Interview mit Chirurgin Dr. Bettina Wiltos

„Es soll ein Ball für alle Ärztinnen und Ärzte sein“

Am 28. Jänner tanzt wieder der Wiener Ärzteball. Die Chirurgin Dr. Bettina Wiltos, die das Ballkomitee leitet, hat ihn ordentlich umgekrempelt. Seit 2023 steht der Ärzteball „ganz im Zeichen der Medizin“, erzählt sie im Interview.

Ein Interview von Martin Krenek-Burger Veröffentlicht:
Strahlend vor der Premiere. Bettina Wiltos sah voraus, dass der 71. Wiener Ärzteball ein glanzvolles Fest der Medizin werden würde.

Strahlend vor der Premiere. Bettina Wiltos sah voraus, dass der 71. Wiener Ärzteball ein glanzvolles Fest der Medizin werden würde.

© Stefan Seelig

Die Vorbereitungen auf den 71. Wiener Ärzteball haben schon im Juli begonnen. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt? Empfanden Sie diese Tätigkeit mehr als Herausforderung oder war es nicht auch eine Belastung für eine viel beschäftigte Ärztin?

Ich muss vorausschicken, dass ich vor meinem Medizinstudium einige Jahre im künstlerisch-gestalterischen Bereich tätig war, diese Lust und Freude am Gestalten und „Ins-rechte-Licht-Setzen“ von Räumen ist ein Teil von mir. Aber nicht nur die visuelle Gestaltung, auch die Musik liegt mir besonders am Herzen.

Vor zehn Jahren konnte ich dieser Leidenschaft schon einmal frönen, als meine Tochter in die Oberstufe gekommen ist. Ich war über drei Jahre hinweg im Organisationskomitee der Maturabälle. Da habe ich nicht nur ihren Maturaball organisiert, sondern schon die drei Bälle davor, und dabei Einblick nehmen können in die verschiedenen organisatorischen Tätigkeiten, von der Sicherheit, über die Betriebsgenehmigung bis hin zur Budgetgestaltung. Am Ärzteball selbst fand ich immer spannend, dass ich hier Mediziner aller Altersgruppen getroffen habe.

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Zwei Jahre Pandemiepause sind an der Kulturbranche nicht spurlos vorübergegangen. Ebenso wenig an den Tänzerinnen und Tänzern. Bei den Jüngeren wurden zwei Jahrgänge übersprungen. Die Glut ist wohl noch da, sonst gäbe es keine Ballvorbereitungskurse und keine Debütantinnen und Debütanten mehr. Lässt sich das Feuer, die Tanzleidenschaft wieder entfachen?

Das steht auf meiner Agenda ganz weit oben. Mein Ziel ist es, möglichst viele junge Paare wieder für den Ärzteball zu begeistern. Wir haben etwa ein eigenes Ü30-Kartenkontigent eingeführt, um eine jüngere Personengruppe anzusprechen. Ich möchte nicht mehr den Satz hören: „Was soll ich auf dem Ärzteball?“, vielmehr Sätze wie: „Was für eine Ballnacht!“

Ich möchte, dass es ein Ball für alle Ärztinnen und Ärzte ist, auf dem man sich gut unterhält, Kolleginnen und Kollegen trifft, aus Studium oder Beruf. Nicht zu vergessen: Zu vielleicht fünf Prozent sind Bälle auch fürs Networking resp. Socializing da.

Der Ärzteball neu soll wieder mehr zum Ball der Medizin werden. Wie kam es dazu?

Als ich das Referat übernommen habe und sich abgezeichnet hat, dass der Ball wirklich stattfinden kann, war uns bald klar, dass wir diesen 71. Ärzteball für eine komplette Neuausrichtung nützen wollen. Dazu gehört, dass wir keine jährlich wechselnden Ballmottos mehr haben, sondern dass der Ball in den nächsten Jahren die Medizin in den Mittelpunkt stellt und Gestaltung und Dekoration auf Ereignisse oder Personen aus der Medizin und der Medizingeschichte Bezug nehmen.

Heuer ziert das Bild der ersten Wiener Medizinerin, Dr. Bianca Bienenfeld, jenen Saal, in dem sonst das Bild der Kaiserin Sisi gehangen ist. Das Besondere an dieser Gynäkologin ist, dass sie als erste für ihre Arbeit bezahlt worden ist, und nicht wie die meisten ihrer Kolleginnen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gratis arbeiten musste.

