INTERVIEW

Ein Professor kümmert sich um Gesundheit nur von Männern

Männer sind "außen hart und innen ganz weich, werden als Kind schon auf Mann geeicht", sang einst Herbert Grönemeyer in seinem "Männer"-Lied. Einer, der sich um die verletzliche Seite der Männer kümmert, ist Dr. Frank Sommer. Er ist der nach seinen Angaben weltweit erste Professor für Männergesundheit an der Uni Hamburg. Mit ihm sprach "Ärzte Zeitungs"-Mitarbeiter Pete Smith über das, was Männer in seiner Sprechstunde bewegt.

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Bis ins hohe Alter fit bleiben: Diesen Anspruch stellen immer mehr Männer an sich, so die Erfahrung von Professor Frank Sommer.

Bis ins hohe Alter fit bleiben: Diesen Anspruch stellen immer mehr Männer an sich, so die Erfahrung von Professor Frank Sommer.

© Foto: dpa

Ärzte Zeitung: Grönemeyer schrieb seine Männer-Hymne 1984 und fragte: "Wann ist ein Mann ein Mann?" Was hat sich seither geändert?

Sommer: Der Druck von außen wird größer. Das betrifft nicht nur die geistige Fitness, sondern vor allem die körperliche. Ich habe erst letzte Woche einen 52-jährigen Patienten gehabt. Der hat gerade neu geheiratet, will Kinder und fragte mich: Wie schaffe ich es, die nächsten 20 Jahre so fit zu bleiben, dass ich für meine Kinder ein guter Vater bin? Ein anderer Patient ist 65, geht demnächst in Rente und will dann mit seiner Frau die Welt bereisen, also bis ins hohe Alter aktiv bleiben.

Ärzte Zeitung: Frauen leben statistisch gesehen länger als Männer. Woran liegt's?

Sommer: Es gibt über 300 verschiedene Theorien hierüber. Man kann sie aber auf zwei Erklärungen herunterbrechen: Das eine ist die biologisch-genetische Determinante, das andere sind die äußeren Einflüsse. Die maximale Lebensspanne ist genetisch vorgegeben, aber die äußeren Einflüsse reduzieren die Lebenserwartung, die wir bei optimalen Bedingungen erreichen könnten.

Ärzte Zeitung: Also könnten Männer aufholen, wenn sie gesünder lebten. Immerhin sind sie doppelt so häufig chronisch krank wie Frauen und häufiger als diese übergewichtig.

Sommer: Das Problem ist: Frauen leben in ihrem Körper, Männer benutzen ihren Körper. Ein Beispiel: Der Arzt, der sich niederlassen will, weiß, dass er die nächsten Jahre ranklotzen muss und wahrscheinlich keinen Urlaub nehmen kann. Er benutzt all seine Kraft, um sein Ziel zu erreichen, und in dieser Zeit ist ihm egal, was mit seinem Körper passiert. Das ist bei über 85 Prozent der Männer so. Frauen sind da anders. Sie würden Alarmsignale deuten und viel eher auf die Bremse drücken.

Ärzte Zeitung: Der Titel Ihres Buchs "Steh Deinen Mann!" weist in seiner Doppeldeutigkeit auf das Thema Sex hin. Welche Bedeutung hat die Sexualität für Männergesundheit?

Sommer: Diese Bedeutung hat in den vergangenen Jahren immens zugenommen. So kann man anhand der Penisgefäße inzwischen prognostizieren, wie wahrscheinlich es ist, dass der Mann in den nächsten sieben bis zwölf Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommt. Im erwachsenen Körper gibt es kein anderes Gefäß, das eine solche Leistung vollbringen muss. Es ist eine Antenne, die angibt, wie es im gesamten Gefäßsystem aussieht.

Ärzte Zeitung: Sind es denn vor allem sexuelle Probleme, die Männer zum Arzt treiben?

