Entdeckungstour im Hochsicherheitslabor

Gibt es in Deutschland einen Verdacht auf Ebola oder Lassa, dann kommen Forscher aus Marburg ins Spiel. Sie arbeiten hinter schusssicheren Fenstern.

Von Gesa Coordes Veröffentlicht:
Im ersten deutschen Hochsicherheitslabor auf den Marburger Lahnbergen dürfen nur 14 Forscher arbeiten.

Im ersten deutschen Hochsicherheitslabor auf den Marburger Lahnbergen dürfen nur 14 Forscher arbeiten.

© Rolf Wegst

MARBURG. Die gefährlichsten und rätselhaftesten Viren der Welt verbergen sich in einer großen Edelstahltonne mit flüssigem Stickstoff: Ebola-, Lassa-, Nipah- und Marburgviren stecken tief gekühlt in sorgfältig verpackten Röhrchen. Wenn der Marburger Virologe Markus Eickmann mit den Killerviren arbeitet, trägt er einen weißen Schutzanzug, der an einen Astronauten erinnert. Da es darin heiß und laut ist, darf niemand länger als vier Stunden arbeiten.

Markus Eickmann leitet das Hochsicherheitslabor auf den Marburger Lahnbergen, das im Dezember sein dreijähriges Jubiläum feiert. Vergleichbare Einrichtungen dieser höchsten Sicherheitsstufe gibt es in Europa nur in Stockholm und Lyon.

Angst vor einer Infektion hat Eickmann nicht. "Respekt" nennt er das Gefühl, das er den nur unter dem Elektronenmikroskop sichtbaren Viren entgegenbringt. "Das größte Risiko, das wir haben, ist die Sabotage von innen", sagt der 44-Jährige. Deswegen gibt es nur 14 Forscher, die den hermetisch abgeriegelten Trakt in dem fünfstöckigen Gebäude betreten dürfen.

Sie arbeiten mindestens zwei Jahre im Institut, bevor sie das monatelange Spezialtraining absolvieren. "Anfangs denkt man stark daran, dass die Erreger lebensgefährlich sind. Aber dann gewöhnt man sich daran", erzählt Eickmann. Deswegen wird Routine vermieden.

Im Labor können die Forscher durch mehrere schusssichere Fenster die Eichhörnchen im angrenzenden Wald beobachten. Ansonsten herrscht Hightech pur. Der unter Unterdruck stehende Trakt ist fast luftdicht von der Außenwelt abgeschottet. Wer ihn betreten will, muss ein Schleusensystem mit Zahlencodes, Schlüsseln und Chipkarten durchlaufen. Die Forscher tragen neben dem Schutzanzug drei Paar Handschuhe und werden von Kameras überwacht.

Nicht einmal Putzfrauen dürfen ins Labor. Wer dort wischt, hat in der Regel einen Doktortitel. Kürzlich haben die Mitarbeiter geübt, wie man einen Forscher aus dem Labor schleppt, der ohnmächtig geworden ist - passiert ist das noch nie.

Im neuen Labor wird Grundlagenforschung betreiben, die Wissenschaftler entwickeln auch neue Diagnosemethoden, Impfstoffe und Therapien.

Arbeit im Schutzanzug: Bis zu vier Stunden ohne Unterbrechung sind erlaubt.

Arbeit im Schutzanzug: Bis zu vier Stunden ohne Unterbrechung sind erlaubt.

© Rolf Wegst

Wenn irgendwo in Deutschland der Verdacht auf Ebola, Lassa, Pocken oder andere gefährliche Viren besteht, machen die Marburger Wissenschaftler fast immer Überstunden. Sie gehören zu den ersten Ansprechpartnern, wenn Pandemien drohen. Die Marburger waren daran beteiligt, dass der Erreger von Sars bereits zwei Wochen nach dem ersten Verdachtsfall identifiziert werden konnte. Per Hubschrauber wurden Blut- und Speichelproben der Kranken aus der Frankfurter Isolierstation in die Universitätsstadt geflogen: "Bei Sars haben wir wirklich sehr viel Glück gehabt", sagt Eickmann. Nur durch die sehr rigiden Quarantäne-Maßnahmen der Chinesen sei die Ausbreitung rechtzeitig gestoppt worden.

Als die Schweinegrippe ausbrach, befürchteten die Marburger Forscher ähnliche Gefahren. Monatelang arbeiteten die Institutsmitarbeiter 60 bis 70 Stunden pro Woche, um die hessischen Verdachtsfälle zu untersuchen. Schon nach drei Tagen hatten die Forscher einen Nachweis für das Virus. Zudem entwickelten sie einen Prototyp eines Impfstoffs gegen die Schweinegrippe.

Eickmanns Lieblingsvirus ist der weitgehend unbekannte CCHF-Erreger, der das oft tödlich verlaufende Krim-Kongo-Fieber auslöst. Es wird hauptsächlich durch Lederzecken und Schafe übertragen. Regelmäßig tritt es in Nordafrika auf. Inzwischen werden aber auch Fälle aus Griechenland, Albanien und der Türkei gemeldet.

"Durch die Klimaveränderungen könnte es sich noch weiter in Richtung Norden ausbreiten", sagt Eickmann. Aktuell untersucht er Zecken tragende Zugvögel, um die Verbreitungswege zu klären. 500 Zecken wurden bereits analysiert. Bislang waren alle Proben negativ.

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