Ärzteball in Wien 2023

Nach zweijähriger Pandemiepause erfreuten sich die Ballgäste beim traditionellen Ärzteball in Wien umso mehr an der wunderbaren Eröffnung und an hochklassigen Showeinlagen. Eindrücke vom 71. Wiener Ärzteball am 28. Januar in der Wiener Hofburg.
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Der 71. Wiener Ärzteball in der Hofburg. Es hieß wieder: 1 ,2,3...alles Walzer
Der 71. Wiener Ärzteball in der Hofburg. Es hieß wieder: 1 ,2,3...alles Walzer

© Stefan Seelig

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Ausgelassene Stimmung beim Ehrengästeempfang. Endlich konnte wieder gefeiert und ausgiebig Networking betrieben werden.

© Stefan Seelig

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Mag. Othmar Karas, ehemaliger Vizepräsident des Europäischen Parlaments, mit Gattin Christa. Die beiden haben bislang kaum einen Ärzteball ausgelassen.

© Stefan Seelig

Musik ist die Sprache der Emotionen. Das meint zumindest Emmanuel Kant.
Musik ist die Sprache der Emotionen. Das meint zumindest Emmanuel Kant.

© Stefan Seelig

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Die Hofburg erstrahlte in einem scheinbar unendlichen Blütenmeer in Pink, Rosa und Orange.

© Stefan Seelig

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Die ranghöchste Gesundheitsbeamtin des Landes mischte sich unter die Gäste auf dem Ärzteball. Die Generaldirektorin für Öffentliche Gesundheit, Dr. Katharina Reich (2.v.li.), in charmanter Gesellschaft.

© Stefan Seelig

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Spielten ihre ganze Routine aus. Sophie Heindl (23) und ihr Tanzpartner Nikolaus Potapow (24) eröffneten 2020 den Opernball.

© Stefan Seelig

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Mit Nobelpreisträger Prof. Dr. Eric Kandel verbindet die Ärztekammer eine tiefe und langjährige Freundschaft
(im Bild mit Gattin Denise).

© Stefan Seelig

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Internationale Ärzteprominenz: Dr. Osahon Enabulele, MHPM, Gattin Joan und
Dr. Frank U. Montgomery, Ratsvorsitzender der World Medical
Association.

© Stefan Seelig

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Das glatte Parkett, die ungewohnte Live-Musik, die vielen Zuschauer... Es gibt unzählige Gründe, warum eine Eröffnung schief gehen kann, doch das Ärzteball-Team weckt in den jungen Debütantinnen und Debütanten ungeahnte Tanztalente.

© Stefan Seelig

Nicht fehlen durfte beim Ärzteball Gelati von Paolo Bortolotti.
Nicht fehlen durfte beim Ärzteball Gelati von Paolo Bortolotti.

© Stefan Seelig

Diesen Gedanken aufgreifend: Die Besucher lernen heuer etwas Historisches über ihren Berufsstand, das sie vorher nicht wussten?

Das war tatsächlich die Idee. Der Ball steht heuer im Zeichen der medizinhistorisch bedeutenden Persönlichkeit Dr. Robert Bárány (1876-1936), HNO-Arzt aus Wien, der 1914 als erster Österreicher – damals Österreich-Ungarn - den Medizin-Nobelpreis erhalten hat. Bárány hat das Innenohr beschrieben und damit die Grundlage für die Labyrinthchirurgie geschaffen. Wir haben in der Gestaltung darauf Bezug genommen. Ich denke, dass Bárány außerhalb des Fachbereichs HNO kaum noch bekannt war. Das hat sich mit dem heutigen Ball ein wenig geändert, hoffe ich.

Wie sind Sie auf Robert Bárány gekommen?

Der Gedanke ist mir beim Wandern gekommen, wie die meisten meiner gestalterischen Ideen.

Es gibt auch einige kleinere Änderungen, die für den Einzelnen resp. die Einzelne gar nicht so unbedeutend sind. So war der Ärzteball 2023 deutlich diverser als seine Vorgänger. Woran war dies zu erkennen?

