Autonarr, eitler Unternehmer und edler Stifter

Eine Ausstellung in Dresden würdigt das Leben und das Erbe des Odol-Erfinders Karl August Lingner. Sie beleuchtet einen Mann, der eitel war und Gutes tat.

Von Thomas Trappe Veröffentlicht:
Durch eine damals ausgeklügelte Werbestrategie wurde der Name Odol bald zum Synonym für Zahnhygiene.

Durch eine damals ausgeklügelte Werbestrategie wurde der Name Odol bald zum Synonym für Zahnhygiene.

© dpa

DRESDEN. Die Nachbarn von Karl August Lingner waren nicht erfreut. Als der zu viel Geld gekommene Bürgerliche in die Gegend oberhalb des Elbtals zog, war das Gemurmel bei den Adligen in dem Dresdner Nobelstadteil den Erzählungen nach deutlich zu hören.

Lingner sammelte Mercedes-Autos mit lauten Motoren, in seinem Gartenreich gönnte er sich eine Pavianzucht. Lingner war einer, den man wohl Parvenü nannte. Sein Leben passt zu dem Lingner-Bild, das Dresden heute verehrt, nur bedingt: Stifter des Hygienemuseums, Mäzen im sozialen und kulturellen Bereich, verdienter Erfinder des Mundwassers "Odol", Ehrenbürger.

Wer war dieser Karl August Lingner, der 1861 in Magdeburg geboren wurde? Eitler Industrieller, Exzentriker, Altruist? Vielleicht nichts von allen, wahrscheinlich von allem etwas. Als sich Kuratorin Iris Zschiedrich für die nun beginnende Dauerausstellung im Lingner-Schloss diesen Fragen widmen wollte, hatte sie sich vor drei Jahren eine schwere Aufgabe vorgenommen.

Kaum irgendwas über Lingner ist in den Archiven zu finden, dafür sorgte der Mann schon zu Lebzeiten - er verbrannte fast alles, das Aussagen über sein Leben zulässt. Übrig blieb nach seinem Tod im Jahr 1916 wenig, ein Teil davon wird nun gezeigt.

An einem Tag erschienen weltweit Odol-Anzeigen

Verbrannte Erinnerungen an sein Leben: Karl August Lingner (1911).

Verbrannte Erinnerungen an sein Leben: Karl August Lingner (1911).

© Deutsches Hygiene-Museum

In einem 60 Quadratmeter großen Schloss-Raum liegen in vier Glasvitrinen Lingner-Devotionalien - und Mundwasser. 150.000 Euro stiftete das Unternehmen GlaxoSmithKline, heutiger Inhaber der Marke Odol, für die Restaurierung des Raums, der jetzt mit seinen Lampen im Bauhaus-Stil wieder ausschaut wie zu Lebzeiten von Lingner. Konzipiert wurde die Ausstellung im Auftrag des Fördervereins Lingner-Schloss.

1892 war es, als Lingner mit der Erfindung des Mundwassers Odol seinen Reichtum begründete. Damals, so Ausstellungsleiterin Zschiedrich, machte sich gerade im Bewusstsein der Volksmassen die Gewissheit breit, dass Bakterien die größte Gefahr für den Körper sind. Mundwasser gab es damals viele, doch Lingner schaffte es mit einer aggressiven Werbestrategie, dass Odol bald zum Synonym für Zahnhygiene wurde.

Mehrere Millionen Mark investierte er zum Beispiel in eine konzertierte Werbekampagne - der Name Odol war an einem Tag in fast allen großen Zeitungen der Welt zu lesen. "Das war damals einmalig", so Zschiedrich.

Stilprägend für die damalige Werbekampagne waren allerdings die großflächigen Odol-Plakate und Emaille-Schilder, "so viele, dass man Odol nicht mehr aus dem Weg gehen konnte". Die Plakatmotive, meist junge hübsche lächelnde Menschen, wurden damals von Werbezeichnern angefertigt und haben heute einen eigenen künstlerischen Wert. Die Plakate sollen bald in einem Nebenraum ausgestellt werden. Teile davon sind auch im Dresdner Hygienemuseum zu sehen.

Erfunden wurde die Odol-Zusammensetzung von Richard Seifert, einem langjährigen Freund Lingners, der Unternehmer selbst konzentrierte sich auf die Vermarktung. Zum Durchbruch verhalf dem für damalige Verhältnisse sehr teurem Produkt - ein Prozent des durchschnittlichen Monatseinkommens kostete eine Flasche -, dass es nicht apothekenpflichtig war, im Gegensatz zu anderen, meist nur regional vertriebenen Mundwassern.

Lingner legte Grundstein für Hygiene-Museum

Aus dem Bestand des Unternehmens GlaxoSmithKline stammt ein Großteil der Ausstellungsgegenstände, die Vitrine zum Privatleben muss aus bekannten Gründen mit weniger Material auskommen. Ein vergilbtes Klassenfoto Lingners, ein Familienbild, eine Zeitungsseite, die Lingner während seiner Zeit in Paris anfertigte, eine Totenmaske; viel mehr gibt der Nachlass nicht her.

Iris Zschiedrich behalf sich anders, um einen anderen, weniger bekannten Aspekt aus Lingners Leben zu exemplifizieren. Für 60 Euro ersteigerte sie bei Ebay einen rundum unpraktischen Senfbehälter in Brunnenform - eines der weniger gelungenen Produkte Lingnerscher Erfindungsfreude.

Trotz weniger Zeugnisse über sein Leben ist das bleibend, was er Dresden dauerhaft hinterlassen hat. Mit der Austragung und Finanzierung der ersten Hygiene-Ausstellung 1911 legte der Unternehmer den Grundstein für das heute deutschlandweit bekannte Hygiene-Museum.

Genau wie all seinen Besitz hat er es der Stadt Dresden vermacht. Es ist ein Verdienst der Ausstellung, daran zu erinnern. Und zu zeigen, was ein Unternehmer alles Gutes anrichten kann, wenn er nur eitel genug ist.

Dauerausstellung im Lingner-Schloss, Bautzner Straße 132, Dresden. Öffnungszeiten: 12 bis 17 Uhr unter der Woche, am Wochenende von 12 bis 18 Uhr.

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