Sommer: In der Tat ist es heute oft so, dass der Erstkontakt aufgrund von Erektionsstörungen erfolgt. 1999 wurde auf dem amerikanischen Kardiologenkongress eine Studie vorgestellt, die dies belegt. Die Untersuchungsgruppe bestand aus 50 Männern, die sich mit Erektionsstörungen zum ersten Mal bei ihrem Hausarzt vorstellten. Alle bekamen einen kompletten Checkup mit Belastungs-EKG und Koronar-Angiographie. 40 Prozent von ihnen hatten signifikante Koronarstenosen. Bei einer anderen Studie mit 1000 Männern, die zum ersten Mal mit Erektionsstörungen beim Hausarzt vorsprachen, hat man festgestellt, dass 23 Prozent der Männer Probleme mit ihrem Glukosehaushalt hatten. Die Sexualität ist also eine Einstiegspforte in die Männergesundheit.

Ärzte Zeitung: Sie haben an der Universität Hamburg eine Sprechstunde für Männer eingerichtet. Was sind deren häufigsten Fragen?

Sommer: Es gibt eine typische Trias: erstens Sexualitätsprobleme, in der Regel Erektionsstörungen, zweitens Übergewicht und drittens Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Leistungsverlust - das sind die klassischen Symptome, mit denen Männer zu mir kommen. Darüber hinaus gibt es aber auch Männer, die mit mir eine Lebensstiländerung diskutieren wollen.

Ärzte Zeitung: Was raten Sie Männern in Ihrer Sprechstunde, um etwas für ihre Gesundheit zu tun? In punkto Sport und Bewegung …

Sommer: Besorgt Euch einen Schrittzähler! Wir nehmen zwischen dem 35. und 55. Lebensjahr durchschnittlich 15 Kilo an Fett zu, im Jahr also 0,5 bis ein Kilo, am Tag sind es nur wenige Gramm. Im Mittel fehlen den meisten Männern zum Ausgleich 400 Schritte am Tag. Und, Männer, bitte versucht zwei Mal in der Woche ein zehn- bis zwanzigminütiges Krafttraining zu absolvieren. Das können ordinäre Liegestütze sein. Für das Herz-Kreislauf-System ist es wichtig, die Muskulatur zu stimulieren.

Ärzte Zeitung: Ernährung …

Sommer: Bunt ist gesund! Drei Mal pro Woche einen bunten Salat zu essen, fördert die Gesundheit. Bei den Süßigkeiten sollte man statt zu Chips lieber zu Gummibärchen greifen.

Ärzte Zeitung: Lebensweise …

Sommer: Bleibt bei euren Frauen! Studien haben gezeigt, dass Männer gesundheitlich von ihrer Partnerin stark profitieren. Im Übrigen mehr als die Frauen von ihren Männern.

Ärzte Zeitung: Sex …

Sommer: Es gibt zum Beispiel spezielle Beckenboden-Übungen, die die Standfestigkeit des Mannes stärken. Ein Intervall-Training erhöht zudem die Durchblutung des Schwellkörpers. Wenn man sich beim Joggen oder im Fitness-Studio 30 bis 45 Sekunden sehr stark beansprucht, danach drei bis fünf Minuten locker weiterläuft und die Übungen drei Mal wiederholt, wirkt das Wunder.

Ärzte Zeitung: Sie sind der weltweit erste Professor für Männergesundheit. Ist Deutschland hier Vorreiter?

Sommer: In der Tat sind wir Deutschen hier allen Nationen voraus. Auch die Medien in Deutschland waren hier Vorreiter. Das Uniklinikum Hamburg war hier sehr innovativ, weil es erkannt hat, dass man mehr für den Mann tun muss und auch mehr spezielle Forschung betreiben muss. In den USA denkt man erst darüber nach, einen Lehrstuhl für Männergesundheit einzurichten.

Das Buch "Steh Deinen Mann! Die besten Tipps für Gesundheit, Glück und Sex" von Frank Sommer und Michael Schophaus ist erschienen im Kösel Verlag, München 2007, 176 Seiten, 17,95 Euro, ISBN: 978-3-466-30764-7.

ZUR PERSON

Professor Frank Sommer ist der weltweit erste Hochschullehrer für Männergesundheit. Seit 2005 ist der 40-jährige Urologe, Androloge und Sportmediziner Lehrstuhlinhaber für Männergesundheit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten ist er vielfach ausgezeichnet worden, unter anderen mit dem Forschungspreis des Europäischen Urologenkongresses (1996 in Paris) und dem Paul-Mellin-Gedächtnispreis. Seit 2005 ist Sommer Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit. 1997 wurde Sommer zudem Hessischer Fitness-Aerobic-Meister. (Smi)

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