Hörbücherei

Blind am Herd

Sie wurde gegründet, als die ersten Tonbandgeräte in Privathaushalten auftauchten. Die Deutsche Blinden-Hörbücherei in Marburg wird 60 - und hat das erste Kochbuch für Blinde im Angebot.

Von Gesa Coordes Veröffentlicht:
Vorführung zum Jubiläum: Gourmetkoch Ömür Akkor hat ein Kochbuch für Blinde geschrieben. Rezepte probierte er unter der Augenbinde aus.

Vorführung zum Jubiläum: Gourmetkoch Ömür Akkor hat ein Kochbuch für Blinde geschrieben. Rezepte probierte er unter der Augenbinde aus.

© Coordes

MARBURG. Die älteste und größte Blindenhörbücherei Deutschlands wird 60 Jahre alt. Knapp 42 000 Krimis, Romane, Fachbücher und Zeitschriften können sich die Hörer der ungewöhnlichen Bibliothek ausleihen, die zur Marburger Blindenstudienanstalt gehört.

Zum Jubiläum präsentiert sie das erste deutsche Kochbuch für Blinde und einen neuen Online-Katalog.

Brennroboter produziert Hör-CD

Der sehr ausgereifte, auch für Smartphones geeignete Katalog erfasst die gesamte in Deutschland verfügbare Literatur für Blinde - egal, ob sie in Punktschrift oder als Hörbuch vorliegt. Sehbehinderte können nach Titel, Autor und Schlagworten suchen und die Bücher auf ihre Ausleihliste setzen.

Das gewünschte Buch wird dann auf eine Ausleihliste gesetzt und ein Brennroboter produziert automatisch eine Hör-CD für den Postversand. Jedes Werk kann zentral über die Blindenstudienanstalt bestellt werden (www.katalog.blista.de).

Bereits vor 60 Jahren, als die ersten Tonbandgeräte in den Privathaushalten auftauchten, waren die Marburger die ersten, die auf die neue Technik setzten. Besonders für Menschen, die erst im Alter ihre Sehkraft verloren hatten, war dies eine große Veränderung. "Punktschrift lernt man mit 60 oder 70 Jahren nicht mehr so leicht", erinnert Blista-Direktor Claus Duncker.

 Seitdem hat sich die Technik massiv verändert. Auf die Tonbänder folgten die Kassetten, von denen allerdings viele gebraucht wurden. Wer Buchheims "Die Festung" lesen wollte, musste 43 Kassetten einlegen. Heute reicht eine einzige CD.

2004 stellte die Blista auf die digitale Produktion um, für begeisterte Leser wie Thorsten Büchner ein "Quantensprung", weil der begehrte Lesestoff seitdem viel schneller und viel umfangreicher produziert werden kann.

Die CDs lassen sich auf normalen MP3-Playern abspielen. Dazu gibt es inzwischen so genannte "Daisy-Player", mit denen blinde Leser fast wie Sehende in Büchern blättern und von Kapitel zu Kapitel springen können.

Auch Bandsalat und lästiges Spulen ist mit den CDs vorbei. "Wer einmal Harry Potter auf 16 Kassetten gelesen und erlebt hat, wie eine runterfällt…", sagt Büchner rückblickend.

Bundesweit 14.000 Kunden

Deutsche Blinden-Hörbücherei

Schwerpunkt der Büchereiarbeit ist Fach-, Sach- und wissenschaftlichen Literatur.

Zwanzig Sprecherinnen und Sprecher mit spezieller Ausbildung stehen als freie Mitarbeiter bereit, um die Projekte der Bücherei zu realisieren.

Eine Kommission entscheidet über die zu produzierenden Bücher – wichtiges Kriterium sind dabei spezielle Hörerwünsche.

Heute werden jedes Jahr bis zu 130.000 CDs an die 14.000 Kunden aus ganz Deutschland versendet. Etwa zwei Drittel der Hörer sind älter als 65 Jahre.

Die Älteste ist 105 Jahre alt, die Jüngste sieben. Viele der 2000 jährlich neu eingestellten Bücher werden in Marburg produziert. Dazu lesen 27 freie Sprecher Bücher und Zeitschriften auf - nicht nur Belletristik und Krimis, sondern auch sehr viele Sachbücher.

Seit 1980 wird jede Woche das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" aufgenommen. Bereits am Montagabend liegt es als Download vor, mittwochs als CD im Briefkasten.

Im Jubiläumsjahr gibt es eine Premiere: Der preisgekrönte türkische Gourmetkoch Ömür Akkor hat ein Kochbuch für Blinde geschrieben, das nun übersetzt, in Punktschrift und als CD herausgebracht wurde.

Alle Rezepte hat er selbst unter der Augenbinde ausprobiert. Besonders zu empfehlen: "Paradiesschlamm", eine von Pistazien dominierte Köstlichkeit aus dem osmanischen Reich.

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