Wir haben dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung getragen, indem wir beispielsweise die Kleiderordnung angepasst haben. Auf dem Ärzteball heißt es jetzt nicht mehr „bodenlanges Abendkleid für die Dame“, sondern es gilt allgemein: bodenlanges Abendkleid, Smoking oder Frack (Anm.: Für weibliche Debütantinnenpaare gilt die Variante: weißes Kleid für die Dame, schwarzes Kleid für den „Herrn“). Das schließt mit ein, dass eine Dame im Frack erscheinen kann. Außerdem gibt es beim Ärzteball keine Damenspende mehr, sondern eine Ballspende.

Ballspenden waren einmal ein aufwendig gestaltetes Ball-Accessoire, das einen Bezug zum Veranstalter hatte. Sie haben sich mit dieser Wiener Tradition beschäftigt.

Ursprünglich war die Ballspende ein künstlerisch gestaltetes Heftchen, in dem sich die Tanzpartner der Damen vormerken lassen konnten. Die Damen hatten dann eine dokumentierte Reihe von Männern, mit denen sie getanzt hatten. Das war ein Initiationsritus für die jungen Leute (Anm.: Als unverheiratetes Paar am Ball zu erscheinen, war nicht üblich. Junge Frauen kamen in Begleitung ihrer Eltern oder einer Anstandsdame¹).

In der Zwischenkriegszeit hat sich diese Tradition dann verloren, was wohl der Armut geschuldet war. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Heftchen nicht mehr aufgekommen. Die Damenspende bzw. Ballspende ist zu einem belanglosen Give-away verkommen. Ich war auf Bällen, wo man ein Parfümfläschchen oder einen Nagellack bekommen hat, aber von diesen Dingen haben wir ja ohnehin genug daheim. Ich wollte diese im Grunde sehr schöne Tradition aufleben lassen.

Die Akademie der bildenden Künste, genauer gesagt die Studierenden der Grafik- und Druckgrafik-Klasse, haben für unsere Gäste Handdrucke gestaltet, Siebdruck-Lithografien. Wenn man Glück hat, wird der eine oder andere Künstler eines Tages hochpreisig, und dann hält man ein Sammlerstück in Händen. Das hat doch sicherlich einen ganz anderen Erinnerungswert als ein Duft oder ein Nagellack.

Ich möchte auf die Eröffnung zu sprechen kommen. Wenn die Ballgäste diese Zeitung in Händen halten, wissen sie vermutlich, dass sie eine Balletteinlage, die Ouvertüre aus der „Fledermaus“ unter der Leitung von Prof. Jolantha Seyfried, gesehen haben. Aber vielleicht wissen sie da noch nicht, welchen Eröffnungswalzer sie gehört haben …

Wir haben als Eröffnungswalzer „Die ersten Curen“ von Johann Strauß Sohn ausgewählt, weil dieser Walzer vor 161 Jahren auf dem Wiener Medizinerball, am 28. Jänner 1862, erstmals aufgeführt wurde.

Ein Teil der Einnahmen des Ärzteballs wird gespendet, welche Initiative wird unterstützt?

Der Ärzteball hat traditionell Benefizcharakter. Das war heuer zugegebenermaßen schwierig, weil wir in allen Bereichen – bei der Hofburg, bei der Technik, bei den Musikern – Preissteigerungen hinnehmen mussten, aber auch weil die Spendenbereitschaft der großen Firmen nicht mehr so hoch war wie früher. Neu war heuer die Kunstauktion um Mitternacht zugunsten von MOMO, dem mobilen Kinderhospiz und Kinderpalliativteam in Wien. Ersteigert werden konnte ein Werk des Wiener Künstlers Djawid Borower.

Wann sind Sie mit dem Ball zufrieden?

Wenn alle Ballgäste beim Nachhausegehen oder daheim sagen, dass sie sich wirklich gut unterhalten haben, es war spaßig, super Stimmung, gemütlich und sie wollen 2024 wiederkommen.

Wann beginnen die Vorbereitungen für den 72. Ärzteball?

Ehrlich gestanden: Die Vorbereitungen fangen morgen an, am Tag nach dem 71. Ärzteball.

Eine Besonderheit des Wiener Ärzteballs ist der traditionell große Charitycharakter. Der Reinerlös kommt seit 2013 einer karitativen Organisation zugute. Zuletzt erhielt AmberMed im Jahr 2020 100.000 Euro. 2023 geht der Reinerlös an das „MOMO Kinderhospiz“. MOMO ist ein mobiles Kinderhospiz und -palliativteam in Wien, welches schwerstkranke Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sowie ihre Familien zu Hause medizinisch, pflegerisch und psychosozial begleitet.

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