Müttergenesungswerk warnt

Ansturm auf Mutter-Kind-Kuren

Die Corona-Pandemie hat viele Eltern unter Stress gesetzt – eine Kur war für viele trotzdem nicht drin. Jetzt ist der Druck so groß, dass das Müttergenesungswerk von einem Ansturm berichtet – und von langen Wartezeiten.

Von Petra Kaminsky Veröffentlicht:
Angestaute Probleme: Kurkliniken sind ausgebucht, die Wartezeiten betragen bis zu einem Jahr. Das Müttergenesungswerk berichtet von einer Zunahme der Kuranträge um 30 Prozent.

Angestaute Probleme: Kurkliniken sind ausgebucht, die Wartezeiten betragen bis zu einem Jahr. Das Müttergenesungswerk berichtet von einer Zunahme der Kuranträge um 30 Prozent.

© Müttergenesungswerk

Berlin. Enge Wohnungen, mehr Stress mit den Kindern und lange verdrängte Probleme: Das Müttergenesungswerk beobachtet 2022 einen Ansturm auf Kuren und Beratungen für Mütter und Väter, bei denen der Stress der Pandemie-Zeit tiefe Spuren hinterlassen hat.

Anlässlich des kommenden Muttertags sprach Geschäftsführerin Yvonne Bovermann von einem hohen Ausmaß der Erschöpfung, das in den Kurkliniken deutlich werde. „Wir merken seit Jahresbeginn und bis heute, dass der Ansturm auf die Beratungsstellen und auf die Klinikplätze enorm ist“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

„Wir haben letztes und vorletztes Jahr wegen der Pandemie stark verringerte Zahlen gehabt“, berichtete sie. Das Müttergenesungswerk stellt im Normalfall rund 50.000 Kurplätze pro Jahr bereit. Nun höre sie von den Expertinnen vor Ort, dass die Zahlen jetzt über denen von 2019/20 – also vor Corona – lägen, sagte Bovermann. „Berichtet wird über eine Zunahme von 30 Prozent, und damit über das hinaus, was rein durch Corona verringert wurde.“

Wartezeiten von bis zu einem Jahr

Viele Eltern hätten trotz des Drucks etwa durch Homeoffice, Corona-Ausgangsbeschränkungen und Schulausfälle aus Vorsicht und wegen der Reise-Risiken mit ihren Kuranträgen gewartet. Deshalb gebe es einen Nachholbedarf. Doch das alleine erkläre den Ansturm nicht. „Wir merken auch, dass die Not größer ist.“

Die Kurkliniken seien demnach stark ausgebucht. Das zeige sich auch daran, dass die Krankenkassen früher von drei Monaten Zeit zwischen Bewilligung der Kur und dem Start ausgingen. Dann sei das in Corona-Zeiten auf sechs Monate verlängert worden. „Jetzt geht es teilweise auf ein Jahr, bis die Menschen die Kur antreten können. Das sei „absurd“, urteilte Bovermann.

„Denn eine stationäre Vorsorge oder eine Reha-Behandlung soll ja schwerere Krankheiten verhindern oder das Fortbestehen der schweren Beschwerden. Wenn ich ein Jahr auf den Kurplatz warten soll, ist das ganz schwierig.“

In den Beratungsstellen sagten die Expertinnen, dass Frauen - und zunehmend Männer, die Rat suchen - „mehr und länger sprechen müssen, über das, was sie belastet. Sie brauchten viel mehr Zeit pro Person. Und aus den Kliniken wird genau das Gleiche berichtet. Dort heißt es, dass das Ausmaß der Erschöpfung deutlich höher ist.“ Auch das Ausmaß der seelisch-körperlichen Krankheiten sei höher.

Heimgeschickt, weil stationäre Behandlung nötig ist

„Die Frauen sind so fertig, die brauchen zwei, drei Tage, bevor es überhaupt losgehen kann“, sagte die Geschäftsführerin der Mütter-Stiftung. „Und die Kinder benötigen nach den Berichten der Experten ebenfalls länger, sind unruhiger, gehen zum Teil über Tische und Bänke.“ Einige Frauen müssten sogar nach kurzer Zeit wieder heimgeschickt werden, weil ihre Krankheitsbilder zu ausgeprägt seien. Sie bräuchten eine andere, stationäre Behandlung.

Eine Studie habe schon kurz vor der Pandemie gezeigt, dass der Kurbedarf bei Eltern viel höher sei als die Platzzahl. Der Bedarf alleine für Mütter könnte danach hochgerechnet bei 2,7 Millionen Frauen liegen. Das bedeute für die aktuelle Lage in den Familien: „Die Menschen müssen es im Alltag schaffen, sich wieder Kraft zu holen und sich zu regenerieren.“

Sie forderte eine gemeinsame Anstrengung des Familienministeriums und des Gesundheitsministeriums, um die Rahmenbedingungen für Eltern zu verbessern. Dass in Deutschland Mütter durch die Pandemie stärker als in vielen anderen Ländern psychosomatisch belastet seien, habe mit den äußeren Bedingungen zu tun.

„Es sollte eine Analyse durch das Familienministerium veranlasst werden, um herauszufinden, warum wir schlechter als andere Länder abschneiden. Und warum braucht es so viele Kuren für die Eltern?“ (dpa)

Mehr zum Thema

Kritik an „Suizidtourismus“ in den USA

Mehrere US-Bundesstaaten wollen Beihilfe zum Suizid erlauben

Glosse

Die Duftmarke: Frühlingserwachen

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“