Erinnerung als Beitrag zu humanitärer Widerstandskraft

Ärztekammer des Saarlandes gedenkt mit Stele ihrer verfolgten jüdischen Kollegen

Die Saarländische Ärztekammer will mit einer Stele an von den Nationalsozialisten verfolgte Ärzte im Saarland erinnern. Auf der Bronzeplatte sind 35 Namen von Medizinern eingraviert.

Dr. Michael KudernaVon Dr. Michael Kuderna Veröffentlicht:
Eine Bronzeplatte im Eingangsbereich der Saarländischen Ärztekammer erinnert an 35 Ärztinnen und Ärzte, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden.

Eine Bronzeplatte im Eingangsbereich der Saarländischen Ärztekammer erinnert an 35 Ärztinnen und Ärzte, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden.

© Michael Kuderna

Saarbrücken. Mit einer Stele gedenkt die Ärztekammer des Saarlandes ihrer verfolgten jüdischen Kollegen und verknüpft dies mit einem Bekenntnis zu Toleranz und Werteorientierung. Kammerpräsident Dr. Josef Mischo rief zu konsequentem Erinnern auf, um sich damit auch in aktuellen Fragen selbst zu vergewissern.

Die Bronzeplatte mit den 35 Namen der von den Nationalsozialisten verfolgten Medizinern aus dem Saarland, darunter zwei Ärztinnen, ist am Montag Abend im Eingangsbereich der Kammer eingeweiht worden. Mischo betonte, man habe sich ganz bewusst für diesen Ort entschieden, an dem Fortbildungen stattfänden, wissenschaftliche Erkenntnisse diskutiert würden und die Gremien ihre Entscheidungen träfen. Die Stele sei ein „Stein des Anstoßes, nicht nachzulassen beim Durchdenken der Frage, ob wir persönlich und als Gesellschaft noch auf dem richtigen Weg sind“, sagte der Kammerchef.

Ärzteschaft zeigt Gesicht

Schon zuvor hatte Mischo in den Medien betont, die Stele bringe „auch zum Ausdruck, dass die Verfolgung von Menschen wegen ihrer Nationalität, ihrer Religion oder ihrer von der allgemeinen Normauffassung abweichenden Orientierung mit unserer Überzeugung einer werteorientierten Humanität unvereinbar“ sei.

„Mit dieser Erinnerung zeigt die saarländische Ärzteschaft in friedloser werdenden Zeiten Gesicht“, würdigte der Landesbeauftragte für jüdisches Leben und Antisemitismus, Prof. Dr. Roland Rixecker, die Aktion. Es sei weiterhin wichtig, sich mit Anstand und Respekt vor den Opfern der Gewalt- und Willkürherrschaft des „Dritten Reiches“ zu verneigen und ihnen ihre Würde wieder zu geben - auch wenn fast die Hälfte der Deutschen sich ein Ende des Gedenkens wünsche. Rixecker stellte besonders die Verantwortung heraus, dafür Sorge zu tragen, „dass nicht wieder Menschen zu Tode gehasst werden“.

Rixecker erinnerte daran, dass auch viele Ärzte den NS-Rassenwahn mitgemacht hätten. Sicher seien viele von ihnen keine dissozialen Personen oder sadistische Verbrecher gewesen, einige jedoch offenbar „von besessener Seelenlosigkeit“. Der Jurist sprach auch den Krieg in der Ukraine und den Suizid einer österreichischen Hausärztin diesen Sommer an, die zuvor im Netz von Impfgegnern mit Hass und Häme überzogen worden war.

Stele bietet Chance, mutig zu sein

Angesichts derartiger Ausbrüche von Gewalt und Hass müsse man sich fragen, wie man Empathie lehren könne, „die vor all dem wappnet, was damals geschehen ist und was heute geschieht“. Rixeckers Hoffnung: Erinnerung könne resilienter machen. Eine Stele wir in der Ärztekammer biete deshalb auch ein Chance, sich vorzunehmen, „mutig zu sein und offen zu widerstehen, wenn andere ausgegrenzt werden.“

Ausgangspunkt für die Bemühungen um Erinnerung und Aufarbeitung der NS-Verbrechen im ärztlichen Bereich des Saarlandes war eine 2010 als Buch erschienene Dissertation der Zahnärztin Dr. Gisela Tascher. Vor zwei Jahren entzog die Ärztekammer posthum ihrem ersten Nachkriegspräsidenten die Ehrenpräsidentschaft. Mit der Aufstellung der Stele rückt die Kammer nach den Tätern auch die Opfer stärker in den Focus.

Mehr zum Thema

Überlastungen und Traumata

Nintendinitis bis Wii-knee – wenn Zocken schmerzt

Vertrauen in Ärzte

Ist KI im Spiel, vertrauen Patienten weniger den Arztratschlägen

Sonderberichte zum Thema
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung

Corona-Pandemie

Lockdowns: Ein hoher Preis für den Nachwuchs

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Altersbedingter Hörverlust: Ursache ist eine Degeneration der Cochlea. Verstärkt wird der Prozess vermutlich durch Entzündungen und mikrovaskuläre Veränderungen.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

Niedrigdosierte Gabe

ASS hilft nicht gegen Hörverlust im Alter