Behörden-Ärger

Geblitzter Arzt macht Praxis doch nicht zu

308 Euro Geldbuße und zwei Monate Fahrverbot – so lautete die Strafe für den Allgemeinarzt Vratislav Prejzek, der auf der Fahrt zu einem Patienten geblitzt wurde. Von dem Plan, seine Praxis deshalb zu schließen, ist der Arzt abgerückt.

Sven EichstädtVon Sven Eichstädt Veröffentlicht:
Besteht bei einem Patienten Lebensgefahr, darf ein Arzt die Geschwindigkeit überschreiten.

Besteht bei einem Patienten Lebensgefahr, darf ein Arzt die Geschwindigkeit überschreiten.

© Countrypixel / stock.adobe.com

GÖRLITZ. Ein Arzt wird bei einem Einsatz im Bereitschaftsdienst in einer Tempo-30-Zone mit 84 Stundenkilometern in seinem Privatauto geblitzt.

Dem im ostsächsischen Görlitz praktizierenden und in Tschechien wohnenden Mediziner Vratislav Prejzek ist dies Anfang Januar an einem Samstagvormittag passiert.

Nun erging Ende März ein Bußgeldbescheid der Stadt Görlitz, der ingesamt 308,50 Euro Geldbuße, zwei Punkte beim Fahreignungsregister in Flensburg sowie zwei Monate Fahrverbot vorsieht.

Aus Protest kündigte der 34-jährige Mediziner auf seiner Internetseite an, seine Görlitzer Praxis Ende Juni zu schließen und auch keinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einzulegen.

Bürgermeister mit Engelszungen

Die drohende Schließung der Praxis löste einen Sturm der Entrüstung bei den Görlitzern aus. Mit Engelszungen redete Oberbürgermeister Siegfried Deinege zwei Stunden auf den Arzt ein.

Nun will Prejzek doch Einspruch einlegen. Das ist Voraussetzung dafür, dass die Stadtverwaltung den Bescheid noch einmal auf "rechtfertigenden Notstand" überprüfen und ändern kann.

Die Frist, um Einspruch einzulegen, läuft am 11. April ab. Inzwischen hat sich Prejzek entschieden, seine Görlitzer Praxis entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung doch nicht zu schließen und nicht bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Sachsen zu "kündigen".

Laut Klaus Heckemann, Chef der KV Sachsen, gab es bereits Gespräche zwischen der KV und Prejzek. Der Arzt erhält von der KV auch juristische Unterstützung – zum Beispiel beim Formulieren des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid.

Fahrzeuge des Rettungsdienstes dürfen schneller fahren

Die Landesärztekammer Sachsen weist auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" auf ein Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf hin (Az. IV-3 RBs 95/09). Fahrzeuge des Rettungsdienstes sind demnach von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung und damit auch von der Beachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit befreit.

Das gilt dann, "wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden".

Dem Beschluss lag der Fall zugrunde, dass im März 2009 ein Fahrer eines Notarztes in Krefeld mit 88 Stundenkilometern geblitzt worden war, erlaubt waren 50 Stundenkilometer.

Während das Amtsgericht Krefeld deshalb noch eine Geldbuße von 160 Euro für gerechtfertigt ansah, hatte das Oberlandesgericht den Fahrer freigesprochen.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst allerdings ist von diesen Ausnahmeregelungen laut Landesärztekammer nicht erfasst.

Der Streit zwischen der Stadt Görlitz und dem Arzt Prejzek dreht sich auch um die Frage, ob seine Fahrt als Bereitschaftsdienstfahrt oder als Notarzteinsatz zu bewerten ist. Während Prejzek dies als Notarzteinsatz ansieht, stuft die Stadt die Fahrt als Bereitschaftsdienstfahrt ein.

Bereitschaftsautos ohne Blaulicht

KV-Chef Heckemann weist darauf hin, dass momentan die Mehrzahl der Ärzte in Sachsen beim Bereitschaftsdienst mit Privatautos fahren. Nach der Reform des Bereitschaftsdienstes sollen aber künftig in Sachsen Ärzte im Bereitschaftsdienst mit KV-Autos unterwegs sein.

Diese Autos werden laut Heckemann keine Sondersignale erhalten. Das hält der KV-Chef auch für richtig. Mobile Blaulichter bei Bereitschaftsdienstfahren würden ansonsten "die Akzeptanz von Sondersignalen im Straßenverkehr" möglicherweise "gefährden".

Wie der Beschluss des Düsseldorfer Oberlandesgerichtes zeige, sei bei einem Notarzteinsatz auch gar kein Blaulicht oder eine Sirene notwendig. Um Leben zu retten, dürften Ärzte schneller fahren als erlaubt.

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Kommentare
Dr. Manfred Stapff 11.04.201800:01 Uhr

Rücksichtslos

Das ADAC Motorwelt Zitat gilt ja nur um für die absolut notwendige kürzeste Zeit um z.B. eine Spur für den Rettungsdienst oder eine Kreuzung freizumachen.
Mit 84 km-h zeigt der Tacho ca. 95...und das in einer Tempo 30 Zone!! Hat sich irgendwer einmal überlegt welche Gefahr hier von einem nicht in der Fahrt mit Sondersignalen trainierten Fahrer ausgeht? Meine Interpretation: Wichtigtuerei eines jungen Kollegen und Sehnsucht nach Publicity.

Dr. Hans-Uwe Daniels 10.04.201815:48 Uhr

Notarztfahrt

Bezüglich des Problems des Kollegen verweise ich auf "ADAC Motorwelt", 04-2018,Seite 76. Demnach ist es auch als privater Kraftfahrer erlaubt und geboten, die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten, um Einsatzkräften den Weg freizumachen.Man sollte hier vielleicht ein juristisches Grundsatzurteil erzwingen (mit juristischer Hilfe der ÄK/KV?)!

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