Dr. Matthias Jöllenbeck

Bundesliga-Schiedsrichter im Arztkittel

Dr. Matthias Jöllenbeck ist Arzt in Weiterbildung an der Uniklinik Freiburg und seit vier Jahren als DFB-Schiedsrichter im deutschen Profifußball im Einsatz. Im Interview mit der „Ärzte Zeitung“ spricht der Freiburger über sein Leben zwischen Klinikalltag und Bundesliga-Zirkus und erzählt, wie ihm der Arztberuf auf dem Platz hilft und welche besonderen Herausforderungen die Corona-Pandemie den Schiedsrichtern beschert.

Thorsten SchaffVon Thorsten Schaff Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: Herr Dr. Jöllenbeck, Sie sind Arzt in Weiterbildung in der Orthopädie und Unfallchirurgie an der Uniklinik Freiburg und seit vier Jahren als DFB Schiedsrichter im deutschen Profifußball im Einsatz. Wie bringen Sie diese beiden Tätigkeiten dauerhaft unter einen Hut?

Dr. Matthias Jöllenbeck: Ich habe eine Teilzeitstelle mit 60 Prozent und arbeite nur drei Tage die Woche: Dienstag, Mittwoch, Donnerstag. Der hohe Zeitaufwand als Schiedsrichter in der Bundesliga lässt nicht mehr zu. Das liegt daran, dass die Einsätze sehr kurzfristig kommen. Wir bekommen vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) zehn Tage vor dem Spiel Bescheid und können dann erst die Planung beginnen. Zu dem Zeitpunkt stehen natürlich die Dienstpläne für die Angestellten im Krankenhaus schon lange.

Dr. Matthias Jöllenbeck pfeift in der nun beginnenden Saison auch erstmals Spiele der Bundesliga.

Dr. Matthias Jöllenbeck pfeift in der nun beginnenden Saison auch erstmals Spiele der Bundesliga.

© Sportfoto Zink via Eibner-Presse

Dieses Teilzeit-Modell gibt mir die Möglichkeit, meiner zweiten Leidenschaft neben dem Arztberuf nachzukommen und als Schiedsrichter auf dem Platz zu stehen. Ich weiß, es ist nicht alltäglich, eine solche Stelle und solche Arbeitszeiten zu haben. Ich bin meinen Vorgesetzten und vor allem meinen Kollegen sehr dankbar dafür, dass sie mir den Rücken freihalten.

Hilft Ihnen Ihr Beruf für die Arbeit als Schiedsrichter oder ist es eher so, dass Sie als Arzt von Ihrer Erfahrung als Schiedsrichter profitieren?

In der Tätigkeit als Arzt und Schiedsrichter gibt es einige Gemeinsamkeiten. Ein verbindendes Element ist, dass man Entscheidungen treffen muss und für diese auch geradestehen muss. Man hat ja eine große Verantwortung. Und man muss in beiden Fällen Menschen führen können, auch in Stress- und Drucksituationen. Bei mir war es so, dass ich mit 16 Jahren als Schiedsrichter anfing und dann den alten Hasen schon sagen musste, wo es langgeht. Dadurch habe ich früh gelernt, mich durchzusetzen.

Auf dem Platz habe ich natürlich deutlich weniger Zeit zu entscheiden als im ärztlichen Umfeld. Gerade als Arzt sollten die Entscheidungen, die man trifft, auch wegen der Relevanz gut und wohlüberlegt sein. Das kann man nicht in Sekundenbruchteilen tun wie als Schiedsrichter.

Was ich besonders in meiner Arbeit als Arzt gelernt habe, ist, dass man erkennen muss, wo seine Grenzen sind. Wenn man Gefahr läuft, falsch zu entscheiden, sollte man sich Hilfe von seinen Kollegen holen. Sowohl in der Orthopädie und Unfallchirurgie als auch beim Fußball werden Fehler ja schnell aufgedeckt. Im Fußball gibt es den TV-Bildschirm, in der Orthopädie und Unfallchirurgie das Röntgenbild. Deswegen gilt es in beiden Bereichen, sich gut vorzubereiten und Fehler zu vermeiden.

