider Veröffentlicht:
Unkomplizierter Datenaustausch zwischen Klinik und Patienten. Das soll bald in über 100 vorwiegend bayerischen Krankenhäusern Realität werden.

Unkomplizierter Datenaustausch zwischen Klinik und Patienten. Das soll bald in über 100 vorwiegend bayerischen Krankenhäusern Realität werden.

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München. Digitale Terminvereinbarungen, die Bereitstellung relevanter Untersuchungsdaten per Mausklick, ein unkomplizierter Datenaustausch bei der Entlassung zur Anschlussheilbehandlung: Ein echtes digitales Gesundheitswesen könnte vielleicht schon zeitnah für viele bayerische Patienten Realität werden. Sollte dies gelingen, könnte das Pilotprojekt bundesweite Strahlkraft entwickeln.

Darauf zumindest bauen Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), und Manfred Wendl, Vorstandsmitglied der Klinik Kompetenz Bayern, einem Verbund aus mehr als 60 Kliniken im Freistaat. Nach einer EU weiten Ausschreibung hat Siemens Healthineers jetzt den Zuschlag als Generalunternehmer erhalten und soll ein Patientenportal auf Basis einer digitalen Vernetzungsplattform aufbauen. „Die Herausforderungen in der IT können in Zukunft nicht mehr von jedem einzeln geleistet werden“, sagt Wendl.

Rollout Anfang 2025

In einer Pressekonferenz stellten die verschiedenen Akteure das Projekt heute vor – und rasch war klar, das diesem ein ambitionierter Plan zugrunde liegt: Schon im Sommer 2024 sollen erste Pilotkliniken das künftige Patientenportal testen. Das Roll-Out in allen beteiligten Kliniken ist Anfang 2025 angedacht. Die meisten beteiligten Kliniken greifen dabei auf Fördergelder zurück, die der Bund im Rahmen des „Krankenhauszukunftsgesetzes für die Digitalisierung von Krankenhäusern“ (KHZG) locker gemacht hatte.

Einige erste Zielsetzungen: digitale Terminvereinbarungen mit der Klinik, die auch das Krankenhauspersonal entlasten könnten; Möglichkeiten zum Upload schon existierender Daten, auch um zum Beispiel Doppeluntersuchungen zu vermeiden - ein Gewinn gerade auch für Patienten mit chronischen Krankheiten; die Möglichkeit zur Anmeldung vorab in Ruhe von daheim aus; eine digitale Bereitstellung von Daten und Dokumenten bei der Entlassung zur Anschlussheilbehandlung, mit der der nachbehandelnde Arzt oder das REHA-Team dann weiterarbeiten können.

„Wir sparen insgesamt im System“

Welche Daten der Patient zur Verfügung stelle und welche Daten in der elektronischen Patientenakte landen sollen, bleibe in der Hoheit des Patienten, heißt es in der Pressekonferenz. „Die Digitalisierung spart nicht Geld pro einzelner Behandlung. Aber: Wir sparen insgesamt im System, weil unnötige Behandlungen vermieden werden“, sagt BKG-Geschäftsführer Engehausen. In weiteren Schritten könnten etwa auch Chats oder Videosprechstunden angeboten werden für einen Erstkontakt mit dem Krankenhaus.

Mehr als 100 vorwiegend bayerische, kleine wie große Kliniken machen zum jetzigen Zeitpunkt mit, grob entspricht dies einem Drittel der stationären Grundversorgung im Freistaat. Die im Mai frisch gegründete Klinik IT Genossenschaft (KIT) soll den Aufbau der interoperablen Plattform koordinieren. „Die Genossenschaft hat Großes vor“, sagt deren Vorstand Martin Gösele, der überdies auch Vorstand der schwäbischen Wertachkliniken ist.

Für mehr als 100 Krankenhäuser werde ein Standard gesetzt und sie würden miteinander vernetzt. Für Patienten werde das digitale Krankenhaus Realität. „Wir bauen am Smart Hospital“, sagt Gösele. Und damit soll nicht Schluss sein, auseinandersetzen will sich die Genossenschaft zum Beispiel auch unabhängig vom Patientenportal mit Themen wie IT-Sicherheit und der Datenarchivierung.

„Riesige Chance für elektronische Patientenakte“

Nicht nur, dass sich Engehausen Strahlkraft des Gemeinschaftsprojekts über Bayern hinaus erhofft. In weiteren Schritten, so die Idee, könnten weitere Akteure wie zum Beispiel niedergelassene Ärzte eingebunden werden. Ein Konkurrenzprodukt zur GEMATIK? Ganz im Gegenteil, sagt der BKG-Geschäftsführer, und spricht von einer „riesigen Chance für die elektronische Patientenakte“, die vor allem deshalb nicht vorankomme, weil sie zu wenig genutzt werde und „eigentlich nur Datencontainer“ sei.

„Wir brauchen diese digitale Vernetzung, die nicht jedes Krankenhaus alleine machen kann“, sagt Engehausen. Das wäre verrückt - und würde Wildwuchs schaffen. Wichtig sei, dass sich auch die Industrieseite auf Standards verständige. Die Plattform wird offen angelegt sein, so dass auch Ideen zum Beispiel kleiner Startups eingebracht werden können.

Deutschland „etwas abgeschlagen“

Kaum überraschend freut man sich auch bei Siemens Healthineers über den Zuschlag, Dr. Stefan Schaller, Leitung Siemens Healthineers Central Western Europe, spricht von einem „erfreulichen Meilenstein“. In Österreich oder der Schweiz etwa seien entsprechende Vorhaben bereits umgesetzt, Deutschland sei hier „etwas abgeschlagen“.

Digitalisierung stehe für das global agierende Unternehmen jedoch nicht als Selbstzweck ganz oben auf der Agenda. „Wir können nicht so weiterarbeiten, wie wir arbeiten“, sagt Schaller. Es brauche mehr Effizienz. Und Patienten erwarteten heute entsprechende digitale Angebote.

Der bayerische Kooperationsansatz sei genau der Richtige: „Wir bündeln Kräfte und sind in der Lage, eine mächtige Plattform aufzubauen, die ein einzelnes Haus so wirtschaftlich nicht hätte aufbauen können.“ Was jetzt geschehe, ist laut Schaller nur ein erster Schritt: „Wir bauen das Fundament für ganz viele Lösungen, die wir in Zukunft anbieten werden.“

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