Entscheidung voraus

Dürfen geistig Behinderte an Wahlen teilnehmen?

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet in Kürze, ob Menschen mit Betreuung an der Europawahl teilnehmen dürfen. Der Sozialverband VdK hält das für überfällig.

Veröffentlicht:
Menschen mit gerichtlicher bestellter Betreuung sind derzeit von Wahlen ausgeschlossen. In Zukunft könnten sie politische Mitbestimmung erhalten.

Menschen mit gerichtlicher bestellter Betreuung sind derzeit von Wahlen ausgeschlossen. In Zukunft könnten sie politische Mitbestimmung erhalten.

© magele-picture / stock.adobe.com

KARLSRUHE. Die Vorsitzende des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, hält viele geistig Behinderte für durchaus in der Lage, eine begründete Wahlentscheidung zu treffen. Das machte Bentele am Montag kurz vor der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über ein Europawahl-Stimmrecht für betreute Menschen deutlich.

„Ich meine, dass man die Person unterstützen muss, wie sie Informationen bekommt“, sagte sie. Darauf müsse sich die Diskussion konzentrieren, „nicht so sehr auf die Frage, wer in der Lage ist, eine Wahlentscheidung zu treffen, das hinterfragen wir sonst ja bei auch keinem“.

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am Nachmittag über einen Eilantrag zur Teilnahme von Menschen mit gerichtlich bestellter Betreuung an der Europawahl im Mai. FDP, Linke und Grüne im Bundestag haben eine einstweilige Anordnung beantragt, um dies kurzfristig noch zu ermöglichen. Eine Entscheidung will der 2. Senat direkt im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkünden.

BVerfG: Verstoß gegen das Grundrecht

Hintergrund ist die Entscheidung des Gerichts vom 29. Januar, dass der Ausschluss von Menschen mit gerichtlich bestellter Betreuung von Wahlen gegen das Grundgesetz verstößt. Der Bundestag hat inzwischen einen Antrag von Union und SPD angenommen, der ein inklusives Wahlrecht für die mehr als 80.000 Betroffenen von Juli an vorsieht.

„Was mich an der Sache so wahnsinnig ärgert ist, dass wir diese Sache schon seit Jahren fordern“, sagte Bentele. Sie habe eine entsprechende Regelung schon 2013 in ihrer Funktion als Behindertenbeauftragte der Bundesregierung verlangt. Aber der Bundestag habe mit einer entsprechenden Entscheidung auf das Verfassungsgericht in Karlsruhe gewartet und lange nichts gemacht.

Welche Bedenken gibt es gegen eine Freigabe?

In manchen anderen EU-Staaten gibt es keine solchen Wahlausschlüsse, etwa in den Niederlanden oder Österreich. Das deutsche Recht – ein Ausschluss ist in Paragraf 13 des Bundeswahlgesetzes geregelt – könnte ohnehin gegen die EU-Behindertenrechtskonvention verstoßen – diese ist vor knapp zehn Jahren in Kraft getreten.

Befürworter des Ausschlusses befürchten einen Missbrauch des Wahlrechts durch manchen Betreuer. (ajo, teilweise mit dpa-Material)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Grundrechte vs. Bürokratie

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

5 Kriterien der Charité

ME/CFS-Diagnose: So gehen Sie in der Hausarztpraxis vor

Erfolgreiche Teamarbeit

HÄPPI: So gelingt die Delegation in Hausarztpraxen

Lesetipps
Mit einer eher seltenen Diagnose wurde ein Mann in die Notaufnahme eingeliefert. Die Ursache der Hypoglykämie kam erst durch einen Ultraschall ans Licht.

© Sameer / stock.adobe.com

Kasuistik

Hypoglykämie mit ungewöhnlicher Ursache