Wie hat sich Ihr Leben als Arzt und Schiedsrichter seit Beginn der Coronavirus-Pandemie verändert?

Im Vergleich zu vielen anderen Berufen konnten wir Ärzte während des Corona-Lockdowns ja weiterarbeiten. Wenn man sich in der Gesellschaft umhört, war das ein großes Glück. In der Uniklinik hatten wir Corona-bedingt andere Dienstpläne, wir hatten Notfallpläne und haben uns sehr intensiv auf die Akutphase vorbereitet. Im Klinikbetrieb wurden natürlich durch die Hygienemaßnahmen Abläufe umstrukturiert und verändert – aber für mich hat sich im Arbeitsalltag als Arzt nicht viel geändert.

Als Schiedsrichter wusste ich ja lange nicht, wann es mit Fußball weitergeht, das hat die Phase schwierig gemacht. Ich bin ja auch Sportler und muss im Rhythmus bleiben. Wie die Spieler stehen wir Schiedsrichter auch unter Leistungsdruck. Ich habe mich also fit gehalten und trainiert und Online-Seminare beim DFB gemacht, um gedanklich in der Materie zu bleiben. Ich war aber ganz froh, dass ich noch diese Tätigkeit als Arzt hatte, die mir einen normalen Alltag ermöglicht hat.

Dr. Matthias Jöllenbeck

  • Arzt in Weiterbildung in der Orthopädie und Unfallchirurgie an der Uniklinik Freiburg
  • DFB-Schiedsrichter seit 2016; bisher 35 Spiele in der 2. Bundesliga geleitet, gehört nun erstmals zum erweiterten Kreis der Erstliga-Schiedsrichter
  • Geboren am 16. Februar 1987
  • Wohnort: Freiburg

Blicken wir auf Ihre Schiedsrichter-Karriere: Sie haben nach Angaben des DFB bislang 35 Zweitligaspiele geleitet und waren mehrmals in der Bundesliga als Schiedsrichter-Assistent und Video-Assistent im Einsatz. Was war das Highlight?

Das war das DFB-Pokalfinale 2019. Ich war als Schiedsrichter-Assistent beim Spiel Bayern gegen Leipzig eingesetzt – vor 76.000 Zuschauern im ausverkauften Olympiastadion. Wer mal bei einem Pokalfinale in Berlin dabei war, der weiß, dass dort eine besondere Atmosphäre herrscht. Das mitzuerleben und am Pokalfinale teilhaben zu dürfen, das war unvergleichlich und einmalig.

Ein neues Highlight steht bevor: Sie gehören erstmals zum erweiterten Kreis der Erstliga-Schiedsrichter und werden nun auch in der Beletage des deutschen Fußballs pfeifen.

Ja, das ist eine Nominierung, über die ich mich sehr gefreut habe. Was viele nicht wissen, denen das Schiedsrichterwesen nicht ganz geläufig ist: Zu jedem Spiel kommt ein Schiedsrichter-Beobachter, der unsere Leistung bewertet. Genauso wie die Mannschaften stehen auch wir im Wettbewerb. Bei uns geht es somit in jedem Spiel um Auf- oder Abstieg.

Dass ich nun die Chance habe, den nächsten Schritt zu machen und in der Bundesliga Spiele zu leiten, ist natürlich ein tolles Gefühl. Ich freue mich ungemein darauf, in der Bundesliga aktiv zu sein. Ich weiß natürlich, dass meine Entscheidungen auf dem Platz weitreichende Folgen haben können für die Spieler und Mannschaften. Fußball ist ja ein Millionen-Geschäft. Aber ich hatte noch nie das Gefühl, dass mich dieser Druck irgendwie hemmt.

Das Interview gibt es als „ÄrzteTag“-Podcast zum Anhören. Im ausführlichen Gespräch berichtet Dr. Matthias Jöllenbeck außerdem über seine mentale Spielvorbereitung und erzählt, wie sich die Fußballspiele in der Corona-Zeit verändert haben und welchen Einfluss die Zuschauer in den Stadien auf die Schiedsrichter haben.

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