Medica International

50 Jahre Einsatz für die Benachteiligten

Wo immer Menschen unter Kriegen und Konflikten leiden, versucht die Hilfsorganisation Medico International zu helfen.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Anfänglich für die Biafra-Opfer im Einsatz, kümmert sich Medico International heute auch um die Rohingya.

Anfänglich für die Biafra-Opfer im Einsatz, kümmert sich Medico International heute auch um die Rohingya.

© picture alliance / NurPhoto

FRANKFURT/MAIN. Apathische Kinder mit aufgeblähten Bäuchen und spindeldürren Gliedmaßen, weinende Mütter, selbst abgemagert zum Skelett – wer diese Bilder 1968 im Fernsehen sah, den ließen sie nicht mehr los.

In Frankfurt am Main schlossen sich damals Medizinstudenten, Ärzte und Bürger zusammen, um der Hungersnot in Biafra, der bis dahin größten humanitären Katastrophe seit Ende des Zweiten Weltkriegs, zu begegnen.

Man sammelte Medikamente, Kleider, Geld und gründete im Mai 1968, da in Paris die Studenten für Frieden, Gerechtigkeit und die Demokratisierung der Gesellschaft auf die Barrikaden gingen, einen Verein namens Action Medico.

Heute, 50 Jahre später, hat die Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico International 40 hauptamtliche Mitarbeiter, vier Auslandsbüros und einen Jahresetat von gut neun Millionen Euro, mit dem sie rund 120 Projekte in 30 Ländern fördert.

Für die von ihr initiierte Kampagne zum weltweiten Verbot von Landminen erhielt sie 1997 zusammen mit anderen Initiativen den Friedensnobelpreis.

Aus Fehlern gelernt

Beim Neujahrsempfang, zu dem die Organisation in ihr neues Domizil im Frankfurter Osthafenviertel eingeladen hatte, gab es also reichlich Grund zu feiern, und doch waren auch nachdenkliche Töne zu hören.

"Die erste Phase war geprägt von viel gutem Willen und recht wenig Ahnung", sagte beispielsweise Dr. Thomas Seibert, Südostasienreferent bei Medico International, mit Blick auf die Anfänge. Medikamente allein nützten wenig, zumal wenn die Adressaten der Hilfe noch nicht einmal den Beipackzettel lesen könnten.

Aus den Fehlern jener Zeit, da man Tonnen von Arzneien nach Biafra und zwei Jahre später nach Peru brachte, um den von Krieg, Hunger, Erdbeben und Hochwasser geplagten Menschen zu helfen, lernte man schnell.

Die einstige Nothilfe entwickelte sich sukzessive in eine Hilfe zur Selbsthilfe; statt wie früher die Symptome einer Krankheit zu lindern, versucht man seither, die Entstehung der Krankheit zu verhindern.

Um die Verhältnisse zu verändern, muss man sich einmischen, politisch Stellung beziehen, beharrlich und vor allem unbequem sein. Und man muss sich Partner suchen: in den Ländern, deren Entwicklung man fördern möchte, aber auch daheim, in Deutschland und Europa, wo es um Networking und Lobbyarbeit geht.

Selbsthilfe statt Nothilfe

Heute hat die Stimme von Medico, Träger des DZI-Spendensiegels und Mitglied im Bündnis "Entwicklung Hilft", sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene Gewicht.

Egal ob es um die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch den US-Präsidenten, um den türkischen Einmarsch in Syrien, das Schicksal der Rohingya in Myanmar oder deutsche Waffenexporte an Kriegs- und Konfliktparteien geht – stets legt man den Finger in die Wunden und streitet für die Rechte sozial Benachteiligter.

Im Mittelpunkt steht dabei zunächst stets die Forschung nach den Ursachen, die sich häufig auf wirtschaftliche Interessen herunter brechen lassen. "Vertreibung, Hunger, Ausgrenzung", so Medico-Gesundheitsreferentin Anne Jung, "bei allen Konflikten lässt sich ein Anteil der wirtschaftlichen Globalisierung feststellen".

Ein Arbeitsschwerpunkt ihrer Organisation liege derzeit bei Flucht und Migration, sagte Dr. Anne Blum, Vorstandsvorsitzende von Medico International, auf dem Neujahrsempfang in Frankfurt. Insbesondere gehe es dabei um den "Kampf gegen Fluchtursachen und den Einsatz für das Recht zu bleiben".

Diese Thematik spiegelt sich auch im Veranstaltungsprogramm, zu dem die Organisation im Jubiläumsjahr 2018 einlädt. In Vorträgen, Workshops, Podiumsdiskussionen, Lesungen, Filmen und Ausstellungen will man vor allem der Frage nachspüren, was Emanzipation unter den Bedingungen einer voranschreitenden wirtschaftlichen Globalisierung und wachsender sozialer Ungleichheit bedeutet.

Ausstellungen

- Am 1. Juni wird die Ausstellung "Was und wie erinnern?" eröffnet, in der sich Kriegsüberlebende und Geflüchtete aus Afghanistan und Deutschland erinnern (bis 15. Juni 2018).

- Am 29. August beginnt die Ausstellung "Yallah?! Über die Balkanroute", in der an den "March of Hope" Tausender Flüchtlinge von Budapest nach Österreich und deren Ankunft in Deutschland erinnert wird (bis 26. 9. 2018).

Weitere Informationen finden Sie unter www.medico.de

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